Zwischen Voodoo-Tanz und Negativspirale

SPOX
12. November 201212:28
Daumen hoch: Mirko Slomka stellte seine Mannschaft in der Pause mit Erfolg umGetty
Werbung
Werbung

Der VfB Stuttgart und Hannover 96 ziehen unterschiedliche Lehren aus einem verrückten Fußballspiel. VfB-Coach Bruno Labbadia empfand die Niederlage als "brutal", bei Hannover 96 träumt man von der Champions League.

Wie nah die Gefühlswelten im Profifußball bisweilen beisammen liegen, konnte man am Sonntagabend in Bad Cannstatt wieder sehr anschaulich betrachten. Nur der Stuttgarter Mediendirektor Max Jung saß zwischen Bruno Labbadia und Mirko Slomka nach einem irrsinnigen Spiel auf dem Podium. Während das Dauergrinsen von Hannovers Trainer nicht mehr aus seinem Gesicht weichen wollte, starrte der Stuttgarter Fußballlehrer so betroffen auf das Blatt mit den statistischen Daten, als könnte er mit seinem grimmigen Blick das Resultat doch noch ins Gegenteil verkehren.

2:4 hatte Stuttgart verloren, nachdem seine Mannschaft zur Pause nach Toren von Christian Gentner (21.) und Vedad Ibisevic (37./Foulelfmeter) nicht nur mit 2:0 geführt, sondern nach einem starken Spiel mit tollen Kombinationen schon wie der sichere Sieger ausgesehen hatte.

"Das ist eine brutale Niederlage", sprach der 46 Jahre alte Labbadia langsam, als seine Augen das Blatt wieder verlassen hatten. "Schwer zu fassen" sei die Leistung nach der Pause, fügte er hinzu. Sein Gesicht war rot, seine Schultern hingen schlaff herab. Labbadia wirkte wie ein Krieger, der eine große Schlacht verloren hat. Dabei hatte er nur ein Spiel verloren.

Slomka, der Motivator

Aber eben ein denkwürdiges. Was sich in der Kabine der Gäste während der 15-minütigen Pause ereignete, davon berichtete Slomka auf der Pressekonferenz mit einem Lächeln. Ein Voodoo-Tanz oder Ähnliches ist nicht aufgeführt worden. Eingeschworen habe er aber seine Mannschaft. "Ich habe ihr gesagt, dass wir nie den Glauben verlieren dürfen", sagte der 45-Jährige: "Wir wussten nach unseren Erfahrungen in den vergangenen Wochen, dass eine Aktion genügen würde, um eine Aufholjagd starten zu können."

In Gladbach hatte seine Mannschaft 2:0 vorne gelegen, um am Ende noch mit 2:3 den Rasen zu verlassen. In Stuttgart verwandelten sie nun innerhalb von nur elf Minuten den Rückstand in eine 3:2-Führung. Artur Sobiech (57.), Jan Schlaudraff mit einem Handelfmeter (65.) und Mohammed Abdellaoue (68.) erzielten die Treffer, ehe erneut Abdellaoue mit einem weiteren Strafstoß sogar noch das 4:2 (73.) folgen ließ.

Kleine Maßnahme mit großer Wirkung

Slomka hatte eine simple Erklärung parat, warum seine Spieler eine wundersame Auferstehung feiern konnten. "Wir haben in der Pause im Mittelfeld auf eine Raute umgestellt", sagte Slomka. Mit Jan Schlaudraff als echtem Zehner. Deutlich offensiver sei dadurch seine Mannschaft gewesen. Dass diese kleine taktische Maßnahme so große Wirkung entfalten sollte, war natürlich nicht abzusehen. "Das hätten wir selbst nicht geglaubt", sagte der zweifache Torschütze Abdellaoue.

Der Stuttgarter Sportdirektor Fredi Bobic erinnerte seine Spieler daran, dass ein Fußballspiel "nicht nach 45 Minuten, sondern erst nach 90 Minuten vorbei ist". Dass bisweilen sogar nur elf Minuten reichen, um ein Spiel zu verlieren, weiß jetzt auch Christian Gentner. "Irgendwann bist du in der Negativspirale gefangen und kannst nichts mehr dagegen tun", sagte der ehemalige Nationalspieler. Gentner versuchte, die Niederlage mit Leichtsinn zu erklären. "Wir hatten uns zu sicher gefühlt, aber das erste Gegentor hätte uns niemals so umwerfen dürfen."

Hannovers Träume von der Champions League

Ob die Stuttgarter nun einen Knacks davontragen, den sie länger nicht aus den Köpfen bekommen werden? Die Frage tauchte natürlich auf. Fünf Spiele hatte die VfB-Profis vor der Begegnung gegen Hannover nicht mehr verloren. Ist die gute Phase nun schon wieder vorbei?

Bobic glaubt nicht, dass sich daraus wie zu Saisonbeginn eine länger andauernde Malaise entwickeln könnte. "Wir treten mittlerweile deutlich gefestigter auf und haben jetzt eine Woche Zeit, gut zu trainieren", sagte der 41-Jährige: "Aber in der Bundesliga reichen eben schon ein paar Prozent weniger aus, um so ein Spiel noch aus der Hand zu geben."

Bewirb Dich mit Deinen drei Jungs um Plätze im Hasseröder Kader und gewinnt Tickets für ein Heimspiel von Hannover 96.

Und Hannover? Manch einer der mitgereisten Journalisten aus Niedersachsen träumt nach zwei Siegen nacheinander bereits von der Qualifikation zur Champions League. "Das geht mir dann doch zu schnell", entgegnete 96-Kapitän Steven Cherundolo. Er lächelte. Zwei Punkte beträgt der Rückstand von Hannover auf Dortmund, die auf Platz vier liegen. Alles ist also möglich. Besonders nach einem solch irren Fußballspiel.

Stuttgart - Hannover: Daten zum Spiel