"Ziemlich gut"? Nicht gut genug

Thorben Rybarczik
23. Januar 201614:22
David Blatt (r.) wurde von LeBron James mehrfach öffentlich hinterfragtgetty
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Auch wenn es sportlich meistens gut lief: Richtig gefunkt hat es zwischen den Cleveland Cavaliers und David Blatt nie. Das Verhältnis zu seinen Spielern galt als zerrüttet. Nun soll Tyronn Lue übernehmen. Was war der Grund für diese Entscheidung und warum wurde sie gerade jetzt getroffen? Und: Was für eine Rolle spielte eigentlich LeBron James? In der Nacht auf Sonntag steht für die Cavs direkt das erste Spiel unter Lue an (Cleveland vs. Chicago, 2.30 Uhr im LIVESTREAM).

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Warum wurde David Blatt gefeuert?

Es ist schwer, rein sportliche Gründe für die plötzliche Entlassung David Blatts zu benennen. Die Cavs führen die Eastern Conference souverän an - trotz langer Verletzungen von Kyrie Irving, Iman Shumpert und Timofey Mozgov. Zudem gewannen sie 11 ihrer letzten 13 Spiele, sodass es nicht gerade nach einer Wachablösung an der Spitze aussieht.

Nur: Die 11 Siege können für einen Contender getrost als Pflichtprogramm eingestuft werden, es waren kaum Hochkaräter dabei. Die beiden Niederlagen setzte es dagegen erst bei den Spurs und am vergangenen Montag dann zu Hause gegen die Warriors. Gerade die vernichtende 34-Punkte-Schlappe gegen den Champion machte deutlich, dass Cleveland weiter von der absoluten NBA-Spitze entfernt ist, als sich viele Verantwortliche erhofft hatten.

Diese Tatsache gab den Blatt-Kritikern, zu denen angeblich auch der eine oder andere Spieler gehörte, neues Futter. Ein immer wiederkehrender Vorwurf: Der Euroleague-Champion habe es nach wie vor nicht geschafft, sein taktisches Wissen auf die Spielweise der Association zu übertragen. Gerade Kevin Love schien in Blatts Offensiv-Konzept nie optimal eingesetzt zu werden.

Auch das Verhältnis zu seinen Spielern galt nicht als einwandfrei, sodass nun doch nach anderthalb erfolgreichen Saisons die Reißleine gezogen wurde. Denn was bringt ein taktisch versierter Head Coach, dessen "Schüler" sich nichts mehr von ihm beibringen lassen wollen, selbst wenn er über die sechstbeste Siegbilanz aller NBA-Coaches mit mindestens 100 Spielen verfügt (67,5 Prozent)?

Dieses Problem, gepaart mit der Ansicht, dass Blatt auch sportlich nicht zum letzten, großen Schritt in der Lage ist, hat die Verantwortlichen zu dieser Entscheidung bewogen. Denn die Zeit für einen Titel ist begrenzt, schließlich ist LeBron nicht mehr der Jüngste. Wenn Cleveland mit diesem Team Meister werden will, muss das relativ schnell gehen - und für dieses Ziel galt Blatt offensichtlich nicht mehr als der richtige Mann.

Seite 1: Warum wurde David Blatt gefeuert?

Seite 2: Was bringt Tyronn Lue als Nachfolger?

Seite 3: Warum der Wechsel zu diesem Zeitpunkt?

Seite 4: Welche Rolle spielte LeBron?

Seite 5: Ändern sich die Titelchancen der Cavaliers?

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Was bringt Tyronn Lue als Nachfolger?

Er bringt genau das mit, was seinem ehemaligen "Vorgesetzten" gefehlt hat: Eine NBA-Vergangenheit. Von 1998 bis 2009 schnürte der ehemalige Guard selbst die Schuhe in der Association und gewann währenddessen zweimal die Meisterschaft mit den Lakers. Insgesamt lief er für sieben Teams auf, hat also verschiedene Standorte, Spielweisen und Head Coaches studieren können.

Erste Erfahrungen an der Seitenlinie sammelte er bei den Celtics und Clippers als Assistant Coach unter Doc Rivers, ehe er 2014 den gleichen Job unter Blatt bei den Cavaliers antrat. Dort wurde er zuvor auch als Head Coach gehandelt, ehe die Entscheidung zu Gunsten Blatts fiel. Lue sollte diesem in erster Linie dabei helfen, sich schneller an die Regeln und Besonderheiten der NBA zu gewöhnen.

