NBA Playoffs - Wie aus den Phoenix Suns ein Finals-Team wurde: Chris Paul war nur die Kirsche

Robert Arndt
05. Juli 202113:00
Paul, Ayton und Booker sind die Stars der Phoenix Suns.getty
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Seit 2010 warteten die Phoenix Suns auf eine Teilnahme an den Playoffs, bei ihrer Rückkehr stürmten die Suns direkt in die Finals. Vieles wird an der Personalie Chris Paul festgemacht, doch Phoenix' Neuaufbau begann schon viel früher.

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2010 war die NBA noch eine andere. Chris Kaman war All-Star, Tyreke Evans stach einen gewissen Stephen Curry im Rennen um den Rookie of the Year aus - und die Phoenix Suns waren um Steve Nash und Amar'e Stoudemire letztmals ein Contender und bis zu dieser Saison letztmals überhaupt in die Playoffs.

In der Nacht auf Mittwoch bekommen die Suns nun die Chance auf ihren ersten Titel der Franchise-Geschichte. Als 2-Seed schaltete Phoenix nacheinander die Los Angeles Lakers, Denver Nuggets und die L.A. Clippers aus, ein Umstand, welchen vor zwei Monaten kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Gerade einmal vier Niederlagen steckte das Team von Coach Monty Williams ein, sie sind die bisher dominanteste und auch gesündeste Mannschaft dieser Postseason. Das Narrativ dreht sich vor allem um Chris Paul, der erstmals in seiner Karriere in den Finals spielen wird und seine Führungsqualitäten, welche derzeit wieder und wieder gepriesen werden.

Vieles davon ist richtig, greift aber zu kurz. Innerhalb weniger Jahre ist es General Manager James Jones gelungen, aus einer Ansammlung von jungen Spielern ein grundsolides Spitzenteam zu formen. Der Lohn war der Gewinn des Executive of the Year, ein viel größerer Preis könnte folgen.

Phoenix Suns: Glücksgriff Devin Booker war der Anfang

Der Grundstein für all den Erfolg wurde bereits 2015 gelegt, damals unter Jones' Vorgänger Ryan McDonough. Dieser Jahrgang wird nicht unbedingt in die Geschichte eingehen, doch Phoenix griff sich an Position 13 den womöglich besten Spieler in Devin Booker ab. Vor dem Guard gingen illustre Namen wie Jahlil Okafor (#3), Mario Hezonja (#5), Emmanuel Mudiay (#7) oder Stanley Johnson (#8) über die Ladentheke - Spieler, die kaum mehr in der Liga sind.

Zugegeben, im Nachhinein ist es schwer zu erörtern, ob McDonough in Booker einen All-Star bzw. Franchise-Star sah, seine damaligen Worte lassen darauf nur bedingt schließen. "Shooting wird immer teurer, deswegen musst du Shooter nun höher picken als du eigentlich willst", sagte McDonough damals über seine Wahl.

Booker war gewissermaßen auch ein unbeschriebenes Blatt. In einem historisch tiefen Kentucky-Team (darunter Karl Towns, Willie Cauley-Stein, Trey Lyles und die Harrison-Zwillinge), welches zeitweise 38 Spiele in Folge gewann, kam der Shooting Guard nur von der Bank und wurde zumeist nur als reiner Schütze eingesetzt.

Phoenix Suns: Chaotische Jahre mit einem Ausreißer

In Phoenix erweiterte sich sein Aufgabenfeld - notgedrungen. 2013/14 waren die Suns noch eine der Überraschungen der Saison, als viele davon ausgingen, dass Phoenix eines der schlechtesten Teams der Liga sein würde. Stattdessen sorgte das zweiköpfige Guard-Duo aus Goran Dragic und Eric Bledsoe zusammen mit den Morris-Twins für Furore, 48 Siege reichten jedoch nicht für die Playoffs.

In der Folge zerbrach alles recht schnell. Die Verpflichtung von Isaiah Thomas als zusätzlichen Guard entpuppte sich als Rohrkrepierer, Dragic ließ Phoenix wissen, dass er keinen Anschlussvertrag unterschreiben würde. Markieff und Marcus Morris hatten Probleme auf und neben dem Feld, innerhalb weniger Monate wurden beide Brüder getradet, Dragic war da schon lange am South Beach.

Innerhalb von gut einem Jahr mussten die Suns wieder von vorne anfangen, auch weil sie LaMarcus Aldridge in der Free Agency 2015 nicht überzeugen konnten. Für LMA hatte Phoenix zunächst hastig Buddy Tyson Chandler (4 Jahre, 52 Mio.) unter Vertrag genommen, der jedoch bereits auf dem absteigenden Ast war.

