Nach dem Boom der Weltmeisterschaft 2007 scheint die Bundesliga wieder im Mittelmaß zu versinken: Explodierende Gehälter und hohe Ablösesummen für internationale Stars, wenig Transparenz bei der Lizenzvergabe und rückläufige Zuschauerzahlen prägen die aktuelle Spielzeit. Wie passt es da ins Bild, dass Altmeister Frisch Auf Göppingen die Hohenstaufenhalle modernisiert und erweitert?
Nach einem über einjährigen Gastspiel in der Porsche Arena Stuttgart wollen die Schwaben mit der voraussichtlich im Juli 2009 fertig gestellten EWS-Arena zurück in den internationalen Wettbewerb. Mit gezielten Verstärkungen soll auch in der Liga das ein oder andere Topteam geärgert werden.
Auf den ersten Blick wirkt der Saisonverlauf von Frisch Auf Göppingen wie eine Berg- und Talfahrt. Nach starkem Beginn folgte zum Ende der Hinrunde eine Niederlagenserie.
"Wir haben bislang eine konstante Saison mit lediglich zwei Ausrutschern abgeliefert. Zu Hause gegen Berlin ging der Mannschaft im zweiten Durchgang der Sprit aus und in Minden haben wir die erste Halbzeit verschlafen", analysiert Geschäftsführer Gerd Hofele. Mit dem siebten Tabellenplatz ist man absolut im Soll.
Bier und Leberkäse
"Es ist für unsere Sponsoren und Fans wichtig, dass wir wieder an unsere Heimspielstätte zurückkehren", so Hofele weiter. "In Stuttgart wird man nach dem Schlusspfiff - fast wie bei einem Konzert - aus der Halle getrieben. In Göppingen verweilen die Zuschauer noch ein bis zwei Stunden, trinken ihr Bier und essen einen Leberkäswecken". Es gehe viel familiärer zu.
"Wir sind in der Porsche Arena als Gäste zwar willkommen, haben aber dennoch kein Heimspiel", geht Marketingchef Andreas Schweickert noch einen Schritt weiter. "Die Identifikation fehlt hüben wie drüben."
"Die EWS-Arena wird ein Tempel"
Die Vorfreude auf die modernisierte Hohenstaufenhalle ist bei den Verantwortlichen entsprechend groß. "Die EWS-Arena wird ein schmucker, kleiner Tempel", sagt Schweickert, der die Erweiterung und Modernisierung der Arena initiiert hat und neben dem Frisch-Auf-Sponsoring den Umbau begleitet. "Ich kenne keine zweite Halle mit soviel Charakter. Sie war schon vor der Modernisierung gefürchtet und geliebt", so Schweickert.
Zum Beispiel bleibe durch den Verzicht auf bequeme Sitzschalen die Atmosphäre des Hexenkessels, der "Hölle Süd", erhalten. 1700 zusätzliche Sitzplätze wird die neue EWS-Arena den Fans bieten. Die Erweiterung war dringend notwendig, platzte die alte Hohenstaufenhalle mit knapp 3000 Dauerkarteninhabern bereits aus allen Nähten.
Finanziell stärkeren Teams Paroli bieten
"Jetzt investieren wir in die Steine, dann über die Rückflüsse in die Beine", blickt Hofele trotz Wirtschaftskrise optimistisch in die Zukunft, denn seit zwölf Jahren erhöhe man den Etat und dieser fließe direkt in die Mannschaft. Bereits unter Dach und Fach sind die Verpflichtungen der beiden Nationalspieler Lars Kaufmann (TBV Lemgo) und Michael Haaß (GWD Minden).
"Es freut uns, dass wir mit unserem Konzept die beiden gestandenen Bundesliga-Akteure von Frisch Auf überzeugen konnten. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Hofele.
Zum ersten Mal seit langem wechsle ein aktueller deutscher Nationalspieler zu Frisch Auf. Schrittweise soll die Mannschaft entwickelt werden - mit international erfahrenen Spielern, aber auch mit Talenten aus der Region. "Dies ist eine Doppelstrategie, mit der wir ab und an auch finanziell stärkeren Teams Paroli bieten können", so Hofele.
Auf den Spuren der Kempa-Buben
Über die Handball-Akademie Göppingen, die im Jahr 2002 ins Leben gerufen wurde, haben bereits Talente wie Tim Kneule und Kai Häfner den Sprung in den Bundesliga-Kader geschafft. Zur kommenden Saison wird Fabian Gutbrod mit einem Drei-Jahres-Vertrag endgültig in das Profi-Team integriert.
Aber auch Manuel Späth, ein Kind der Region, der die Akademie nicht durchlief, hat seine Chance genutzt und sich aus der Regionalliga bis in die Nationalmannschaft gespielt. "Mit den Kempa-Buben im Traditionsgepäck gehört es zum Aufgabenprofil von Frisch Auf Göppingen, neben dem Breitensport auch eine leistungsorientierte Jugendarbeit im Verein anzubieten", sagt Schweickert.
"Man kann auch mit 14 Ausländern und auf Ergebnis spielen, aber dann geht viel an an Markenwerten verloren. Man erwartet von Frisch Auf ein attraktives, modernes und intelligentes Handballspiel, am besten mit einigen Spielern aus der Region."
"Die Gemeinschaft ist der Zaubertrank"
"Es gibt Klubs, die ohne erkennbares Markenkonzept einkaufen, was der große Geldbeutel hergibt", erklärt Schweickert. "Ich glaube nicht, dass wir einem Spieler wie Uwe Gensheimer, der die große Chance hat, sich einen Stammplatz in der deutschen Nationalmannschaft zu erspielen, in der Bundesliga einen Weltklassespieler wie Gudjon Valur Sigurdsson vor die Nase gesetzt hätten."
Der kleine Seitenhieb auf die Einkaufspolitik der Rhein-Neckar-Löwen sei nicht falsch zu verstehen. Man erkennt die Arbeit des badischen Nachbarn neidlos an und sucht erst gar nicht den Vergleich: "Ich sehe uns eher als gallisches Dorf - die Gemeinschaft ist der Zaubertrank."
"Es ist geil für den THW zu spielen"
"In der Vergangenheit kamen die Spieler nicht nur wegen des Geldes, sondern Frisch Auf genoss den Ruf, ein Verein mit gesundem Ehrgeiz, aber auch mit familiärem Umfeld und Herz zu sein. Es ging um Kameradschaft, man fühlte sich bei den Grün-Weißen einfach wohl. Warum wollen denn die meisten Handballer nach Kiel? Ich glaube nicht, dass die Zebras mehr bezahlen als die Rhein-Neckar Löwen, aber sie haben über Jahrzehnte eine besondere Anziehungskraft entwickelt", sagt Schweickert. "Es ist geil für den THW zu spielen."
Bessere finanzielle Möglichkeiten erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, aber "es hängt nicht alles vom Geld ab", bestätigt auch Hofele. "Die vier bis fünf Topklubs sind im Normalfall nicht erreichbar, aber Nordhorn, Magdeburg und Gummersbach sind Teams, die wir mit unserer neuen Halle im Rücken überflügeln können."
Mittelfristig will sich Frisch Auf in der Liga unter den ersten Sechs etablieren und wieder im internationalen Wettbewerb mitspielen. "Das wäre ein großer Erfolg und für die Göppinger Fangemeinde ein riesiges Ereignis."
Spielplan der Handball-Bundesliga
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