"Es muss nicht immer die Formel 1 sein"

Dominik Geißler
03. Mai 201715:14
Marco Wittmann ist zweifacher DTM-Championimago
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Marco Wittmann ist der amtierende Meister der DTM. Im Interview spricht der BMW-Pilot vor dem Saisonstart über Kritik an seinem zweiten Titel, die anstehenden Regeländerungen und Nachteile der Formel 1. Außerdem berichtet er über das Zittern mit einer gebrochenen Hand und die Zusammenarbeit mit Willi Weber, dem ehemaligen Manager von Michael Schumacher.

SPOX: Herr Wittmann, Sie haben 2016 Ihren zweiten Titel in der DTM gewonnen. Damit sind Sie der jüngste Doppel-Champion aller Zeiten. Wie fühlt sich dieser Erfolg rund ein halbes Jahr später an?

Marco Wittmann: Noch immer großartig. Jüngster Doppel-Champion zu sein, ist natürlich etwas, was sich gut liest. Viel wichtiger für mich ist aber zu wissen, dass der Erfolg von 2014 keine Eintagsfliege war.

SPOX: Es war ein denkbar spannender Titelkampf, den Sie erst im letzten Rennen gegen Edoardo Mortara für sich entschieden. Der Audi-Pilot fuhr mehr Siege ein, Sie schienen den Vorsprung in der WM nur verwalten zu wollen. Darüber hinaus bevorteilte das Reglement BMW unter anderem mit einem Gewichtsvorteil. Viele sehen Sie daher nicht als "verdienten Champion". Wie gehen Sie damit um?

Wittmann: Ich glaube, Kritiker wird es immer geben. Für mich ist es ein verdienter Titel, weil wir über die Saison hinweg konstanter waren und weniger Fehler gemacht haben - und das, obwohl wir im Vergleich zu Audi nicht das beste Paket hatten. Es hilft dir nichts, hitzköpfig zu werden und zu viel Risiko zu gehen. In der DTM musst du über 18 Rennen deine Punkte sammeln. Wer dann am Ende oben steht, tut das auch zu Recht.

SPOX: 2015 haben Sie als Meister die Startnummer "1" gewählt, konnten Ihren Titel aber nicht verteidigen. Nun bleibt auf Ihrem Auto die "11" stehen. Ein klassischer Fall von Aberglaube?

Wittmann: Die "1" war bisher tatsächlich keine Bringer-Nummer für mich. (lacht) Weder in meiner Kartzeit noch im Formelsport oder in der DTM hat sie mir Glück gebracht. Darüber hinaus hat sich meine "11" aber auch zu einer Logo- und Marketing-Kampagne entwickelt, mit Fanartikeln inklusive.

SPOX: Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es in diesem Jahr mit der Titelverteidigung klappt?

Wittmann: Natürlich ist das mein Ziel. Es wäre ja auch unsinnig zu sagen, dass man Zweiter werden will. (lacht) Aber ob ich mein Ziel erreiche? Das ist bei den vielen Neuerungen schwer zu sagen. Für uns alle ist die Ausgangslage komplett anders und niemand hat die Karten bisher auf den Tisch gelegt. Eine Prognose ist da nicht möglich, lassen wir uns also überraschen.

SPOX: Sie sprechen die Regeländerungen an. In dieser Saison gibt es weniger Teilnehmer, neue Reifen, ein neues DRS, mehr Motorleistung und weniger Abtrieb. Zudem wird das Samstagsrennen verlängert und ein Pflichtboxenstopp eingeführt, während das Boxenstoppfenster wegfällt. Heizdecken sind künftig verboten. Was erwarten Sie sich davon?

Wittmann: Sehr viel! Die Verantwortlichen haben die Wünsche der Fahrer berücksichtigt und damit den richtigen Schritt gewagt. Besonders der höhere Reifenverschleiß und die kalten Gummis nach den Boxenstopps werden eine richtige Challenge. Die Spannung wird dadurch erhöht und für die Zuschauer gibt es mehr Show und Action.

SPOX: Mit Gerhard Berger hat die DTM einen ehemaligen Rennfahrer und Teamchef als neuen Vorsitzenden der Dachorganisation ITR dazu gewonnen. Eine gute Entscheidung?

Wittmann: Ja, seine ersten Auftritte waren sehr positiv. Er hat viel Ahnung vom Motorsport und ist einer, der die Dinge auch immer aus Fahrersicht betrachtet. Er kann viel Gutes bewirken und der DTM eine gute Zukunft bringen. Klar ist aber auch, dass das ein langwieriger Prozess ist. Auch ein Berger kann das Rad nicht in zwei Wochen neu erfinden.

SPOX: Einer Ihrer Teamkollegen ist Timo Glock. Vor einem Jahr sagte er im SPOX-Interview, dass er sich einiges von Ihnen abschauen könne. Wie stolz ist man bei so einer Aussage von einem langjährigen Formel-1-Piloten?

Wittmann: Wenn ein so guter, erfahrener Rennfahrer wie Timo so etwas sagt, ehrt einen das natürlich. Ich habe zu ihm sowieso ein sehr gutes Verhältnis, weil er einfach ein sehr ehrlicher und offener Typ ist. Wir waren bereits in unserem ersten DTM-Jahr 2013 Teamkollegen und er war auch einer der ersten, die mir zu meinem Titelgewinn gratuliert haben. Das zeigt wirklich Größe. Auf der Strecke versuchen wir uns gegenseitig zu pushen und das Team damit nach vorne zu bringen.

