Die Utah Jazz haben sich nach einer dominanten Regular Season erneut mit einer großen Enttäuschung aus den Playoffs verabschiedet. Wie geht es nun weiter am Salzsee? Die wichtigsten Fragen zur Offseason.
Warum endete die Saison der Jazz in einer Enttäuschung?
Am Ende lief es für die Jazz dann doch wieder so wie schon in einigen Jahren zuvor. Trotz der besten Bilanz der Liga und Heimvorteil bis in die Finals, trotz des besten Net-Ratings der NBA und des wohl besten Jazz-Teams seit den späten 90ern verabschiedete man sich frühzeitig aus den Playoffs.
Dabei lief zunächst noch alles gut. Gegen die Grizzlies gab es in Runde eins zwar einen Schönheitsfehler im ersten Spiel, dieses wurde allerdings ohne Donovan Mitchell bestritten. Nach der Rückkehr des Guards legte Utah prompt eine Siegesserie über sechs Spiele hin, die sich auch noch bis in die Clippers-Serie hineinzog. Doch dann meldete sich ein altes Problem besonders stark zurück.
Rudy Gobert hatte schon in den vergangenen Jahren bisweilen einige schwierige Playoff-Serien durchlebt, etwa 2019 gegen die kleinen Rockets, bei denen vor allem ein gewisser Chris Paul ihm immer wieder aus der Mitteldistanz wehtat und sein Absinken bestrafte. Gobert ist heute ein besserer Spieler und fühlt sich etwas wohler bei der Perimeter-Defense, geholfen hat es trotzdem nichts.
Denn: L.A. setzte im Lauf der Serie immer stärker auf Small-Ball, selbst dann, als Kawhi Leonard und damit der beste de-facto-Ringbeschützer ausfiel. Tyronn Lue brachte dafür Youngster Terance Mann, denn er fürchtete Gobert als Offensivspieler nicht - die Clippers kamen vor allem hinten raus fast komplett ohne nominellen Big Man auf dem Court aus.
Die Folge: Gobert wurde defensiv vom Ring weggezogen und musste stattdessen fast immer am Perimeter verteidigen. Das limitierte den Einfluss des wohl besten Ringbeschützers der Liga, da er eben nicht am Ring agieren konnte. Gerade am Ende fürchteten Reggie Jackson, Paul George oder Mann Gobert auch nicht mehr, wenn er dann doch am Korb stand. Das stellte das gesamte Defensiv-Konzept der Jazz auf den Kopf, die abgesehen von Gobert und Royce O'Neale kaum starke Verteidiger im Kader stehen haben.
132, 118, 119, 131 - das waren die Punktausbeuten der Clippers in ihren vier Siegen. Ohne die Absicherung Gobert attackierten die L.A.-Wings immer wieder den Korb und pickten sich dabei auch Mitchell mehrfach heraus. Dieser spielte offensiv zwar erneut eine bockstarke Serie (34,8 Punkte im Schnitt), wirkte durch Knöchelprobleme aber vor allem bei den lateralen Bewegungen etwas eingeschränkt.
Es hätte angesichts der defensiven Probleme indes auch offensiv mehr gebraucht. Utah war während der Regular Season noch für seine starke Ballbewegung und elitäres Shooting bekannt, ersteres zeigte sich in dieser Serie jedoch nicht (und von draußen waren die Clippers sogar noch besser). Was nicht zuletzt daran lag, dass Mike Conley lediglich im letzten Spiel zur Verfügung stand.
Der Point Guard hätte sicherlich Last von Mitchells Schultern nehmen können, allerdings: L.A. fehlte in den Spielen 5 und 6 in Kawhi der beste Spieler und lag in Spiel 6 zeitweise mit 25 (!) Punkten hinten. Dass die Jazz diese Chancen nicht wahrnehmen und nicht einmal ein siebtes Spiel forcieren konnten, dürfte sie noch eine ganze Weile beschäftigen.
Jazz vs. Clippers: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 9. Juni | Jazz | Clippers | 112:109 |
2 | 11. Juni | Jazz | Clippers | 117:111 |
3 | 13. Juni | Clippers | Jazz | 132:106 |
4 | 15. Juni | Clippers | Jazz | 118:104 |
5 | 17. Juni | Jazz | Clippers | 111:119 |
6 | 19. Juni | Clippers | Jazz | 131:119 |
Hat der Kern der Utah Jazz sein Limit erreicht?
Einerseits können die Jazz darauf hinweisen, dass sie gegen die Clippers am Ende nicht bei voller Stärke waren, wie übrigens auch schon im Vorjahr, als sie den (im Vergleich zu den Clippers weit weniger beachteten) Kollaps nach 3-1-Führung gegen die Nuggets ohne Bojan Bogdanovic bereits in der ersten Runde erlitten.
