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Lernen von den Star-Trainern um Wenger & Co.

Pascal JochemSPOX
26. Mai 201015:25
Arsene Wenger arbeitet seit mehr als dreizehn Jahren als Trainer von Arsenal LondonGetty
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Ob Magath, Slomka oder Rangnick. Arsene Wenger hatte fast die halbe Bundesliga zur Hospitanz. Das Trainerpraktikum liegt derzeit voll im Trend. Und der Arsenal-Coach zählt zu den beliebtesten Ausbildern, genau wie Jose Mourinho. Kein Wunder - es sind die großen Namen in der Branche, die für hochmodernen, erfolgreichen Fußball stehen. Aber was genau kann man von ihnen lernen, wie tief sind die Einblicke? Der Begriff Trainerpraktikum ist weit gefasst. SPOX wagt einen Blick hinter die Kulissen.

Pierre Littbarski ließ vor einigen Wochen aufhorchen. Nach seiner Entlassung als Trainer des FC Vaduz aus Liechtenstein gönnte er sich nicht wie gewöhnlich erstmal ein wenig Ruhe im Kreise der Familie. Ganz im Gegenteil. Der Weltmeister von 1990 hatte bereits eine neue Aufgabe auf dem Zettel. Eine Hospitanz beim deutschen Rekordmeister.

Für eine Woche war Litti an der Säbener Straße zu Gast. Trainingsbesuch bei Louis van Gaal, Plaudern mit Mehmet Scholl. Aber damit nicht genug.

Litti zu Mourinho?

Bereits in naher Zukunft will sich der gebürtige Berliner auch international weiterbilden. Bei dem Star-Trainer schlechthin. "Jose Mourinho hat zu mir gesagt: 'Wenn ich dir helfen kann, mache ich das.' Auf dieses Angebot werde ich zurückkommen", verriet Littbarski: "Da werde ich mir noch einiges abschauen können."

Littbarski ist bei weitem nicht der Einzige, der eine Hospitanz anstrebt. Das Trainerpraktikum ist derzeit angesagter denn je - und es hat Tradition. Von Mirko Slomka über Ralf Rangnick bis zu Felix Magath - jeder der 18 Bundesliga-Trainer hat bereits eine Hospitanz bei einem prominenten Kollegen hinter sich.

Im Rahmen der Ausbildung zum Fußball-Lehrer ist solch eine mehrwöchige Weiterbildung bei einem Bundesliga-Verein mit dem dazugehörigen Nachwuchsleistungszentrum seit langem Pflicht. Besonders begehrt sind allerdings Praktika bei den europäischen Top-Klubs, wo die vermeintlich weltbesten Trainer arbeiten.

Uwe Wolf, der in der vergangenen Saison als Coach von 1860 München an der Seitenlinie stand, hat eins ergattert. Ein königliches. Der 42-Jährige durfte für zwei Wochen bei Real Madrid reinschnuppern und Manuel Pellegrini über die Schulter schauen.

"Der Blick über den Tellerrand"

"Es ist unheimlich interessant zu sehen, wie andere Kollegen arbeiten. Auch als Trainer lernt man immer wieder dazu. Für mich ist das wichtig: So blicke ich über den Tellerrand hinaus", erzählt Wolf im Gespräch mit SPOX.

Für Wolf ist es der "Blick über den Tellerrand", andere Kandidaten wollen ihren Horizont erweitern und ihr persönliches Profil schärfen, um auf dem neuesten Stand zu sein.

Peter Neururer, der schon einige Praktikanten unter seinen Fittichen hatte, nennt es "einen anderen Stallgeruch riechen." Doch was steckt wirklich dahinter? Wie kommt man überhaupt an ein Praktikum und was darf der Lehrling eigentlich?