SPOX: Obwohl in der Vergangenheit mit Paul Di Resta und Pascal Wehrlein DTM-Fahrer in die Formel 1 aufgestiegen sind, blieb die Gerüchteküche in Ihrem Fall - trotz erneuter Meisterschaft - relativ ruhig. Warum?

Wittmann: Vielleicht bin ich mittlerweile zu alt. (lacht) Nein, man muss sich einfach eingestehen, dass der Weg in die Formel 1 nur bedingt möglich ist. Natürlich hat es der eine oder andere geschafft, doch da waren entweder Connections vorhanden oder eine Menge Geld im Spiel. Ich habe diesen Geldkoffer nicht. Und um ehrlich zu sein, möchte ihn den auch gar nicht haben, denn in der Formel 1 sollten nur Topfahrer unterwegs sein und nicht die Kids mit der größten Kohle. Da bin ich lieber in der DTM, wo 18 Werksfahrer am Start sind - es muss nicht immer die Formel 1 sein.

SPOX: Die fahrerische Qualität ist in der DTM also höher als in der vermeintlichen Königsklasse?

Wittmann: Ja, man muss sich nur mal die ehemaligen Formel-1-Fahrer in der DTM anschauen. Die tun sich extrem schwer. Zudem traut sich fast niemand, von der Formel 1 zu uns zu kommen, weil die Challenge einfach so groß ist. Bei uns haben alle Fahrer Sieg- oder zumindest Podiumschancen. In der Formel 1 war es doch bis zuletzt so, dass im Grunde nur die Mercedes-Fahrer gewinnen konnten. Wenn die im Qualifying einen Fehler gemacht haben, wurden sie trotzdem noch Zweiter. In der DTM bist du dann schnell mal auf Platz 16. Das zeigt die Leistungsdichte.

SPOX: Blicken wir auf Ihre Anfänge zurück. Sie haben Ihre Karriere im Kartsport begonnen. 2004 standen Sie dann kurz vor dem Gewinn der Junioren-Meisterschaft und damit Ihrem ersten größeren Titel. Doch am Finalwochenende brachen Sie sich die Hand ...

Wittmann: Richtig, das war einer meiner unschöneren Momente. In einem der Vorläufe kollidierte ich mit einem Konkurrenten und überschlug mich. Ich versuchte dann, den zweiten Vorlauf zu fahren, doch die Schmerzen ließen das nicht zu. Ich musste also bei den Finalrennen zuschauen und hoffen, dass mein Verfolger nicht ausreichend punktet - eine ganz bittere Situation. Doch am Ende hatte ich Glück im Unglück: Mein Polster hielt bis zum Schluss und ich wurde Meister. Ein wirklicher Zittersieg!

SPOX: 2007 nahm Sie dann Willi Weber unter Vertrag, der sich vor allem als langjähriger Manager von Michael Schumacher einen Namen gemacht hat. Warum hielt die Zusammenarbeit nur ein Jahr?

Wittmann: Willi Weber wollte nach dem Erfolg mit Michael Schumacher einen Junioren-Pool aufbauen und nahm Nico Hülkenberg, Christian Vietoris und mich unter Vertrag. Die Zusammenarbeit hat mir den Sprung vom Kart- in den Formelsport ermöglicht, doch etwas wirklich Langfristiges war nicht möglich. Herr Weber hatte seine Glanzzeit mit Michael und wollte nochmal etwas auf die Beine stellen, am Ende hat ihm aber wohl die Motivation gefehlt. Nach einem Jahr waren Christian und ich raus aus seinem Programm, etwas später dann auch Nico.

SPOX: Obwohl Sie 2010 und 2011 Vizemeister in der Formel 3 wurden, blieb der Sprung in die GP2 oder eine andere höhere Serie aus. Ihnen fehlten schlicht die finanziellen Mittel. Wie sehr hadert man in so einer Situation mit seinem Schicksal?

Wittmann: Natürlich ist das manchmal frustrierend, wenn man das Potenzial für mehr hat, es aber am Geld scheitert. Doch man muss da Realist sein. Und letztlich hat mir mein Weg geholfen, Erfahrungen zu sammeln und mich weiterzuentwickeln. Zudem ging es für mich ja weiter, als BMW mich 2011 zu den DTM-Testfahrten einlud. Ich konnte mich beweisen, bekam ein festes Cockpit - der Rest ist Geschichte.

SPOX: Sie haben auf Ihren Social-Media-Kanälen kürzlich für eine Spendenaktion an den schwer verunglückten britischen Nachwuchsfahrer Billy Monger geworben, zudem ist Alessandro Zanardi ihr großes Vorbild. Beide mussten sich nach schweren Unfällen die Beine amputieren lassen. Wie sehr fürchten Sie sich vor derartigen Schicksalsschlägen?

Wittmann: Solche Vorfälle zeigen, dass Motorsport immer noch gefährlich ist - egal, wie gut die Sicherheitsstandards auch sein mögen. Es kann immer was passieren und entsprechend sollte man den Respekt vor dem Risiko nie verlieren. Doch Angst darf man im Rennauto nicht haben. Sobald man sich fürchtet, ist man zu langsam.

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