Ein bisschen wie bei Otto

Fatih Demireli
15. November 201216:49
Klaus Allofs (l. neben Stephan Grühsem) wurde am Donnerstag offiziell vorgestelltGetty
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Klaus Allofs hat Werder Bremen Richtung VfL Wolfsburg verlassen. Ein Abschied nach einer halben Ewigkeit als Spieler und Funktionär. Der Weggang erinnert an Otto Rehhagel, als dieser zum FC Bayern ging und eine große Lücke bei den Hanseaten hinterließ. Die Trennung kann für Werder eine Chance sein. Für Wolfsburg ist es sie ohnehin. Die wichtigsten Fragen und Antworten nach einem der spektakulärsten Funktionärswechsel der Bundesliga-Geschichte.

Was bedeutet der Wechsel für Werder Bremen?

Am Ende waren weit weniger Emotionen im Spiel, als man es nach so vielen Jahren Zusammengehörigkeit erwartet hätte. Drei Jahre war Klaus Allofs Werder-Profi, fast 13 Jahre Sportchef bei den Hanseaten. Bei der Verabschiedung am Mittwoch gab es keine übertriebenen Abschiedsreden, keine Umarmung, keine Bekundungen a la "Vielleicht komme ich mal wieder zurück".

Stattdessen sagte Allofs, dass die "Zeichen auf Veränderung" stehen. Dies gilt für Allofs, aber vor allem für Werder Bremen, das ein Vakuum zu füllen hat wie einst nach Otto Rehhagels Weggang nach 14-jähriger Herrschaft. Bis die Ideallösung Thomas Schaaf gefunden wurde, mussten vier Trainer gehen. Übrigens auch Felix Magath, den Allofs nun in Wolfsburg ersetzt.

Ganz so viele Versuche darf sich Bremen nicht leisten, zumal der neue Mann keine großen Sprünge machen darf. Zwei Jahre ohne Europa und ein Minus von 14 Millionen Euro in der Jahresbilanz hinterließ Allofs in Bremen. Fast jeden gestandenen Profi verlor Werder vor der Saison an die Konkurrenz. Allofs' Nachfolger muss den neuen Werder-Weg mitgehen.

"Wir schauen ganz sicher, ob der Kandidat über die nötige Erfahrung verfügt. Wir werden diskutieren, ob wir auf Werder-Stallgeruch wertlegen oder auf einen neuen Geist, auf Innovationen von außen setzen", sagt Aufsichtsratsvorsitzender Willi Lemke über das Anforderungsprofil, wobei sich eine "Zweier-Lösung" andeutet, d.h.: "Stallgeruch und Innovationen von außen" in einem.

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Viel deutet in der Tat daraufhin, dass es eine Werder-Lösung wird: Einer, der den Werder-Stallgeruch kennt, zumal das Gros der gehandelten Kandidaten frühere Bremer-Profis sind: Frank Baumann, der interimsmäßig nun eingesprungen ist, Rune Braseth, Marco Bode und Dietmar Beiersdorfer.

Dass Lemke sagt, man habe noch keinen anderen Kandidaten kontaktiert, sei mal so dahingestellt. Denn ähnlich klang Allofs auch, als erstmals die Wolfsburg-Gerüchte aufkamen. Wenige Tage später war er weg. Der neue Mann wird in große Fußstapfen treten, kommt aber auch mit neuen Ideen. Die Chance für Bremen.

Seite 2: Was bedeutet der Wechsel für den VfL Wolfsburg?

Was bedeutet der Wechsel für den VfL Wolfsburg?

"Der VfL Wolfsburg wird einen guten Mann kriegen. Ich traue Klaus Allofs zu, den Klub wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen." Karl-Heinz Rummenigges Worte in Gottes Ohr, dürfte man sich in Wolfsburg denken. Allofs' Auftrag ist im Groben recht klar: Die stark stagnierende Fußball GmbH soll wieder Erfolge aufweisen: sportliche wie wirtschaftliche. Aber kurzfristig wäre es ganz im Sinne von Martin Winterkorn, Javier Garcia Sanz oder Thomas Röttgermann, dass in Wolfsburg erst einmal wieder etwas Ruhe einkehrt.

"Er ist ein profilierter Manager, der uns nach vorn bringen wird", sagt Geschäftsführer Röttgermann. Gemangelt hat es an starken Persönlichkeiten zuletzt aber nie. Felix Magath, zwischendurch Armin Veh, Dieter Hoeneß und dann wieder Magath hießen die sportlichen Gesamtverantwortlichen in Wolfsburg in den letzten Jahren. Der Erfolg - mit Ausnahme der sensationellen Magath-Meisterschaft zu Beginn - hielt sich in Grenzen.

Dass es nach dem Fehlversuch mit Magaths Rückkehr keine One-Man-Lösung mehr geben wird, war schnell klar. Dass die Machtverhältnisse fortan aufgeteilt werden, ebenso. Aber: Der VfL hat mit Allofs erneut einen Funktionär geholt, der sehr viel Macht für sich beansprucht. Nicht in der Tragweite wie es bei Magath war, dennoch sehr nachhaltig. Nicht anders war das Zerwürfnis von Allofs mit Lemke zu erklären.

