Mit Aufsteiger Wacker Innsbruck führt Trainer Walter Kogler nach elf Spieltagen völlig überraschend die Bundesliga in Österreich vor den Schwergewichten Red Bull Salzburg oder Austria Wien an. Im SPOX-Interview spricht der Coach über sein Vorbild Joachim Löw, die Vorteile von jungen Spielern und den Fußball in Österreich.
SPOX: Herr Kogler, Sie sind bei Wacker eine Legende: Wie wird der Fußball in Innsbruck gelebt? Was bedeutet für Sie der FC Wacker?
Walter Kogler: Fußball hat hier in Tirol eine große Tradition. Man darf nicht vergessen, Wacker Innsbruck ist ja auch zehnfacher österreichischer Meister und einer der erfolgreichsten Vereine im Land und die Menschen hier in Tirol sind sehr begeisterungsfähig. Hier waren schon große Trainer wie Jogi Löw oder Ernst Happel erfolgreich. Von 1999 bis 2002 bin ich drei Mal Meister geworden, klar, dass ich eine besondere Beziehung zum Verein habe.
SPOX: Derzeit läuft es für Wacker richtig gut: Sie führen als Aufsteiger die Bundesliga-Tabelle an. Eine Momentaufnahme? Oder kann Wacker die aktuelle Leistung konstant bringen?
Kogler: Ich denke, der Blick auf die Tabelle zeigt, dass wir in den letzten zwei Jahren kontinuierlich eine gute Mannschaft entwickelt haben. Wir sind in der Lage, in der Bundesliga ganz vorne mitzuspielen. Die Herausforderung für uns - und das wird der nächste Schritt sein, an dem wir arbeiten - wird sein, unsere Leistungen auf hohem Niveau zu etablieren. Erfolg ist immer das Kind von regelmäßiger Arbeit.
SPOX: Mit Peter Schöttel bei Magna Wiener Neustadt, Franco Foda bei Sturm Graz oder auch Thomas Tuchel in Mainz scheinen die jungen Trainer auf dem Vormarsch zu sein. Womit erklären Sie sich das? Was macht die neue Trainergeneration aus?
Kogler: Jogi Löw ist für mich für die neue und moderne Trainergeneration eine Leitfigur. Mit ihm hat das in unseren Breiten so richtig begonnen. Von ihm habe ich schon als Spieler in Innsbruck viel lernen können. Seine hohe Lernbereitschaft, seine Offenheit gegenüber Neuem, sein absolut integrer Charakter und seine gut strukturiere Arbeit, das beeindruckt. Und die Menschlichkeit ist auch nie zu kurz gekommen.
SPOX: Besteht zu den jungen Trainerkollegen regelmäßiger Kontakt, auch grenzüberschreitend in andere Ligen?
Kogler: In Österreich findet ein ständiger Austausch statt, man trifft sich regelmäßig auf Trainerseminaren und Tagungen. Man versucht auch, zu internationalen Trainern Kontakt zu halten. Mit Löw bin ich z.B. regelmäßig in Kontakt. So versucht man sich ein Netzwerk aufzubauen.
SPOX: Wie ist der Kontakt mit Löw? Wie oft tauschen Sie sich mit ihm aus, worum geht es dabei?
Kogler: Hauptsächlich um allgemeine Entwicklungen im Fußball. Über Taktik, seine Arbeit, meine Möglichkeiten. Sich einfach abstimmen. Es ist immer sehr interessant, wenn man die Möglichkeit hat, mit Jogi zu sprechen.
SPOX: Löw hat Sie auch schon zur Nationalmannschaft eingeladen. Was haben Sie von dort mitgenommen?
Kogler: Das war 2007. Ich habe die Zeit damals genutzt, um mich weiterzubilden. Die Arbeit von Jogi hat mir gezeigt, dass der Job eines Trainers aus vielen Mosaiksteinchen besteht. Man muss Geduld haben und an der eigenen Linie und seinem Konzept festhalten. Außerdem ist es wichtig, loyal seinen Spielern und Teammitgliedern gegenüber zu sein und Realist zu bleiben.
SPOX: Neben Löw haben Sie auch unter Kurt Jara oder Otto Baric gespielt. Von wem haben Sie am meisten lernen können?
Kogler: Grundsätzlich lernt man von den guten, und da habe ich Gott sei Dank einige erlebt (lacht). Jara und Löw waren schon sehr interessant, in den neueren Entwicklung verfolge ich auch Jürgen Klopp in Dortmund oder Pep Guardiola bei Barcelona. Das sind die interessantesten Trainer.
