Können die Dallas Mavericks froh sein, dass Deron Williams das Angebot abgelehnt und lieber bei den Brooklyn Nets verlängert hat? Mark Cuban sorgt mit seiner Äußerung für Hohn und Spott. "Deron Williams ist ein wirklich großartiger Spieler. Aber ich weiß nicht, ob ich mit ihm glücklich gewesen wäre. Ich denke, wir sind jetzt in einer besseren Position, als wenn wir ihn bekommen hätten", sagte der Besitzer.
Die Reaktion fiel entsprechend aus. "Nur anzudeuten, dass die Mavs besser dran sind ohne Williams statt mit Williams, beleidigt die Intelligenz der Mavs-Fans. Die Aussage ist im schlimmsten Fall gelogen und im besten Fall unaufrichtig. Mark Cuban ist eigentlich so viel besser als das", schreibt Jean-Jacques Taylor, Dallas-Experte von "ESPN".
Sein Urteil über die Wettbewerbsfähigkeit der Mavs ist vernichtend: "Niemand sollte schockiert sein, wenn die Mavs die Playoffs nicht schaffen. Sie werden die gesamte Saison Probleme haben."
Wie gut ist Dirk Nowitzkis Mannschaft wirklich? Mit der nahenden Ernennung von Veteran Jim O'Brien, selbst neun Jahre als NBA-Headcoach tätig und zuletzt 2010/11 in Indiana, zum Assistenztrainer für Rick Carlisle ist die letzte offene Personalie geklärt. Die 15 Rosterspots sind bereits seit Mitte Juli vergeben. Zeit für einen Kader-Check.
Center
Die Rotation: Chris Kaman, Elton Brand, Bernard James
So prominent die Namen, so groß die Zweifel. "Lasst es mich so ausdrücken: Ich war nicht begeistert von Elton Brand und Chris Kaman, wie sie 2006 bei den Clippers zusammenspielten, als sie noch gut waren", twitterte Bill Simmons, NBA-Kult-Schreiber und Fan der Boston Celtics. Cubans Konter über Twitter folgte prompt: "Dein nächster kluger Kommentar über Personalentscheidungen wird Dein erster sein."
Doch so schlagfertig sich der Mavs-Besitzer gibt, auch er wird beim Abwägen der Verpflichtungen nicht nur den Nutzen, sondern auch die Risiken erkannt haben.
Die wohlwollende Lesart: Kaman ist der offensivstärkste Center der Mavs-Geschichte. Einer, der mit beiden Händen hochprozentig abschließt, sich am Korb mit Post-Moves durchzusetzen weiß und einen patenten Mitteldistanzwurf sein Eigen nennt. Die Defense reicht nicht an die Qualität eines Tyson Chandler heran, zugleich ist sie mindestens der des Vorgängers Brendan Haywood ebenbürtig. In seiner besten Saison 2009/10 verzeichnete er 18,5 Punkte, 9,2 Rebounds sowie 1,2 Blocks und wurde ins All-Star-Team berufen.
Die All-Star-Teilnahme blieb trotz seines Talents ein einmaliges Erlebnis, weil sein Körper allzu oft schwächelt. Als Rookie hatte Kaman alle 82-Regular-Season-Partien bestritten, in den folgenden neun Jahren verpasste er wegen allerlei Verletzungen 182 von möglichen 640 Spielen. Im Zusammenhang mit den Gebrechen steht seine abnehmende Explosivität: Kaman verhält sich in der Defense umsichtig und intelligent, aufgrund des langsamen ersten Schritts kommt er beim Aushelfen allerdings häufig zu spät.
Ein Faktor, der sich für die deutsche Nationalmannschaft bei der EM 2011 als folgenschwer erwies. Zwar harmonierten die Freunde Kaman und Nowitzki beim Aufteilen der Scoring-Last, am eigenen Brett wurde das DBB-Team aber immer wieder entblößt, weil beide nicht über den nötigen Antritt verfügen, um das gegnerische Pick'N'Roll zu verteidigen. Nowitzkis Defizite wurden bei der Championship 2011 vom herausragenden Athleten und Help-Defender Chandler ausgeglichen - doch wer soll jetzt dessen Rolle übernehmen?
Elton Brand, als Backup für Kaman und Nowitzki eingeplant, zählte noch in dem von Simmons angesprochenen Jahr 2006 zu den heißesten MVP-Kandidaten, weil er neben dem Punkten am Brett sowie aus der Mitteldistanz (24,6 Zähler) auch Defense in höchster Güte einbrachte (10,0 Rebounds, 2,5 Blocks). Nur: Seitdem sind die Statistiken fast durchgängig rückläufig, unter anderem erholte er sich nie ganz von einem Achillessehnenriss.