Phoenix Suns: Alle Lottery Picks seit 2010

JahrPickSpielerBei den Suns bisHeutiges Team
201113Markieff MorrisFebruar 2016Los Angeles Lakers
201213Kendall MarshallOktober 2013Karriereende 2017
20135Alex LenJuni 2018Washington Wizards
201414T.J. WarrenJuni 2019Indiana Pacers
201513Devin Booker-Phoenix Suns
20164Dragan BenderJuni 2019Maccabi Tel Aviv
20168Marquese ChrissAugust 2018Golden State Warriors
20174Josh JacksonJuli 2019Detroit Pistons
20181Deandre Ayton-Phoenix Suns
201810Mikal Bridges-Phoenix Suns
201911Cameron Johnson-Phoenix Suns
202010Jalen Smith-Phoenix Suns

Phoenix Suns: Draft-Busts, ein legendärer Tweet und eine Ziege

Talent war rar gesät und auch über den Draft landete man nach Booker kaum einen Treffer. Das beste Beispiel dafür war 2016, als man den 4., 13. Pick und 28. Pick hielt. An Position vier zog McDonough Dragan Bender, dazu gab man in einem Desaster von einem Trade 13 und 28 ab, um an Position 8 Marquese Chriss auszuwählen. Obendrauf verscherbelten die Suns auch noch die Rechte an einem gewissen Bogdan Bogdanovic, den man 2014 mit dem 28. Pick gezogen hatte. Der Serbe spielte zu dieser Zeit bei Fenerbahce und war schon da einer der wichtigsten Spieler im Team.

Die Siegesbilanz wurde 16/17 nur von 23 auf 24 gesteigert, 2017 durfte Phoenix wieder früh picken und setzte das Auswahlrecht mit Josh Jackson (#4) erneut in den Sand. Die Suns versanken im Chaos. Bledsoe setzte seinen legendären Tweet ("I don't wanna be here") ab, Coach Earl Watson wurde nach drei Spielen gefeuert und zu jener Zeit stellte Besitzer Robert Sarver eine Ziege in das Büro von McDonough - mit der Aufforderung, doch endlich den Suns einen GOAT zu liefern.

Devin Booker spielte zusammen mit Karl-Anthony Towns auf dem College.getty

Es gelang nicht, dafür wurde im Juli 2017 Jones zum Vize-Präsidenten des Basketball-Geschäfts ernannt. Der damals 36-Jährige war zuvor treuer Wegbegleiter von LeBron James und stand zwischen 2010 und 2017 stets in den Finals, bevor sein neuer Job die Spielerkarriere auf eine Schlag beendete.

Phoenix Suns: LeBrons Wegbegleiter hat eine Vision

Jones arbeitete zunächst im Hintergrund und war vor allem im Scouting involviert, eine Entscheidung, die sich lohnen sollte. Die Auswahl von Ayton an Position eins war zwar umstritten (unter anderem war da noch ein Luka Doncic zu haben), aber mit einem Trade, der Phoenix Mikal Bridges brachte, machten die Suns alles richtig. Es war ein Trade, der bereits die Handschrift von Jones trug.

Über Jahre hatte Phoenix nach Potenzial gedraftet, nun schwang das Pendel eher zu "fertigen" Spielern. "Du brauchst eine Vision", erklärte Jones seine Vorgehensweise. "Wir müssen kleine Schritte machen und darauf bauen, dass uns dies weiterbringt. Der Rest kommt dann von alleine."

Stück für Stück wurde der Kader mit solchen Spielern gefüllt. Von Ricky Rubio über Kelly Oubre Jr. über Dario Saric oder Aron Baynes. "Championship Habits" sollten in den Kader infiltriert werden. Hier die wichtigsten Moves von James Jones im Überblick, nachdem er im Oktober 2018 die Nachfolge für den glücklosen McDonough antrat:

  • Dezember 2018: Trevor Ariza wird für Kelly Oubre Jr. und Austin Rivers nach Washington getradet
  • Mai 2019: Nach der Entlassung von Igor Kokoskov wird Monty Williams neuer Head Coach
  • Juni 2019: Phoenix tradet T.J. Warren nach Indiana
  • Juni 2019: Phoenix tauscht den Pick Nummer 6 (Jarrett Culver) gegen 11 (Cameron Johnson) mit Minnesota und bekommt zudem Dario Saric
  • Juli 2019: Suns traden Josh Jackson und De'Anthony Melton für Jevon Carter und Kyle Korver (sofort entlassen)
  • Juli 2019: Phoenix holt Ricky Rubio und Frank Kaminsky via Free Agency
  • Juni 2020: Phoenix holt Free Agent Cameron Payne

Phoenix Suns: Die Bubble-Suns reißen das Ruder rum

Diese Transaktionen waren der Grundstein für das, was folgen sollte. Es war umstritten, als Phoenix eine Einladung für die Bubble erhielt, ESPNs Zahlen-Guru Kevin Pelton errechnete mit seinen Modellen, dass die Suns gerade einmal eine Chance von 0,1 Prozent hätten, um die Playoffs zu erreichen.

