Ausgerechnet im ersten Bundesliga-Montagsspiel seit 16 Jahren kommt es zum ultimativen Abstiegskracher: Der Vorletzte SV Werder Bremen trifft auf den Tabellenfünfzehnten VfB Stuttgart (20.15 Uhr im LIVETICKER). Eine Pleite können sich beide Teams nicht leisten. Denn der Verlierer der Partie muss sich ernsthaft mit der 2. Liga auseinandersetzen.
Der Montagabend ist in den Ohren zahlreicher Fußball-Fans seit Jahren ein Inbegriff für unterklassigen Fußball. Die Bundesliga spielt schließlich am Wochenende. Doch aufgrund der hohen polizeilichen Auslastung am 1. Mai riecht es nun ausgerechnet auch im ersten montäglichen Bundesliga-Duell seit 16 Jahren stark nach 2. Liga. Im Abstiegskrimi trifft der Vorletzte Werder Bremen auf den 15. VfB Stuttgart. Lediglich zwei Punkte trennen die beiden Mannschaften derzeit.
Während dem Sieger der Partie ein Big Point gelingt, muss sich der Verlierer ernsthaft mit der 2. Liga beschäftigen. Für wen wird das Spiel eine Generalprobe für weitere Montagsspiele im Unterhaus und wer wird zumindest in der nächsten Saison Spiele weiterhin am Wochenende austragen? SPOX beleuchtet die beiden Mannschaften vor dem Abstiegskracher und stellt die wichtigsten Punkte gegenüber.
Aktuelle Form: Es scheint, als habe sich der VfB Stuttgart in der Rückrunde von der starken Serie zwischen dem 17. und dem 21. Spieltag (fünf Siege in Folge) blenden lassen. Nach zahlreichen Spielzeiten, in denen man teilweise bis zum letzten Spieltag in akuter Abstiegsnot schwebte, schien es, als hätten die Schwaben in dieser Saison nichts mit den unteren Plätzen zu tun.
Durch die starken Auftritte hatte man sich ein angenehmes Polster auf die Abstiegsplätze erarbeitet. Dieses ist inzwischen allerdings komplett aufgebraucht. Denn seit dem Ende der Serie ging es rapide bergab. Aus den letzten zehn Spielen gab es für die Schwaben lediglich einen Sieg und insgesamt sechs Pleiten.
Keine andere Mannschaft holte in diesem Zeitraum weniger Punkte und kassierte so viele Gegentore (22). Die Formkurve der Schwaben zeigt steil nach unten. Um diesem Trend entgegenzuwirken, flog das Team kurzerhand ins Trainingslager nach Mallorca. Dort sollten vor dem Kracher nochmals Kräfte gebündelt werden.
Bremen steht seit Beginn der Saison tief im Abstiegskeller und lag nach dem 6. Spieltag nie höher als Platz 13. Seitdem tänzelt die Skripnik-Elf an der Kante zu den Abstiegsplätzen. Mit derzeit lediglich 31 Punkten spielen die Werderaner die schwächste Saison ihrer Vereinsgeschichte. Ähnlich wie beim VfB hat die Formkurve eine klare Richtung.
Aus den letzten sechs Spielen in der Liga gab es bei einem Sieg und einem Remis lediglich vier Punkte. Besonders brisant für den SVW: Im Direktvergleich der Plätze 11 bis 18 haben die Bremer lediglich zwölf Zähler geholt. Nur Hannover ist in dieser Statistik mit zehn Punkten noch schlechter. Auch der SVW warf deshalb die Routine von Bord und reiste kurzerhand ins Trainingslager. Die Werderaner bezogen etwas außerhalb von Bremen ein Hotel und trainierten unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Teams: Der VfB Stuttgart trauert derzeit noch immer den Ausfällen von Serey Die und Daniel Ginczek hinterher. Speziell Die war vor seinem Sehnenriss der zentrale Stabilisator im Stuttgarter Spiel und unverzichtbar im Spielaufbau. Doch auch in der defensiven Viererkette gibt's zahlreiche Fragezeichen. Allein in den letzten beiden Partien der Schwaben durften sich mit Sunjic, Niedermeier, Barba und Schwaab vier Innenverteidiger in der Abwehrzentrale ausprobieren. Kontinuität? Fehlanzeige.