SPOX erörtert die wichtigsten Fragen in Sachen Trainer-Hospitanzen:

Wie kommt man an ein Praktikum? Kontakte sind alles

Was darf ein Praktikant? Aufmerksame Beobachter

Was bringt ein Praktikum? Philosophie und Menschenführung

Die Fußballwelt ist klein - Kontakte sind alles

Bewerbungsphase? Fehlanzeige! Entscheidend bei der Suche nach einem Trainerpraktikum ist vor allem eines: Vitamin B. "Die Fußballwelt ist klein. Es läuft alles über Kontakte - wie im normalen Geschäftsleben. Mit guten Beziehungen hat man bessere Karten", meint Uwe Wolf.

Sein Freund Hansi Flick, alter Weggefährte aus gemeinsamer Zeit in Hoffenheim, hat für Wolf den Kontakt zu den Königlichen hergestellt. Wolf hat sich daraufhin mit den Real-Verantwortlichen per E-Mail in Verbindung gesetzt und das ein oder andere Telefonat geführt. Anfang März stand er in Madrid auf dem Trainingsplatz.

Tagungen und Konferenzen bei der UEFA

Ähnlich lief es auch bei Pierre Littbarski. Die Hospitanz bei den Bayern hat Sportdirektor Christian Nerlinger für ihn arrangiert. Der Kontakt zu Star-Trainer Jose Mourinho kam bei einem Freundschaftsspiel Ende 2009 zustande, als Litti mit seinem Ex-Klub FC Vaduz Inter Mailand zu Gast hatte.

Der beste Weg, um Kontakte zu knüpfen ist jedoch das internationale Geschäft. Regelmäßig treffen sich die Trainer der Europa- und Champions-League-Teilnehmer auf Einladung der UEFA bei Tagungen und Konferenzen.

"Dort spricht man über die Entwicklung der Champions League und beim Mittag- oder Abendessen auch sehr viel untereinander. Da habe ich natürlich alle Kollegen kennengelernt", verriet Mirko Slomka in einem Interview mit der "Neuen Presse". Während seiner Zeit als Coach von Schalke 04 sammelte er so wichtige Kontakte, die sich später auszahlten.

Dauer: Eine Woche bis zu einem Monat

Zwischen seinem Aus auf Schalke und dem jetzigen Engagement in Hannover nutzte er die Möglichkeit, gleich bei mehreren Kollegen zu hospitieren. In Madrid schaute er Bernd Schuster über die Schulter, bei Arsenal Arsene Wenger. Zudem war er bei West Ham United und bei Werder Bremen im Trainingslager.

Die Dauer eines Praktikums kann dabei durchaus variieren. Üblich sind Praktika zwischen einer Woche und einem Monat. Während des Fußball-Lehrer-Lehrgangs des DFB sind sogar insgesamt neun Wochen für Praktika vorgesehen - neben der Hospitanz bei Bundesligaklubs steht auch der Besuch von Nachwuchsleistungszentren und Landesverbänden auf dem Programm.

Dass es selbst als gestandener Bundesliga-Trainer gar nicht so einfach ist, bei einem prominenten Trainerkollegen unterzukommen, musste Thomas Doll erfahren. Als Coach des Hamburger SV ist er mit seinem Wunsch nach einer Hospitanz bei Arsene Wenger abgeblitzt.

Wenger der Trainer-Guru

Der Coach des FC Arsenal wird sich vor Anfragen kaum retten können, gilt er doch als der Trainer-Guru schlechthin. Etliche junge Kollegen hatte er schon unter seinen Fittichen.

Aus Deutschland sollen neben Slomka auch Felix Magath, Ralf Rangnick, Michael Henke und selbst DFB-Sportdirektor Matthias Sammer bei ihm in London gewesen sein.

Warum Wenger? Der Franzose spricht deutsch, trainiert seit über einem Jahrzehnt einen europäischen Top-Klub und steht für den hochmodernen, technisch hochwertigen Tempo-Fußball, den viele Trainerkollegen selbst vermitteln wollen.

