Social-Media-Phänomen besucht die SPOX-Redaktion: Internet-Kult-Fußballer Hans Sarpei erklärt, warum er Skandal-Twitterer Ryan Babel gut findet und warum Internet-Nerds zu verkrampft sind.
SPOX: Herr Sarpei, Sie sind im Internet derart beliebt, dass mit dem Buch "Das L steht für Gefahr" eigens eine Sammlung Ihrer beliebten Sprüche veröffentlicht wird. Derzeit bemüht sich das "ZDF" während der EM-Berichterstattung, sich dem Thema Social Media zu nähern. Was halten Sie von den unbeholfen wirkenden Versuchen?
Hans Sarpei: Wenn man noch nie mit Twitter Kontakt hatte, ist es anfangs schwierig, sich zurecht zu finden. Social Media ist nicht das Gleiche wie vor der Kamera zu stehen und nur zu reden. Man muss sich Gedanken machen und sich in das Thema reinfühlen, reinarbeiten.
SPOX: Fiel es Ihnen zu Beginn ebenfalls schwer?
Sarpei: Flüssig von der Hand ging es nicht. Häufig waren nicht so aussagekräftige Sachen dabei. Heute bin ich um Welten lockerer und kann mich in 140 Zeichen viel besser ausdrücken. Genauso wichtig ist es, dass ich mir jetzt schneller und umfassender einen Überblick verschaffen kann, wie die User zu einzelnen Tweets oder Facebook-Posts reagieren. Ohne Feedback hätte ich keine Orientierung, was gut und was schlecht ist.
SPOX: Wie kommen Ihre Internet-Aktivitäten bei den Profikollegen an? Beispielsweise gab es gegenüber Jerome Boateng und Tim Wiese Tweets, die zumindest neckisch verstanden werden können.
Sarpei: Sauer ist keiner, ich schreibe ohnehin nur über Dinge, die die Fans und das Fußball-Volk denken. Das wissen die Jungs schon richtig einzuschätzen, sie haben ja alle Humor.
SPOX: Das ist eine neue Erkenntnis: Fußball-Stars sind selbstironisch?
Sarpei: Natürlich. Fußballer sind genauso witzig wie jeder andere auch. Als Fußballer ist es nur gefährlicher, weil man aufpassen muss, wie witzig man ist und wie weit du gehst. Die Presse hält alles in der Schublade und holt es heraus, wenn es nicht so gut läuft. Deswegen lässt kaum jemand seine echte Persönlichkeit oder den Spaßfaktor raus, sondern ist stattdessen gehemmt.
SPOX: Warum sind Sie nicht gehemmt?
Sarpei: Ich glaube, es hat etwas mit meinem Alter zu tun. Man muss in seine Rolle hineinwachsen. Als ich jünger war, habe ich mich noch vorsichtiger verhalten, mittlerweile aber habe ich einiges auf der Welt gesehen und lasse es mir nicht mehr nehmen, über Themen zu schreiben, die ich witzig finde.
SPOX: Fehlt Ryan Babel, bekannt als wandelndes Twittergate, Ihre Reife?
Sarpei: Ich will explizit Ryan nicht davon abraten, zu twittern. Fans und Journalisten sagen zu Fußballern immer: "Sei doch mal so, wie du bist!" Und dann haut jemand wie Ryan Tweets raus und wird dafür kritisiert, warum er dies und das schreibt, ohne vorher zu grübeln. Das verstehe ich nicht. Ryan twittert sofort, was er denkt und fühlt. Über ein Spiel, über eine schwache Schiedsrichter-Leistung, über alles Mögliche. Manchmal ist es nicht zu seinem Vorteil, dennoch finde ich seine Art gut.
SPOX: Stellen Sie sich manchmal die Frage, etwas nicht zu twittern? Haben Sie schon Tweets kurz vor dem Senden gelöscht, aus Angst vor den Konsequenzen?
Sarpei: Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen überlege ich nicht wirklich, wie die Konsequenzen sein könnten. Im Grunde geschieht alles spontan. Dass muss auch so sein: Wenn es anders wäre und ich immer abwägen würde, würden die Fans sofort merken, dass es nicht authentisch ist.
SPOX: Auf SPOX ist es möglich, die Kommentare der User unter Artikeln zu lesen. Wie wichtig ist Ihnen das?
Sarpei: Auf die Kommentare unter Artikeln achte ich nicht so, einfach weil mir die Zeit dafür fehlt. Ich lese einen Artikel durch, achte auf den Schreibstil und natürlich die Aussage des Journalisten, damit hat es sich. Anders ist es bei Facebook und Twitter. Ich versuche, so viele Reaktionen auf meine Einträge wie möglich zu lesen, um Anregungen für neue Posts zu bekommen. Manchmal ist es unglaublich, wie kreativ User sein können.
SPOX: Genießen Sie die sozialen Medien, weil Sie nicht mehr auf die klassischen Medien angewiesen sind, um sich öffentlich zu äußern?
Sarpei: Definitiv. Mittlerweile werden die Verhältnisse sogar umgedreht, weil die Journalisten von sich aus auf meine Facebook- und Twitterseite gehen, um meine Meinung zu diesem und jenem zu lesen. Plötzlich ist man selbst der Aktive und nicht mehr der, der nur auf Fragen reagieren kann.
Teil II: Sarpei über Rauls Neugierde und seinen ungewöhnlicher Weg zum Profi
SPOX: Gibt es Reaktionen im Ausland auf den Sarpei-Kult? Vielleicht in Ihrem Geburtsland Ghana?