Etwas Hoffnung im Saisonendspurt macht die Rückkehr von Kevin Großkreutz. Der Ex-Dortmunder stieg nach seinem Muskelbündelriss früher als erwartet ins Teamtraining ein und könnte in den letzten beiden Spielen gegen Mainz und Wolfsburg wieder an Bord sein. Das Spiel gegen Bremen kommt allerdings noch zu früh. Die aufkeimende Torwart-Diskussion erstickte VfB-Coach Kramny im Keim und stärkte Stammkeeper Tyton den Rücken.
Im Gegensatz zum VfB steht das Grundgerüst bei Werder. Djilobodji kehrt nach seiner Sperre ins Team zurück und bildet im Verbund mit Vestergaard die alt bewährte Abwehrzentrale. Dennoch ist die Defensive alles andere als stabil. Bremen blieb in dieser Saison noch nie ohne Gegentor. In der Offensive hängt zudem Junuzovic seiner Form weit hinterher. Während in der letzten Saison seine Standards noch als Waffe galten, kam in dieser Saison bislang wenig vom Österreicher.
In der Defensive nehmen sich beide Teams nicht viel. Doch speziell in der Offensive verfügen die Schwaben mit Didavi, Kostic und Harnik über immense Qualität. Bartels, Junuzovic und Yatabare sind selbst in Topform nicht auf vergleichbarem Niveau.
Die Schlüsselspieler: Wie bereits im dramatischen Saisonendspurt der vergangenen Saison wird der Erfolg der Schwaben in den verbleibenden Spielen stark von Daniel Didavi abhängen. Der Stuttgarter Topscorer ist die entscheidende Person im Angriffsspiel. Da Gentner und Rupp wieder genesen sind, kann Didavi auf der gewohnten Position im offensiven Mittelfeld spielen.
Experimente mit ihm auf der Sechs waren zuletzt gescheitert, da er längst nicht die Gefahr nach vorne ausstrahlte und das Spiel der Schwaben in der Offensive fast komplett zum Erliegen kam. Didavi erzielte mit elf Toren nahezu doppelt so viele wie der zweiterfolgreichste Torjäger der Schwaben (Werner mit sechs Toren). Hinzu kommen 5 Assists. Didavi ist somit an jedem dritten Tor direkt beteiligt.
Der Heilsbringer auf Werder-Seite hat ebenfalls einen Namen: Claudio Pizarro. Der Peruaner erlebt in Bremen gefühlt seinen 25. Frühling und ist die zentrale Figur im Kampf gegen den Abstieg. Während Pizarro in der Hinrunde selten traf, ist er zuletzt kaum zu bremsen.
In den zwölf Partien, in denen er seit dem 17. Spieltag auf dem Platz stand, war der Stürmer zwölf Mal erfolgreich und blieb dabei lediglich in drei Spielen ohne eigenes Tor. Zwar warf ihn zuletzt eine Bauchmuskelverletzung aus der Spur, sodass er zwei Spiele pausieren musste, doch aktuell seien sämtliche körperliche Probleme laut Coach Skripnik überwunden. Der Peruaner ist fit und könnte zum spielentscheidenden Akteur werden.
Das Umfeld: Die Rahmenbedingungen für den VfB könnten erheblich besser sein. Da das Spiel auf den fanunfreundlichen Montag gelegt wurde, gehen die treusten Anhänger auf die Barrikaden und boykottieren geschlossen die Partie. Die Auswärtsfahrt quer durch Deutschland werden deshalb lediglich rund 800 VfB-Fans antreten. Und das, obwohl das Kontingent der Stuttgarter eigentlich 4000 Karten umfasst. Auch die Tatsache, dass es sich um das wichtigste Spiel der Saison handelt, stimmte die VfB-Anhänger zuletzt nicht um.