Voll im Trend: Der Blick über den Tellerrand

Was darf ein Praktikant? Aufmerksame Beobachter

Was bringt ein Praktikum? Philosophie und Menschenführung

Aufmerksame Beobachter mit Notizzettel

Ob Praktikanten beim Training nur zuschauen oder sich idealerweise aktiv beteiligen dürfen, hängt zwangsläufig vom jeweiligen Trainer und der Klubführung ab. Peter Neururer beispielsweise hat seine Praktikanten "immer in alles involviert und sie sofort als Kollegen betrachtet".

Bei großen Weltvereinen wie Arsenal und Real Madrid ist das noch mal eine andere Sache. Doch auch hier kommt es auf Kontakte an. Als Bernd Schuster noch die Königlichen trainierte, hatte er Landsmann Slomka zu Gast. "Bernd Schuster war extrem zugänglich. Den Samstagabend haben wir gemeinsam bei ihm Zuhause bei der Sportschau verbracht. Ein frisch gezapftes Bier, dazu Chips - ich habe mich wohlgefühlt", so Slomka.

"Einblicke, von denen andere träumen"

Auch Uwe Wolf hat während seiner Praktikumszeit erneut von einer alten Bekanntschaft profitiert. Zu seiner aktiven Zeit als Spieler in Mexiko traf Wolf, Spitzname El Lobo, mehrmals auf Emilio Butragueno, der heute bei Real "Direktor für Beziehungen" ist. "Wenn du solche Personen kennst, bekommst du Einblicke, von denen viele andere träumen", schwärmt Wolf.

Im Büro Butraguenos haben sie über alte Zeiten geplaudert, anschließend hat die Real-Legende ihm die Spielerkabinen im Estadio Bernabeu gezeigt. Selbst bei Reals Abschlusstraining vor der wichtigen Champions-League-Begegnung gegen Olympique Lyon, das normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, durfte Wolf dabei sein.

Mehr als die Zuschauerrolle war dabei allerdings nicht drin. Ein professioneller Trainerstab besteht heutzutage aus mehreren Spezialisten und Co-Trainern, die alle ihren Aufgaben nachgehen. Die Spieler aus den verschiedenen Mannschaftsteilen werden individuell geschult. Die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen, können Trainerpraktikanten wohl nur in kleineren Vereinen oder bei noch enger gesponnenen Kontakten wahrnehmen.

Auf der Bank sitzen ist Tabu

Bei den Königlichen gibt es einen abgesperrten Bereich am Seitenrand der Trainingsplätze für Familienangehörige und auch Praktikanten wie Uwe Wolf. Hier hat er täglich die Trainingsabläufe verfolgt und sich Notizen gemacht. "Da nimmt man natürlich das ganze Programm mit und steht von morgens bis abends auf dem Platz", erzählt Wolf.

Kontakte zu einzelnen Spielern kommen dennoch nur selten zustande. In der Cafeteria auf dem Trainingsgelände hat Wolf kurz ein paar Worte mit Linksverteidiger Marcelo wechseln können - ein bisschen Small Talk, mehr nicht. Dafür hat er auf dem Trainingsplatz gesehen, "wie man die Weltstars bei Laune hält. Das geht nur mit dem Ball. Der darf bei keiner Übung fehlen." Neben Cristiano Ronaldo und Co. hat sich der 42-Jährige auch die Trainingseinheiten der zweiten Mannschaft Real Madrid Castilla und der Junioren angesehen.

Bei den Spielen saß er auf der Tribüne - wie es sich für einen Praktikanten gehört. Bei Spielen und Mannschaftssitzungen sind Praktikanten definitiv außen vor, dies gilt als ungeschriebenes Gesetz in der Branche. Auf der Bank haben sie nichts zu suchen.

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Was bringt ein Praktikum? Philosophie und Menschenführung

Philosophie, Strukturen und Menschenführung

Jeder Trainerpraktikant setzt seine eigenen Schwerpunkte. Viele erhoffen sich einen Blick hinter die Kulissen des gesamten Vereins - von der Infrastruktur über die medizinische Abteilung bis zum Nachwuchskonzept. Als Vorzeigeklub schlechthin gilt der FC Barcelona. Trainer aus der ganzen Welt pilgern nach Katalonien, um mehr über Barcas berühmte Jugendakademie La Masia zu erfahren.