Sarpei: Im deutschsprachigen Ausland fängt es langsam an. In der Schweiz geht es ein bisschen los, in Österreich schreibe ich für ein Sportportal sogar eine eigene Kolumne. Aber weiter geht der Kult nicht, weil ich nun mal in Deutsch kommuniziere und nicht in Englisch. Ich bekam schon Anfragen, warum ich es nicht in Englisch versuchen würde, allerdings macht das keinen Sinn. Alleine schon wegen den ganzen Anspielungen auf die Chuck-Norris-Witze, die übersetzt keiner verstehen würde.
SPOX: Versteht ein Weltstar wie Ihr ehemaliger Mitspieler Raul die Aufregung um Hans Sarpei? Getty
Sarpei: Raul ist ein ganz Ruhiger und Zurückgezogener, er hat mit so etwas wie Twitter nichts am Hut. Nur über seine Kinder bekam er davon mit und fragte mich, was dahintersteckt. Offenbar erzählt man sich auf dem Schulhof Sarpei-Witze.
SPOX: Sie sind ein Internet-Phänomen, Ihr Job ist jedoch der des Fußball-Profis. Werden Sie mittlerweile anders wahrgenommen?
Sarpei: Die Aufmerksamkeit auf mich wurde größer und es gibt Vereine, die sich mit dem Namen schmücken möchten wie bei der Geschichte mit Viktoria Köln. Plötzlich hieß es, ich stünde kurz vor einem Wechsel, dabei war nichts dran. Davon abgesehen gibt es keinen Unterschied zu früher: Nur wegen Social Media bietet kein Klub einen Vertrag.
SPOX: Sie werden Ende Juni 35 Jahre alt und sind, nachdem die Zusammenarbeit mit Schalke ausgelaufen ist, jetzt vereinslos. Wie geht es weiter?
Sarpei: Derzeit ist alles offen. Nur eins ist klar: Ich trete nicht zurück.
SPOX: Fortuna Köln, wie Viktoria ein ehemaliger Verein von Ihnen, versuchte sich als erster demokratisch geführter Verein Deutschlands. Jedes zahlende Mitglied sollte über das Internet die Klubpolitik mitentscheiden dürfen. Wie haben Sie das misslungene Experiment verfolgt?
Sarpei: Ich fand, dass es eine ganz witzige Aktion ist. Wobei mir von vornherein klar war, dass es langfristig nur schwer umzusetzen sein wird. Vielleicht funktioniert solch ein Konzept bei einem kleinen Verein. Je ambitionierter man ist, desto schwieriger ist es, einer großen Anzahl von Menschen Verantwortung zu übergeben und erfolgreich zu arbeiten.
SPOX: Wenn schon eine Zukunft bei Viktoria oder Fortuna nicht denkbar ist: Ein SPOX-User aus Köln-Chorweiler lässt fragen, ob Sie nach dem Karriereende in Ihr Heimatviertel zurückziehen?
Sarpei: Nein, ich habe zu lange in Chorweiler gelebt und möchte nicht mehr zurückziehen - auch wenn meine Eltern noch dort wohnen und ich eine wunderschöne Zeit hatte. Es war nicht immer einfach, dennoch will ich nichts missen: Wir ausländischen Kinder aus allen möglichen Nationen bildeten eine bunte Gruppe und spielten jeden Tag zusammen im Freien. Herrlich!
SPOX: Ihre Karriere ist nicht nur wegen des Internets ungewöhnlich: Sie wurden erst mit 22 Jahren Fußball-Profi, Ihr erstes Bundesliga-Spiel bestritten Sie erst mit 25. Wie kam das?
Sarpei: Ich tickte schon immer etwas anders, weil ich die Schule nicht vernachlässigen und das Abitur machen wollte. Daher konnte ich mich nicht ausschließlich auf den Fußball konzentrieren und fiel durch das Raster. Ich wechselte häufiger von Verein zu Verein und irgendwann landete ich bei Fortuna Köln, wo ich es mit 22 zum Zweitliga-Spieler geschafft habe. Und dann ging es plötzlich ziemlich schnell und drei Jahre später fand ich mich in Wolfsburg in der Bundesliga wieder.
SPOX: Was wäre mit der richtigen Förderung möglich gewesen?
Sarpei: Klar stelle ich mir die gleiche Frage. Doch solche Gedanken verfliegen sehr schnell, wenn ich daran denke, wie glücklich sich alles gefügt hat. Zwar ziemlich spät, aber immerhin: zwei Weltmeisterschaften, Champions League, Europa League - ich kann nicht klagen. Und: Für meine Persönlichkeitsentwicklung war es vielleicht nicht schlecht, dass ich so viele Stationen und so viele Leute kennenlernen durfte. Sonst wäre ich nie so geworden, wie ich jetzt bin.
SPOX: Wie geht es weiter im Leben des Web-2.0-Stars Hans Sarpei? Schon im September 2011 sagte Blogger Jan-Nicolai Kolorz von web04.de, der den Kult um Sie mitinitiiert hatte: "Man muss davon ausgehen, dass die Sache um Hans nicht länger als ein, zwei Wochen dauern wird. Gerade der Internet-Hype ist ja so vergänglich. Jens Jeremies hat dem Hans schon ein bisschen den Rang abgelaufen."
Sarpei: Dieses Zitat zeigt exakt, wie es im Internet zugeht: Offenbar fragt sich jeder, wann der Hype beendet ist und was danach kommt. Ich hingegen habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie lange es anhält oder nicht, ob der Hype in sechs Monaten vorbei ist. Ich bin nur auf den Zug aufgesprungen und sagte mir: "Hier ist etwas Lustiges, ich bin dabei, ich mache mit euch Späßchen und bringe euch zum Lachen." Ich war immer im Jetzt. Das war's.
Der Chuck Norris der Bundesliga: Hans Sarpei im Steckbrief
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