Dennoch könnte Brand hilfreich dabei sein, Kaman und Nowitzki defensiv zu entlasten. Ihm fehlt die Spritzigkeit und die Athletik von früher, seine Körperlichkeit ist hingegen weiterhin imposant. "Unseren detaillierten Analysen zufolge gehört Brand zu den besten 10 Verteidigern am Brett. Nach unserem Plus-Minus-Rating gehört er sogar zu den besten 10 Spielern der NBA insgesamt", sagt Cuban.
Der bereits 27-jährige Rookie Bernard James, an Platz 33 von Dallas ausgewählt, spielt mit der Toughness eines früheren Air-Force-Soldaten, wobei die mittelmäßige Summer League (10,2 Punkte, 9,0 Rebounds) andeutet, dass er den Anforderungen der NBA nicht entspricht und besser in der D-League aufgehoben ist.
Die Forward-Positionen: Das Nowitzki-Marion-Carter-Virus
Die Guard-Positionen: Mayo-Wundertüte
Das Fazit: Es wird knüppelhart
Power Forward
Die Rotation: Dirk Nowitzki, Brandan Wright
Er selbst wollte es öffentlich nie zugeben. Dennoch war es die gesamte Saison offensichtlich, wie sehr sich Dirk Nowitzki abmühte, um zumindest das Mindestmaß an Eigenanspruch zu erfüllen. Sein Punkteschnitt (21,6) war der zweitschlechteste, der Reboundschnitt (6,0) sowie die Wurfquote (45,7 Prozent) sogar die schlechtesten seit der Rookie-Spielzeit.
Umso wertvoller war der Sommer, der ihm von der Hochzeit abgesehen alle Zeit ließ, um sich zu erholen und neu zu motivieren. Ein entscheidender Unterschied zu der von der EM und vom Lockout empfindlich gestörten Vorbereitung im Vorjahr.
Vertreten wird Nowitzki von Brand, der als Center oder eben als Power Forward eingewechselt wird. Shawn Marion erhält wie gewohnt ebenfalls einige Minuten auf der Vier. Heißt: Für Brandan Wright verbleiben nur wenige Einsatzmöglichkeiten. Von den zur Verfügung stehenden 96 Minuten auf beiden Positionen gebühren 70 bis 75 Minuten Kaman/Nowitzki, der Großteil des Rests geht an Brand.
Dass Wright seltener auflaufen soll, mag angesichts seiner engagierten und spektakulären Spielweise unverständlich sein. Trotzdem ist es sinnvoll: Für einen Center fehlt ihm die Muskelmasse, für einen Power Forward die Moves. Beim Playoff-Aus gegen OKC wurde Wrights Wert ersichtlich: 1,3 Punkte, 1,3 Rebounds.
Small Forward
Die Rotation: Shawn Marion, Vince Carter, Jae Crowder, (Tadija Dragicevic)
Nowitzkis Saison war eine Blaupause für Shawn Marion und Vince Carter: Nur als Rookie punktete Marion seltener (10,2), für Carter bedeuteten sein Punkteschnitt (10,1) sowie die Wurfquote (41,1 Prozent) sogar historische Negativmarken. Von ihnen wurden keine Leistungen vergangener All-Star-Tage erwartet, das tatsächlich Erbrachte enttäuschte aber dann doch.
Umso bedeutsamer wird eine Steigerung der beiden für ein erfolgreiches Abschneiden sein: Marion bleibt der beste Verteidiger und Carter der beste Dreierschütze des Teams - und es fehlen hinter ihnen die Alternativen. Dahntay Jones, der zum Small Forward aufrücken kann, soll vornehmlich den gegnerischen Shooting Guard ausschalten. Und Rookie Jae Crowder wird sich trotz einer guten Summer League (16,6 Punkte, 5,4 Rebounds) zunächst in der D-League bewähren müssen.
Dallas bekam außerdem von den Utah Jazz die Rechte an Ex-Toptalent Tadija Dragicevic (2010/11 bei ALBA Berlin) weitergereicht, weswegen der 26-jährige Serbe im vorläufigen Kader der Mavs auftaucht. Eine Verpflichtung ist ausgeschlossen.
Die Center-Position: So gefährlich wie nie
Die Guard-Positionen: Mayo-Wundertüte
Das Fazit: Es wird knüppelhart
Shooting Guard
Die Rotation: O.J. Mayo, Dahntay Jones, Rodrigue Beaubois, Dominique Jones
Selbst in einer Mannschaft voller Unwägbarkeiten ist O.J. Mayo das größte Rätsel. Seine Karriere liest sich oberflächlich wie ein Klassiker der NBA: Früh zu sehr gelobt ("The next LeBron"), zu oft gehypt (Cover der "Sports Illustrated" und "SLAM") und zu hoch gedraftet (2008 an Nummer drei), als Profi jedoch nie den Erwartungen gerecht geworden.