Andererseits ist das in dieser Postseason und sogar in dieser Serie eben kein Alleinstellungsmerkmal. Und es hilft ja auch nichts; sie haben verloren, erneut. In vier gemeinsamen Jahren haben Mitchell und Gobert nun insgesamt zwei Playoff-Serien gewonnen, das ist unterm Strich nicht genug für ein Team mit Titelambitionen, unabhängig von etwaigen mildernden Umständen.
Die Jazz sind nun an einem interessanten Punkt, da sie gerade erst im vergangenen Jahr demonstriert haben, dass sie an den Mitchell-Gobert-Kern glauben. Deren äußerst lukrative neue Verträge beginnen in diesem Sommer, weshalb die Jazz sowohl 21/22 als auch 22/23 bereits über der Luxussteuer-Grenze operieren werden - obwohl ein essenzieller Posten noch offen ist (siehe Seite 3).
Utah hat in der regulären Saison all seine Vorzüge gezeigt: In Bestbesetzung haben die Jazz eine sehr variable Offensive mit vielen Waffen und vor allem viel Shooting, das dafür sorgen kann, dass ein enges Spiel innerhalb kürzester Zeit zum Blowout wird. Sie haben in Gobert den besten Regular Season-Verteidiger der NBA, dazu einen Mitchell auf dem Weg zum Offensiv-Superstar.
Dieses Duo allein scheint eine Playoff-Teilnahme zu garantieren, gerade deshalb, weil es schwierig ist, in der Regular Season für die Offensive und auch Gobert Konter zu entwickeln. Die Clippers haben jedoch einmal mehr gezeigt, dass dies in den Playoffs etwas anders aussieht, und selbst Memphis konnte den Jazz offensiv teilweise wehtun.
Den Jazz fehlt offensichtlich immer noch die eine oder andere Zutat, um den nächsten Schritt zu machen - oder der Kern ist einfach nicht gut genug. Allerdings spricht gerade aufgrund der vertraglichen Situation viel dafür, dass Utah es auch in der kommenden Saison wieder mit einem ähnlichen Team versuchen wird.
Was passiert mit Mike Conley?
Der mit Abstand wichtigste Free Agent im Kader ist Conley, der einerseits bald 34 Jahre wird und zwei Jahre mit Oberschenkelproblemen an beiden Beinen hinter sich hat, andererseits aber auch ein essenzieller Bestandteil dieser starken Jazz-Saison und der Serie gegen die Grizzlies war.
Conley wurde erstmals All-Star, gegen Memphis überragte er mit 17 Punkten, 9 Assists und knapp 55 Prozent von der Dreierlinie. Der Point Guard bleibt ein cleverer Ballverteiler und Pick'n'Roll-Spieler, der der Offense neben Mitchell immer wieder Struktur verlieh.
Zwar gibt es einige Stimmen, die früher oder später Mitchell als Vollzeit-Aufbau sehen wollen, allerdings kann man heutzutage eigentlich kaum genug Ballhandler haben - und Mitchell hat als Decision-Maker immer noch viel Luft nach oben. Da Conley auch ohne Ball in der Hand aufgrund seines Wurfs und seiner guten Bewegung effektiv ist, passt er sehr gut neben den 24-Jährigen.
Hinzu kommt, dass die Jazz ihn eigentlich nicht anderweitig ersetzen können. Wenn sie Conley gehen lassen, bekommen sie dafür keinen finanziellen Spielraum, weil sie ohnehin über der Gehaltsobergrenze liegen. Es ist also recht wahrscheinlich, dass die Jazz versuchen, den Point Guard zu behalten, selbst wenn sie ihn danach womöglich traden könnten.
Wie ein neuer Deal aussehen könnte, ist allerdings ebenfalls eine gute Frage. Conley hat vergangene Saison 34,5 Millionen Dollar verdient, das werden ihm die Jazz (oder andere Teams) kaum noch einmal zahlen. Gleichzeitig wird Conley in seinem Alter nicht mehr viele Verträge unterschreiben, vielleicht priorisiert er also eine längere Laufzeit statt eines fetten Jahresgehalts.
Es kommt den Jazz womöglich gelegen, dass derzeit nicht allzu viele Teams einen Point Guard suchen und dass es dafür doch einige Optionen gibt, von denen die meisten wesentlich jünger sind als Conley. Selbst unter den Oldies gibt es mit Chris Paul und Kyle Lowry zwei Spieler, die in der Hackordnung vor ihm stehen (Paul) oder auf Augenhöhe sind.