Die Zahlen sollten recht behalten, doch die Bubble-Suns wurden mit acht Siegen aus acht Spielen zu einer Feel-Good-Story in Disney World. Booker spielte wie ein Superstar, Payne erhob sich wie Phoenix aus der Asche. Trotz des abermaligen Verpassens der Playoffs herrschte wieder Optimismus, weil Jones' Vision sichtbar war.

Booker, Ayton, Bridges und in Teilen auch Johnson waren das junge Gerüst, nun machte es sich Jones zur Aufgabe, mit mehr Erfahrung das Team wieder in die Playoffs zu hieven.

Erst an dieser Stelle kam Chris Paul ins Spiel. Der Point God hatte ein durchschnittliches OKC-Team wider Erwarten in die Playoffs geführt und die klar favorisierten Houston Rockets zu einem Spiel 7 gezwungen, welches jedoch verloren ging. Die Uhr für Paul tickte, der Traum von einem Titel schien in weite Ferne zu rücken.

Phoenix Suns: Paul und Crowder schließen den Rebuild ab

Mit Oubre Jr. und Rubio hatten die Suns die Verträge, um Pauls massives Gehalt zu matchen, allerdings fragten sich viele auch, warum CP3 denn nach Phoenix wolle. Mit der Meisterschaft werden die Suns nichts zu tun haben, so der einstimmige Tenor. Dennoch brachte Paul vor allem eines, Respekt. Es zog weitere Free Agents wie Jae Crowder an, der für die Midlevel-Exception unterschrieb und eines der Schnäppchen der Offseason war.

Jener Crowder ist nun der einzige Spieler im Kader, der jemals in den Finals stand, er selbst bezeichnete sich kürzlich als "Genie", als er auf seine Entscheidung im November pro Phoenix angesprochen wurde. Paul und Crowder waren für die Suns die letzten Bausteine eines radikalen und auch ungewöhnlichen Wiederaufbaus, wie man ihn in der NBA äußerst selten sieht.

Die komplette CP3-Story überschattet das alles ein wenig, aber Fakt ist, dass Jones mit großen Teilen seiner Entscheidungen recht behielt. Über den Johnson-Pick inklusive des Tradens nach unten schüttelten viele den Kopf, gleiches galt für den Trade von Warren nach Indiana.

Phoenix Suns: Entscheidungen gegen den Konsens

Die Verpflichtung von Rubio wurde kritisch beäugt, obwohl der Spanier die jahrelange Point-Guard-Problematik in Teilen löste und letztlich auch einer der Trade-Chips war, um Paul in den Valley zu lotsen. Selbst der Paul-Trade war ob dessen Gehalts (41,4 Mio. plus Spieler-Option) nicht unumstritten, hat sich aber voll bezahlt gemacht.

Einzig die Wahl von Jalen Smith, der kaum das Feld sah, im Draft 2020 ist bisher schwer vertretbar, vor allem weil Tyrese Halliburton noch zu haben war. Ansonsten war die Handschrift von Jones und auch Williams über die Saison klar erkennbar. Phoenix war nicht das spektakulärste Team, sie sorgten nicht für die großen Schlagzeilen in der Regular Season, doch sie waren grundsolide an beiden Enden des Feldes - ohne eine glasklare Schwäche.

In einem Jahr, welches von Verletzungen bei jedem Team durchlöchert ist, war diese Homogenität ein absolutes Faustpfand und der Garant dafür, dass Phoenix dort steht, wo sie vor der Saison keiner erwartet hätte - in den NBA Finals.

NBA Finals: Die Termine der Serie

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsÜbertragung
17. Juli3 UhrSunsBucksDAZN
29. Juli3 UhrSunsBucksDAZN
312. Juli2 UhrBucksSunsDAZN
415. Juli3 UhrBucksSunsDAZN
5*18. Juli3 UhrSunsBucksDAZN
6*21. Juli3 UhrBucksSunsDAZN
7*23. Juli3 UhrSunsBucksDAZN

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