Bei den Memphis Grizzlies erlebte er ein traumhaftes Rookie-Jahr (18,5 Punkte) und bestätigte die Leistungen in der Folgesaison (17,5 Punkte), woraufhin er in den beiden Spielzeiten darauf plötzlich abbaute. Sein Punkteschnitt ging auf 11,3 und 12,5 Zähler zurück, parallel verlor er den Platz in der ersten Fünf und wurde von Memphis mehrmals zum Trade feilgeboten. Die Gründe hierfür liegen im Verborgenen, so recht kann es sich kein Beobachter erklären, was bei den Grizzlies vor sich ging.
Genauso kurios ist es, dass der vertraglose Mayo offenbar keine besseren Angebote bekam als das von Dallas über ein Jahressalär von 4 Millionen Dollar, obwohl seine Fähigkeiten unbestritten sind. Mayo scort, gibt Assists, reboundet, klaut Bälle, trifft sehr ordentlich den Dreier und kann mit seinen 1,93 Metern auch als Point Guard auflaufen. Kurzum: Vom Potenzial her gehört der 24-Jährige ins All-Star-Team.
"Wir wollten jemanden, vor dem die Gegner zum Ende des Spiels Angst haben. Wir wollten jemanden, der aus dem Dribbling Würfe kreieren und dem man einfach den Ball geben kann. Jason Terry hat Erstaunliches für uns geleistet, aber wir wollten jemanden, der jünger ist, das gleiche erledigt und dazu noch ein bisschen mehr", sagt Cuban.
Als ideale Ergänzung zu Mayo könnte sich Dahntay Jones erweisen. Der 31-Jährige ist weniger begnadet, dafür weiß er hart zu verteidigen und den offenen Dreier zu versenken (2011/12: 42,9 Prozent für Indiana). Für die übrigen Minuten kommen Dominique Jones und Rodrigue Beaubois in Betracht. Der 23-jährige Jones bewährte sich in der Summer League als Go-to-Guy (20,3 Punkte, 5,0 Rebounds, 5,3 Assists in den letzten 5 Spielen) und versucht, endlich die D-League hinter sich zu lassen.
Der ein Jahr ältere Beaubois ist gesegnet mit Talent und Athletik, wobei ihm bislang die Toughness und der Biss fehlen, weswegen ihm Dallas nach drei Jahren mit wenigen Höhen und vielen Schwankunen eine letzte Chance einräumt. Eine Bedingung der Mavs an ihn in der Offseason war die Teilnahme an einem Box-Kurs, "um zu lernen, Schläge einzustecken und Schläge auszuteilen", sagt Cuban.
Die Botschaft des Besitzers an Beaubois: "Es ist einfach: Er wird eingesetzt, wenn er besser spielt als O.J. Mayo oder wenn er besser spielt als Darren Collison. Bei uns herrscht Darwinismus."
Point Guard
Die Rotation: Darren Collison, Delonte West, Jared Cunningham
Bereits vor vier Wochen formulierte Cuban eine Kritik an Jason Kidd, die ob der damals vorsichtigeren Wortwahl kaum beachtet wurde: "Man kann Kidd nicht ersetzen, doch wir dürfen nicht vergessen, dass wir viele Dinge nicht umsetzen konnten mit ihm. Jason konnte defensiv ein Spiel übernehmen und die Offensive lenken, aber er war nur ein Spot-up-Shooter. Jetzt haben wir Spieler, die vom Gegner verteidigt werden müssen."
Damit meint er insbesondere Darren Collison. Ihm fehlt zu Kidd die Größe (1,83 vs. 1,93 Meter) und vor allem die Court Vision, stattdessen ist Collison ein Vertreter der modernen Point-Guard-Generation: ultraschnell und furchtlos vor dem Drive zum Korb.
"So sieht der heutige Basketball aus. Das hat auch Dirk gesagt: Man braucht dynamische Spielmacher", sagt Coach Rick Carlisle. Cuban ergänzt: "Dirk wird sehr entlastet werden, weil in der Vergangenheit der Gegner die Point-Guard-Position nicht decken musste. Jetzt muss sich der Gegner um alle fünf Spieler kümmern, und das macht Dirks Leben sehr viel einfacher." Zumal Collison kein eindimensionaler Scorer ist, sondern den Mitspieler einsetzen will - auch wenn er nicht an Kidds Genialität heranreicht.
Collisons 4,8 Assists sind überschaubar, relativieren sich allerdings durch die gute Assist/Turnover-Ratio von 2,5. Zum Vergleich: Kidd hatte mit 2,9 Assists pro 1 Turnover einen besseren, Deron Williams mit 2,2 einen schlechteren Wert. Als Backups sind verschiedene Varianten denkbar mit den Combo-Guards Mayo, Beaubois und Jones - die wahrscheinlichste heißt Delonte West.