SPOX: Vor der Saison gaben Sie als Ziel aus, "am Ende nicht zittern zu müssen." Mittelfristig wollten Sie ins internationale Geschäft. Wie lauten mittlerweile die Saisonziele?
Kogler: Wir wollen uns auf Dauer in der Spitzengruppe der Bundesliga etablieren. Die Betonung liegt dabei immer wieder auf der Dauer. Nicht kurzfristig, sondern längerfristig. Ich habe immer wieder betont, dass wir unser Saisonziel nicht an einer Platzierung festmachen. Wir wollen einen erfrischend offensiven Fußball spielen. Wir orientieren uns nicht so sehr an den Gegnern, sondern wollen immer das Spiel selbst gestalten, wollen immer aktiv sein und uns gegen jede Mannschaft die Möglichkeit erarbeiten, zu gewinnen. Wenn uns das gelingt, dann werden wir am Saisonende auch die Platzierung erringen, die uns zusteht.
SPOX: Wacker profitiert derzeit auch vom Durchhänger der großen Mannschaften wie Red Bull Salzburg oder Austria Wien. Womit erklären Sie sich deren Schwächephase? Gibt es Parallelen zu den europäischen Topligen, in denen das Phänomen auch auftritt?
Kogler: In Österreich haben bis auf Sturm Graz eigentlich alle Meisterschaftsanwärter ihre Probleme. Salzburg mit der Integration neuer Spieler, Austria Wien mit Verletzungen, Rapid konnte die Abgänge noch nicht kompensieren. Trotzdem muss man festhalten, dass unsere eigene Leistung bisher sehr ordentlich war. Parallelen zu den Topligen zu ziehen, finde ich schwierig. Die WM-Belastungen sind in Österreich bis auf wenige Ausnahmen nicht so stark. Das sind eher individuelle Probleme bei den Vereinen.
Kogler über seine Barca-Hospitation und die Zukunft des österreichischen Fußballs
SPOX: Thema Konstanz: Seit 1996 gab es bei Wacker mit Stanislaw Tschertschessow bisher nur einen Trainer, der länger als ein Jahr im Amt war. Wussten Sie das, als Sie vor zwei Jahren unterschrieben haben?
Kogler: Ja, ich wusste, dass die Fluktuation in den letzten Jahren sehr groß war (lacht). Aber gerade mit meinem Engagement hat sich der Verein nach dem Abstieg in die zweite Liga neu definiert. Wir haben ein langfristiges Konzept erstellt und die Vorgabe, die ich bekommen habe, war, eine neue junge Mannschaft aufzubauen und den Aufstieg spätestens im dritten Jahr zu schaffen. Die Vorgabe haben wir erfüllt und sind, nachdem wir im ersten Jahr knapp gescheitert waren, im zweiten Jahr aufgestiegen. Jetzt wird man sehen, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln. Langfristig wollen wir in den nächsten Jahren konstant um die internationalen Plätze mitspielen können.
SPOX: Nach neun Spielen hat Wacker den zweitbesten Sturm und die beste Abwehr, ähnlich gestaltete sich das in der Aufstiegssaison. Offensives Feuerwerk oder defensive Stabilität, worauf legen Sie mehr Wert?
Kogler: Die richtige Ausgewogenheit muss hergestellt werden. Damit das immer besteht, gibt es bei uns ganz genaue Aufgabenverteilungen. Jeder Spieler weiß, wie er sich in der jeweiligen Situation zu verhalten hat. Und er weiß - und das ist genau so essentiell - wie sich seine Mitspieler verhalten. Dann kann man kompakt auftreten. Das gilt für die Defensive genauso wie für die Offensive. Der Fokus liegt auf der Ordnung, dass wir strukturiert auftreten, damit ein Rädchen ins andere greift.
SPOX: Inwieweit verfolgen sie die anderen Ligen? Zwischendurch waren Sie eineinhalb Jahre nicht als Trainer tätig und waren bei verschiedenen Vereinen, zum Beispiel Lazio Rom, als Trainingsbeobachter zu Gast. Was für Erkenntnisse haben Sie daraus ziehen können? Gibt es ein Modell, an dem Sie sich orientieren?