Er genießt einen exzellenten Ruf bei Verantwortlichen und Spielern. Rivers wollte ihn auf keinen Fall verlieren, sodass erst ein Rekord-Angebot (für einen Assistant Coach) Clevelands den Wechsel unter Dach und Fach brachte. Der Einfluss Rivers' hat ihn wohl am meisten geprägt, doch auch die Zusammenarbeit mit Tom Thibodeau, der auch einst Assistant Coach bei den Celtics war, hat vor allem defensiven Einfluss auf Lue gehabt.

Die erste Aufgabe wird es für den neuen Head Coach nun sein, die Gemüter zu beruhigen. Bei den Spielern dürfte das nicht allzu schwer sein - baten diese angeblich ohnehin lieber ihn als Blatt um Rat, wenn es Probleme gab. Nach Informationen von Adrian Wojnarowski (Yahoo! Sports) hatten LeBron und sein Camp schon länger dafür plädiert, Blatt durch Lue zu ersetzen.

Auf dem Parkett wird dieser versuchen müssen, das Spiel weniger von LeBron abhängig zu machen - das ist seinem Vorgänger häufig nicht gelungen. In engen Spielen schien es oft seine Devise gewesen zu sein, dass mehr Minuten für den King gleichbedeutend mit mehr Siegen sind. Das machte die Cavs-Offense ein ums andere Mal zu berechenbar, während gerade Love wie ein Fremdkörper wirkte.

Letzterer könnte ein Schlüsselfaktor für die zweite Saisonhälfte werden. Auch ein Trade ist schon lange nicht mehr undenkbar. Doch wahrscheinlicher ist es, dass Lue versucht, dem Power Forward zu einem Neustart zu verhelfen.

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Warum der Wechsel zu diesem Zeitpunkt?

Die Pleite gegen die Warriors ist noch recht frisch - und gab den Gesprächen von Dan Gilbert und Co. wohl den entscheidenden Anstoß. Trotz der aktuellen Tabellensituation wirkt die Entlassung dadurch etwas weniger willkürlich. Zumal die Cavs offenbar unzufrieden mit Blatts Aussage nach der Warriors-Pleite waren, sein Team wäre immer noch in einer "ziemlich guten" Position.

"'Ziemlich gut' ist nicht der Anspruch, den wir hier haben", stellte GM David Griffin in seiner Pressekonferenz am Freitag klar und nahm damit ziemlich direkt Stellung zu Blatts Ansicht. "Wir haben als Organisation eine klare Zielsetzung, und dadurch treffen sich solch Entscheidungen von alleine. Wir zahlen in dieser Saison mehr Gehälter als jedes andere Team, da überlasse ich nichts dem Zufall."

Zum anderen gibt der Wechsel zu diesem Zeitpunkt drei Wochen vor dem All-Star Weekend genug Zeit, sich an seine neue Rolle zu gewöhnen und eventuell das eine oder andere Experiment zu wagen. Denn: Mit 3,5 Spielen Vorsprung auf die Raptors ist der Top Seed vorerst sicher und die kommenden Gegner bis zur Pause erscheinen allesamt machbar (Ausnahme: das zweite Duell mit den Spurs).

Ohnehin scheint es im Osten nicht wirklich Teams zu geben, die Cleveland auf dem Weg in die Finals aufhalten könnten, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Mit einem Auge dürfte Lue also bereits auf die beiden Giganten im Westen schielen und austüfteln, wie man gegen diese in Zukunft vielleicht doch ein bisschen erfolgreicher auftreten könnte.

Während der achttägigen Pause hat der neue Chef dann Zeit, die Situation zusammen mit dem Team zu analysieren und gegebenenfalls bis zur Trade Deadline (18. Februar) noch personelle Änderungen zu vollziehen. Der Endspurt der regulären Saison folgt erst dann - es sind also noch genügend Spiele vorhanden, um sich einzugrooven.

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Welche Rolle spielte LeBron?

Glaubt man den Beteuerungen von Franchise und Spieler, dann wurde LeBron erst mit dem Rest des Teams über die Entscheidung informiert, ohne Einfluss auf diese genommen zu haben. "Ich habe mit keinem meiner Spieler darüber geredet. Die Entlassung war meine Entscheidung", erklärte beispielsweise Griffin. Das Gerücht, LeBron würde über das Schicksal der Franchise entscheiden, sei "nicht fair". Zumal LeBron während der Saison sogar noch gesagt hatte, Blatt gehöre "zu den besten Coaches in der NBA."