Nichts beherrscht er exzellent, zugleich gibt es kaum Schwachstellen in seinem Spiel. West zieht gelegentlich zum Korb, trifft gelegentlich den Dreier, verteilt gelegentlich einen überraschenden Assist und schaltet gelegentlich einen deutlich besseren Gegenspieler aus - womit er die gleiche Rolle einnimmt wie letztes Jahr als multifunktionaler Rollenspieler auf beiden Guard-Positionen.
Mit Spannung wird zu verfolgen sein, ob Jared Cunningham den Erwartungen gerecht wird. Anfangs soll sich der Rookie (Nummer-24-Pick) nach seiner Achillessehnenverletzung und dem Verpassen der Summer League einfinden. Im Laufe der Saison ist ihm zuzutrauen, im internen Ranking Beaubois und Dominic Jones zu überholen. Coach Carlisle, sonst kein Freund von überschwänglichen Vergleichen, sagt über den 21-Jährigen: "Es ist eine große Bürde für den Jungen, aber athletisch ähnelt er sehr Russell Westbrook. Wir brauchen schnelle Jungs wie ihn, um in der NBA zu bestehen. Wir freuen uns auf ihn."
Die Center-Position: So gefährlich wie nie
Die Forward-Positionen: Das Nowitzki-Marion-Carter-Virus
Das Fazit: Es wird knüppelhart
Das Fazit
Die bloße Aneinanderreihung der neuen Dallas-Attribute klingt verlockend: Die Mavs verloren zwar an Erfahrung, dafür sind sie offensivstärker, jünger, athletischer und in der Rotation noch variabler als ohnehin schon.
Abhängig vom Gegner kann Dallas eine Aufstellung wählen, die sich auf das Scoren (Kaman, Nowitzki, Carter, Mayo, Collison) oder Verteidigen (Kaman, Brand, Marion, Dahntay Jones, West) versteht. Die groß (Kaman, Nowitzki, Marion, Dahntay Jones, Mayo), klein (Brand, Nowitzki, Mayo, Beaubois, Collison), athletisch (Brand, Wright, Marion, Dominic Jones, Collison) oder spielstark (Kaman, Nowitzki, Carter, Mayo, West) ist.
Parallel bewahrte sich Dallas dank Ein-Jahres-Verträgen den finanziellen Spielraum, um nach einer weiteren Saison der Konsolidierung im Sommer 2013 wieder einen Versuch zu unternehmen, einen hochklassigen Free Agent zu überzeugen.
Nur: Ob es Dallas glückt, Dwight Howard, Chris Paul oder Andrew Bynum zu überzeugen, ist nach dem desaströsen Sommer 2012 fraglicher denn je. Bei einem Misslingen würden die Mavs erneut vor einem Neuaufbau stehen - und erneut ein Jahr von Nowitzki verschwendet haben.
Denn: Das Team mag besser sein als zuvor, doch der Rückstand auf die Topteams der Liga ist zu groß, als dass Nowitzki in seiner 15. NBA-Saison Hoffnungen auf einen weiten Playoff-Run hegen dürfte. Alleine im Westen ist die Dichte derart hoch, dass selbst die Postseason-Teilnahme keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Lakers (Howard, Kobe Bryant, Steve Nash, Pau Gasol) und die Thunder (Kevin Durant, Russell Westbrook, James Harden, Serge Ibaka) stehen ohnehin über allen, als ebenfalls stärker erweisen werden sich die Spurs (Tim Duncan, Tony Parker, Manu Ginobili) und die Clippers (Chris Paul, Blake Griffin, DeAndre Jordan).
Ähnlich gefährlich die Nuggets (Andre Iguodala, Danilo Gallinari, JaVale McGee, Ty Lawson), die Grizzlies (Zach Randolph, Marc Gasol, Rudy Gay) und die Timberwolves (Kevin Love, Andrei Kirilenko, Ricky Rubio). Das sind bereits sieben Konkurrenten mit größerer Star-Power - und es drücken von unten jene Teams nach, die nur unwesentlich schlechter besetzt sind als Dallas: Die Trail Blazers (LaMarcus Aldridge, Nicolas Batum), die Jazz (Al Jefferson, Paul Millsap), die Warriors (Stephen Curry, David Lee, Andrew Bogut) und die Rockets (Jeremy Lin, Kevin Martin).
Zur Erinnerung die mahnenden Worte vom Beginn: "Niemand sollte schockiert sein, wenn die Mavs die Playoffs nicht schaffen. Sie werden die gesamte Saison Probleme haben."
Die Center-Position: So gefährlich wie nie