Kogler: Natürlich, man informiert sich genau über andere Ligen. Das fulminante Auftreten der Mainzer z.B., die die ganze Bundesliga bereichern. Besonders beeindruckt hat mich bei meinen Hospitationen der FC Barcelona, wo ich vor drei Jahren war, weil dort, von den Nachwuchsteams bis zur Profimannschaft, alle denselben Fußball spielen. Jeder weiß in seinem Bereich ganz genau, was er zu tun hat, das ist das Leitbild. Mit Spielern aus der eigenen Jugend attraktiven Fußball zu spielen, das Gros des Teams besteht aus eigenen ausgebildeten Spielern. Das ist sehr beeindruckend.
SPOX: Sie mussten aus finanziellen Gründen bei Wacker auf viele Nachwuchsspieler setzen. Haben Sie besondere Methoden, um mit jungen Spielern umzugehen?
Kogler: Grundsätzlich ist es mit den jungen Spielern relativ einfach. Wenn sie die notwendigen Grundvoraussetzungen mitbringen, hat man die Möglichkeit, Sie zu formen. In Innsbruck arbeiten wir viel im individuellen Bereich, technisch, taktisch, körperlich, mental. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Das macht Spaß und ist sehr reizvoll, denn die Spieler sind sehr wissbegierig und lernfähig.
SPOX: Sie sagten mal: "Wer sich heute nicht weiterbildet, der ist nicht konkurrenzfähig." In welchen Bereichen zählt das besonders?
Kogler: Das gilt für alle Bereiche. Im Fußball und generell im Berufsleben. Wenn man nicht bereit ist, sich weiterzubilden, sich auf den neusten Stand zu bringen und zu hinterfragen, dann ist man irgendwann überholt. Man kann in zwanzig Jahren nicht arbeiten wie heute. Man muss sich ständig weiterentwickeln und neu definieren.
SPOX: Die österreichische Liga sorgt international kaum für Aufsehen, Red Bull Salzburg beispielsweise ist trotz potenter Geldgeber erneut in der Champions-League-Qualifikation gescheitert. Was muss passieren, dass die Liga in Europa ein höheres Standing bekommt?
Kogler: Jeder Verband, jeder Verein und jeder Trainer sollte sich immer an den Besten orientieren. Wenn man sich mal Barcelona, Stuttgart oder Ajax anschaut: Die haben alle eine hervorragende Nachwuchsarbeit. Die Trainerausbildung in Deutschland ist auf einem sehr guten Weg, aber wir in Österreich haben auch sehr gute Ansätze. Wichtig ist dann, das auch international umsetzen.
SPOX: Wo steht derzeit die österreichische Nationalmannschaft? Mit Spielern wie David Alaba, Marko Arnautovic oder auch Martin Harnik ist ja eine starke Generation im Kommen.
Kogler: Momentan sind viele Spieler mit einer hoffnungsvollen Zukunft da. Sie haben die Möglichkeit, sich international zu etablieren und weiterzuentwickeln. Je besser sich die Spieler bei ihren Vereinen entwickeln, desto stärker wird die Nationalmannschaft davon profitieren. Das wird das Entscheidende in den nächsten Jahren sein. Ich sehe die Zukunft insgesamt hoffnungsvoll!
SPOX: Wie sehen Sie Österreichs Chancen in der EM-Qualifikation?
Kogler: Die EM-Quali ist schwer. Meiner Meinung ist es schwerer, sich für die EM zu qualifizieren, als für die Weltmeisterschaft. Deutschland, Belgien und die Türkei sind natürlich schwere Brocken. Aber wir sind gut gestartet und ich bin optimistisch, dass wir es auch schaffen können. Wir haben Möglichkeiten, uns noch zu steigern.
SPOX: Könnten sie sich vorstellen, eines Tages die Nationalmannschaft zu trainieren?
Kogler: Als Österreicher ist man natürlich immer interessiert daran, dass unser Team erfolgreich spielt. Didi Constantini ist ein sehr guter Trainer und ich drücke ihm natürlich auch die Daumen.
SPOX: Bei Ihnen steht schon länger die Vertragsverlängerung bei Wacker im Raum. Wann ist es so weit?
Kogler: Grundsätzlich freut es mich, dass meine Arbeit geschätzt wird. Ich fühle mich in Innsbruck auch sehr wohl. Entscheidend ist letztendlich, ob sich die sportlichen Perspektiven des Vereins mit meinen Vorstellungen, mittelfristig wieder vorne mitspielen zu können, decken. Mich macht es ja auch stolz, dass wir mittlerweile auch in Deutschland beachtet werden. (lacht)
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