Sportvorstand Dutt zeigte sich verständnisvoll: "So bitter es für uns ist, dass viele Fans nicht dabei sind, muss man Verständnis für ihre Entscheidung haben." Der Support vor Ort wird demnach kaum vorhanden sein. Doch die treusten Anhänger starteten am Sonntag einen Protestmarsch durch Stuttgart. Dieser endete am VfB-Trainingsgelände, wo 1200 Fans das Team lautstark verabschiedeten. "Es ist ganz, ganz wichtig für die Truppe, dass sie merkt, dass sie einen Rückhalt hat. Das kann nochmal ein richtiger Push sein", erklärte Kramny.
Doch auch die Werder-Fans sind ein absolutes Pfund im Abstiegskampf. Kaum eine Anhängerschaft steht im Keller derart geschlossen hinter der eigenen Mannschaft. Bereits gegen Wolfsburg versammelten sich unter dem Motto "Greenwhitewonderwall" unzählige Fans vor dem Stadion und jubelten dem Teambus vor dem Spiel zu.
Ein ähnlicher Support ist auch für das Spiel gegen Stuttgart geplant. Der initiierende Fanclub ruft fürs Montagsspiel zur Aktion "Mors hoch" ("Hintern hoch") auf. Alle Fans im Stadion sollen die Partie überwiegend stehend und lauthals singend verfolgen. Speziell nach der Derbypleite gegen den HSV wolle man somit ein klares Zeichen setzen.
Die Trainer: Den klassischen Feuerwehrmann a la Huub Stevens wird es in dieser Saison beim VfB Stuttgart nicht mehr geben. Noch vor der Winterpause setzten die Schwaben Alexander Zorniger vor die Türe, ein erneuter Trainerwechsel scheint trotz der angespannten Situation im Keller ausgeschlossen. Sowohl Präsident Bernd Wahler als auch Dutt stellten sich zuletzt geschlossen hinter den Trainer und stärkten ihm den Rücken. "Wir haben deutlich gemacht, dass für uns der Fokus jetzt nur auf Bremen geht. Auch da könnte ich ihnen jetzt noch mal deutlich wiederholen, dass wir hundertprozentiges Vertrauen in Jürgen haben", erklärte Dutt.
Geht es nach dem Sportvorstand, wird Kramny auch in der nächsten Saison "sicher Trainer des VfB Stuttgart sein". Im Fanlager der Schwaben ist Kramny dennoch angezählt und alles andere als unumstritten. Die Stimmen gegen den Trainer werden lauter. Durch den furiosen Start zu Beginn seiner Amtszeit hat Kramny einen gewissen Bonus. Doch dieser ist inzwischen aufgebraucht. Eine weitere Saison mit dem gebürtigen Stuttgarter können sich nur wenige vorstellen.
Eine durchaus ähnliche Entwicklung nahm sein Gegenüber Viktor Skripnik. Wie Kramny übernahm er das Team am Tabellenende und startete mit fünf Siegen in Folge eine furiose Serie. Am Ende der letzten Saison landete Bremen auf Rang zehn. Seitdem geht allerdings nur wenig zusammen. Sein Punkteschnitt fiel von 1,56 auf 1,0.
Der Stuhl des Coaches wackelte in der aktuellen Saison mehrmals erheblich. Nach der Pleite gegen Augsburg am 29. Spieltag soll der Trainer bereits vor der Entlassung gestanden sein. Lediglich die eigenen Spieler, die sich für Skripnik aussprachen, haben sein Aus offenbar verhindert. Das Vertrauen der Mannschaft scheint er demnach weiterhin zu haben. Bei den Fans wächst jedoch der Unmut.
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