Aber Allofs ist eben auch ein Fachmann, der mit einer klaren Hand und vor allem guten Ideen wieder sportlichen Erfolg bewerkstelligen soll. Die erste gute Idee wird in der Trainerfrage benötigt. Dass Allofs in seiner gesamten Laufbahn noch nie einen Profi-Trainer verpflichten bzw. suchen musste, macht die Suche interessant. Ob Allofs überhaupt suchen muss, bleibt abzuwarten. "In Wolfsburg gibt es einen guten Trainer", sagte Allofs am Mittwoch auf die Nachfrage, ob denn Thomas Schaaf auch mitkomme. Es ist unwahrscheinlich, dass Lorenz-Günther Köstner bis zur Winterpause ersetzt wird. Wenn überhaupt.

"Ich will mir ein Bild verschaffen, habe da noch keine feste Meinung", sagte Allofs bei seiner Vorstellung am Donnerstag und meinte mit Blick auf Köstners Übernahme des Interims-Postens beim VfL: "Er hat das zum zweiten Mal gut gemacht. Das wird hier positiv gesehen. Wir werden sehen, wie das miteinander funktioniert - und dann handeln."

Allofs ist ein Mann der Kontinuität, daher ist es auch nicht abwegig, dass er Köstner langfristig vertraut. Der Wolfsburger Interimscoach ist bei Spielern, Medien und Fans geschätzt. Für Allofs wäre ein loyaler Partner, wie ihn Köstner verkörpert und wie es Schaaf in Bremen jahrelang war, eine wichtige Bezugsperson, um sich um andere Aufgaben kümmern zu können. SPOX

Denn da ist auch die Kaderplanung: Der VfL Wolfsburg hat mit 35 Profis den größten Kader der Bundesliga. Hinzu kommen fünf verliehene Spieler, die nach Saisonende zurückkommen. Allofs muss aufräumen, Abnehmer für perspektivlose Spieler wie Sotirios Kyriakos, Hrvoje Cale oder Marco Russ finden. Immerhin: Das potenzielle "Problemkind" Diego ist keines: Allofs und der Brasilianer pflegen ein gutes Verhältnis, sodass ein langfristiger Diego-Verbleib mehr als wahrscheinlich ist, auch wenn es wohl Interessenten gibt.

Wolfsburg erhofft sich mit Allofs Kontinuität - diese können die Verantwortlichen aber nur bekommen, wenn sie Vertrauen und Geduld aufbringen.

Seite 3: Was bedeutet der Wechsel für Klaus Allofs?

Was bedeutet der Wechsel für Klaus Allofs?

Zuallererst bedeutet er doppeltes Gehalt. Kolportiert werden drei Millionen Euro Gehalt für den Neu-Wolfsburger.

Fußballer sprechen vom "letzten großen Vertrag", wenn sie um die 30 sind und sich zwischen mehreren Angeboten entscheiden müssen. Allofs ist 56 und in bester Gesundheit und sicher noch ein paar Jahre im Geschäft - und dennoch waren große Sprünge in Bremen nicht mehr zu erwarten.

Dies gilt sowohl für die persönliche Situation, als auch für die Perspektive des Klubs. In Bremen musste Allofs seit Jahren einen schmalen Grat zwischen hohen Ansprüchen und eingeschränkten Möglichkeiten gehen.

Was besonders anfangs mit einem guten Gespür für junge Spieler, die Allofs später für teures Geld verkaufen konnte, gelang, glückte später immer seltener. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Als Bremen zu Saisonbeginn Tim Wiese, Claudio Pizarro, Marko Marin, Naldo und Markus Rosenberg ziehen lassen musste, bedeutete dies den größten Schnitt der Ära Allofs.

Es war auch der Beginn eines neuen Abschnitts, eines neuen Weges. Dass Allofs nicht mehr die Motivation aufbrachte, um mit ausschließlich jungen Leuten einen neuen Anlauf zu starten, ist nicht unverständlich.

In Wolfsburg kann er mit weitaus größeren Mitteln neue Ziele anpeilen. Vor allem kann er beweisen, dass er nicht nur Bremen kann, sondern fähig ist, auch anderswo erfolgreich arbeiten zu können.

Seite 4: Was bedeutet der Wechsel für Thomas Schaaf?

Was bedeutet der Wechsel für Thomas Schaaf?

Der Bremer Trainer, der 1999 noch vor Allofs bei den Werder-Profis anheuerte, sei "enttäuscht" (Willi Lemke) gewesen, als der Weggang von Allofs offiziell mitgeteilt wurde.

Dass Schaaf vorab nicht eingeweiht war, ist unvorstellbar. Dafür waren die beiden Werder-Macher zu vertraut. Zumal sich die Spekulationen, dass Schaaf Allofs nach Bremen folgen wird, schnell in der Gerüchteküche bequem gemacht haben.

Ob es tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten. Dass Lemke deutlich zum Ausdruck brachte, dass Schaaf in die Nachfolgesuche des Sportchefs eingebunden wird, zeigt zumindest, dass man bei Werder durchaus gewarnt ist. Schaaf verband sein eigenes Schicksal oft mit dem des Sportchefs. Auch als Aufsichtsrat und Allofs im Clinch lagen, schlug sich Schaaf deutlich auf die Seite seines Freundes.

Schaaf sollte - unabhängig der Nachbesetzung - etwas mehr Verantwortung bekommen, zumal er die Gegebenheiten in Bremen wie kein anderer kennt. Und dennoch: "Die Zeichen stehen auf Veränderung", begründete Allofs seinen Weggang aus der Hansestadt. Vielleicht gilt dies bald auch für Schaaf.

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