"Ich will Meister werden", sagte Conley selbst zum Thema. "Das ist und war schon immer mein Ziel Nr. 1. Wir wissen nicht, wie lange wir noch spielen können. Wir müssen diese Jahre so gut wie möglich nutzen. Wir werden sehen, was passiert."
Was können die Jazz in der Offseason sonst machen?
In Kürze: Nicht viel! Georges Niang wird genau wie Conley Unrestricted Free Agent, ansonsten ist der Kader für kommende Saison schon mehr oder weniger komplett. Gobert, Mitchell, Jordan Clarkson, Royce O'Neale, Bogdanovic und Derrick Favors stehen sogar allesamt noch mindestens zwei Jahre in Utah unter Vertrag.
Ein großer Free Agency-Player werden die Jazz demnach nicht, wobei das ohnehin noch nie der Fall war. Sie können die Taxpayer Midlevel Exception (5,9 Mio.) nutzen, dazu verfügen sie noch über zwei Trade Exceptions (5 und 3,5 Mio.). Sie haben den 30. Pick im Draft, und das war es dann auch schon. Abgesehen von etwaigen Trades sind das all ihre Ressourcen.
Dabei gibt es durchaus einige Baustellen. Utah fehlen abgesehen von O'Neale starke Flügelverteidiger und selbst ihm fehlt es ein wenig an Länge. Das Personal für ein echtes Small-Ball-Lineup ist schlichtweg nicht vorhanden, was den Jazz gegen die Clippers zum Verhängnis wurde. Utah braucht 3-and-D-Spieler, allerdings werden diese von der gesamten Liga gejagt.
Für Gobert und Favors werden in den kommenden beiden Jahren 45 beziehungsweise fast 50 Mio. bezahlt. Utah hat dadurch immer einen soliden Ringbeschützer zur Verfügung (auch wenn Gobert meilenweit vor Favors steht), ist schematisch aber limitiert. In den Playoffs jedoch ist Flexibilität Trumpf.
Kann Rudy Gobert Eckpfeiler eines Meisterteams sein?
Letzten Endes hängt bei den Jazz viel an dieser Frage. Gobert hat nun über Jahre bewiesen, dass er in der Regular Season zu den wertvollsten Spielern der Liga gehört, seine DPOY-Awards sind vollkommen verdient und die All-NBA-Nominierungen sind es ebenfalls. Und trotzdem bleibt es ein Problem, wenn der Topverdiener des Teams in gewissen Matchups kaum Einfluss nehmen kann.
Die Clippers waren einerseits ein sehr ungünstiger Gegner für Gobert, eben weil sie so viele dieser Wings haben, über die Utah nicht verfügt. Aber je tiefer man in die Playoffs kommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man auf ein solches Team trifft, zumal spätestens jetzt eine Blaupause existiert, wie man die Jazz und Gobert attackieren kann.
Simpel ausgedrückt: Klein spielen nimmt Gobert den natürlichen Gegenspieler, Five-Out nimmt ihm auch die Position in Korbnähe, von wo aus er alle Lücken stopfen kann. Und das funktioniert, weil er es auf der Gegenseite nicht bestrafen kann. Bei allem Gerede über Screen Assists bleibt es dabei, dass Gobert offensiv individuell limitiert ist.
Er hat nicht die Fußarbeit, um kleinere Gegenspieler im Post zu überpowern, er hat keinen überdurchschnittlichen Touch oder einen Hook-Shot, mit dem beispielsweise Deandre Ayton den Clippers aktuell durchaus wehtut. Er ist ein starker Athlet und Lob-Finisher, seine Picks schaffen viele Freiräume, aber selbst das war gegen die Clippers nur bedingt zu sehen.
Gobert muss beim besten Willen nicht Utahs Topscorer sein, um einen positiven Impact zu haben. Dafür haben die Jazz genug andere Optionen. Er muss jedoch lernen (und dabei auch von seinem Team und Coach Quin Snyder unterstützt werden), auch gegen ein kleines Lineup mit vielen Switches ein Faktor zu sein.
Andernfalls wird es dabei bleiben, dass der Center in der Regular Season wertvoller ist als in den Playoffs. Das ist zwar für Rollenspieler akzeptabel, nicht aber für vermeintliche Franchise-Player, wenn man eine Meisterschaft holen möchte.
Utah Jazz: So viel verdienen die Leistungsträger
Gehalt 21/22 (in Mio.) | 22/23 | 23/24 | 24/25 | |
Rudy Gobert | 35,3 | 38,2 | 41 | 43,8 |
Donovan Mitchell | 28,1 | 30,4 | 32,6 | 34,8 |
Bojan Bogdanovic | 18,7 | 19,6 | ||
Jordan Clarkson | 12,4 | 13,3 | 14,3 |
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