Doch eines ist sicher: Hätte der Auserwählte wirklich so klar hinter Blatt gestanden, wäre diese Entscheidung nicht gefallen. Das Verhältnis vom Head Coach zum Spieler soll von Anfang an nicht das Beste gewesen sein. Auf öffentliche Kritik verzichtete James zwar in den meisten Fällen, doch hin und wieder kam seine Unzufriedenheit zum Vorschein. So zum Beispiel in der zweiten Playoff-Runde gegen die Bulls in der letzten Saison.

Nach der Niederlage im ersten Spiel kritisierte er den Gameplan Blatts im Allgemeinen und die vorgegebene Pick-and-Roll-Verteidigung im Besonderen. Im vierten Spiel der gleichen Serie nahm Blatt eine Auszeit, obwohl ihm keine mehr zustand. Das hätte den Cavs beinahe den nächsten Sieg gekostet. Danach demütigte James seinen Coach, indem er den Medien mitteilte, dass er das letzte, entscheidende Play von Blatt im Huddle umgeworfen habe.

James forderte nie offen einen Trainerwechsel, das wäre auch nicht sein Stil - seine Beziehung mit Blatt kam eher einer passiv-aggressiven Rebellion gleich. Er duldete seinen Coach zwar, gab den anderen Spielern als Anführer aber auch nicht das Gefühl, als müsse man zwingend auf dessen Worte hören. Seit längerem ging er während des Spiels eher zu Lue, um mit diesem taktische Dinge zu besprechen.

Die Entscheidung pro Lue kommt also auch nicht von ungefähr. Dass James großen Respekt vor dem zweifachen NBA-Champion hat, ist kein Geheimnis - ebenso wenig wie die Tatsache, dass LeBron sehr gerne von einem ehemaligen Spieler gecoacht werden würde. Dieser Wunsch machte schon in Miami die Runde, wo Erik Spoelstra dieses Kriterium ebenfalls nicht erfüllte. Laut Wojnarowski wollte James in Cleveland aus ebendiesem Grund eigentlich Mark Jackson als Head Coach installieren.

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Ändern sich die Titelchancen der Cavaliers?

Cleveland bleibt weiterhin der Topfavorit im Osten. Der Weg in die Finals führt nach wie vor über Ohio. Das war mit Blatt schon so und das wird auch mit Lue so sein. Allerdings kann kein Head Coach der Welt etwas daran ändern, dass der Kader in der Breite vermutlich nicht so stark wie der aus Golden State oder San Antonio ist beziehungsweise so gut zusammenpasst wie die Kader der Konkurrenten - LeBron hin oder her.

Um die Lücke zu den beiden Über-Teams aus der anderen Himmelsrichtung zu schließen, müssen daher die vorhandenen Stars noch besser genutzt werden. Das gilt vor allem für Kevin Love. Gerade für ihn könnte der Machtwechsel an der Seitenlinie eine neue Chance bedeuten - wenn er denn bleibt.

Aber: Wenngleich offensiv bei Love zweifellos Steigerungspotenzial besteht, ein Klasse-Verteidiger wird er in diesem Leben wohl nicht mehr - das offenbarten die Warriors mit ihrem Small-Ball-Lineup kürzlich erst wieder, als sie den Forward pausenlos attackierten und seine Defizite entblößten. Findet Lue dafür eine Lösung beziehungsweise gibt es überhaupt eine?

Für die Spieler gilt zudem, dass sie nun keine Ausrede mehr haben, wie zum Beispiel nach der viel besagten Warrios-Pleite, als LeBron analysierte: "Der Gameplan ist nun mal der Gameplan." Sollte es auch mit Lue nicht besser werden, bleibt der Misserfolg automatisch an den Spielern haften. Das wissen diese auch, und dadurch haben sie einen Grund mehr, mit einer Extra-Portion Motivation die zweite Saisonhälfte anzugehen.

Eine relevante Erhöhung der Titelchance lässt sich aber nur über Optimierungen des Kaders herbeiführen oder durch eventuelle Verletzungen der Warriors oder Spurs. Einen gewissen Spielraum haben die Cavs dank einer Trade Exception über 12 Millionen Dollar immerhin zur Hand, dennoch hat sich am Status der Cavs durch das bloße Austauschen des Head Coaches zunächst nichts geändert. Vorerst bleibt lediglich ein fader Beigeschmack.

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