Auch Heiko Herrlich kam in den Genuss. Zehn Tage hat er in Barcelona hospitiert, damals noch unter Trainer Frank Rijkaard. "Ich habe das System Barcelona sehr genau beobachten können", verriet Herrlich im Interview mit SPOX: "Ich konnte bei allen Trainingsformen dabei sein und habe mich reichlich mit Jugendtrainern unterhalten."

Spanisch-Kenntnisse von Vorteil

So ein Austausch könne durchaus spannend und lehrreich sein, findet auch Uwe Wolf. Er selbst hat in Madrid mit dem Nachwuchskoordinator und dem Fitness- und Konditionstrainer Gespräche führen können. Profitiert hat El Lobo dabei von den noch immer guten Spanisch-Kenntnissen aus seiner Zeit in Mexiko.

Ein Praktikum bei einem europäischen Top-Klub ist aber vor allem reizvoll wegen des Namens auf der Trainerbank. Neben Arsene Wenger gehören Sir Alex Ferguson und Jose Mourinho zu den beliebtesten Anlaufstationen in der Branche. Die reine Trainingsarbeit spielt dabei zumeist eine untergeordnete Rolle.

"Der Fußball ist heutzutage gläsern, daher bestehen bei den Trainingsinhalten keine großen Unterschiede mehr. Klar, der eine legt mehr Wert auf den spielerischen, der andere auf den konditionellen Teil", erzählte Mike Büskens vor einiger Zeit im Gespräch mit SPOX. Der Coach der SpVgg Greuther Fürth hat bei Jupp Heynckes und bei Christoph Daum in Istanbul hospitiert. "Für mich war es wichtig zu sehen, wie diese erfahrenen und erfolgreichen Trainer mit ihrer Mannschaft umgehen."

Sich in Sachen Menschenführung und Motivationsfähigkeit bei erfolgreichen Trainerpersönlichkeiten etwas abzuschauen, ist für viele Praktikanten reizvoll. Ob Star-Trainer wie Mourinho oder Wenger allerdings tatsächlich so tiefe Einblicke gewähren, ist erneut eine Frage des Prinzips und der Kontakte.

"Wahnsinnige Außenwirkung"

Vor allem für vereinslose Trainer ist ein Praktikum dennoch eine geeignete Möglichkeit, die Zeit sinnvoll zu nutzen und sich womöglich wieder ins Gespräch zu bringen. Oder überhaupt erst im Geschäft Fuß zu fassen, wie Gino Lettieri vom SV Wehen Wiesbaden. "Heutzutage ist es schwer, ins Trainergeschäft einzusteigen, wenn man vorher nicht langjähriger Profi war. Ich musste mir meinen Zugang über Wege wie Hospitanzen erkämpfen", so Lettieri, der unter anderem bei Giovanni Trappatoni hospitiert hat, im Interview mit SPOX.

Praktika haben nun mal eine "wahnsinnige Außenwirkung", findet Peter Neururer. Große Einblicke gewänne man laut Neururer allerdings nicht unbedingt.

Ein Standpunkt, den auch Meistertrainer Felix Magath teilt: "Offenbar gehen alle zu Arsene Wenger und fühlen sich hinterher alle als kleine Wengers", erzählte er "Merkur-Online". "Ich gebe zu: Ich bin auch zu Wenger gegangen, auch beim FC Liverpool bin ich gewesen. Und als ich zurückgekommen bin und nachgedacht habe, was es gebracht hat: nichts."

Voll im Trend: Der Blick über den Tellerrand

Wie kommt man an ein Praktikum? Kontakte sind alles

Was darf ein Praktikant? Aufmerksame Beobachter

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