Eberl oder die große Überraschung?

Benedikt Treuer
09. Februar 201717:02
Der FC Bayern sucht für den Sommer einen neuen Sportdirektorgetty
Werbung
Werbung

Das Kommunikationsdesaster beim FC Bayern rund um die Verkündung des Karriereendes von Philipp Lahm warf viele Fragen auf, beantwortete andere aber endgültig. So steht fest, dass Lahm ab Sommer keine Führungsrolle im Klub antreten wird. "Es wird aber ab dem 1. Juli einen Sportdirektor geben", versicherte Uli Hoeneß unterdessen. SPOX beleuchtet die Kandidaten.

Max Eberl

Aktuell: Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach

"Ich habe gar keine Namen im Kopf, weil wir bisher nur mit Philipp Lahm gesprochen haben", sagte Uli Hoeneß am Dienstagabend. Das wird so sicherlich nicht stimmen, Planspiele gibt es bei den Bayern schon seit geraumer Zeit. Zumal der Name Eberl schon seit längerem in den Medien kursiert. Gladbachs Sportdirektor rückt nach Lahms Bekanntgabe deutlich stärker in den Fokus.

Seit dem Ausscheiden Matthias Sammers als Sportvorstand im Sommer gilt Eberl als Top-Kandidat beim Rekordmeister. Häufig wurde er auf das Thema bereits angesprochen, jedoch blockte der 43-Jährige stets ab. Zuletzt sagte er: "Darum geht es im Moment nicht, das ist auch nicht meine Thematik. Ich habe Vertrag bis 2020 ohne Ausstiegsklausel. Ich fühle mich im Klub wohl und habe einen großen Stellenwert." Nach dem Weiterkommen der Borussia im DFB-Pokal am Dienstagabend äußerte sich Eberl nicht zu den erneut aufkommenden Spekulationen.

Eberls konsistente, gute Arbeit in Gladbach ist der ausschlaggebende Punkt bei der Bewertung seiner Eignung für den FC Bayern. Aus der Relegationsmannschaft von 2011 formte er in kurzer Zeit ein Team, das permanent um Europa mitspielt. Eberl ist außerdem für seine gute Arbeit im Nachwuchsbereich bekannt. Bevor er in Gladbach Sportdirektor wurde, war er als Nachwuchs-Koordinator tätig. Für Hoeneß, der - nicht nur aufgrund des gerade entstehenden Nachwuchsleistungszentrums - zukünftig wieder einen größeren Fokus auf die Jugend legen will, ein starkes Argument.

Ebenfalls hinzu kommt Eberls Verbundenheit mit dem Klub. Im niederbayrischen Bogen geboren, spielte Eberl von 1989 bis 1993 für den FCB-Nachwuchs und kam auch auf einen Bundesliga-Einsatz bei den Profis. Hoeneß ist ein bekennender Eberl-Fürsprecher. Kommen die Vereine auf einen Nenner, was meist der Fall ist, wenn Hoeneß ein Ziel hat, steht Eberls Wechsel nichts im Weg.

Erlebe die Bundesliga-Highlights auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

Im Gegensatz zu Philipp Lahm, dem offenbar 'nur' der Sportdirektor-Posten angeboten wurde, würde Eberl bei den Bayern womöglich als Sportvorstand einsteigen, wie Sammer zuvor. "Bei uns im Aufsichtsrat sitzen DAX-Vorstände. Für die kommt nicht infrage, dass jemand ohne Berufserfahrung im Vorstand anfängt. Auch Christian Nerlinger war Sportdirektor und nicht Vorstand", erklärte Hoeneß am Mittwoch, weshalb Lahm für diese Position noch nicht infrage kommt: "Bei Matthias Sammer war das anders. Er war vorher beim DFB." Eberl ist bei der Borussia.

Stefan Reuter

Aktuell: Geschäftsführer Sport beim FC Augsburg

Im Vergleich zu Eberl hat der 50-jährige Reuter beim FC Bayern den deutlich stärkeren Stallgeruch. Reuter kickte von 1988 bis 1991 bei den Bayern. Der Wechsel vom 1. FC Nürnberg zum FCB war damals der Startschuss seiner erfolgreichen Karriere: Champions-League-Sieger (1997 mit Dortmund), fünfmal deutscher Meister, Weltmeister (1990), Europameister (1996) - kaum ein anderer deutscher Fußballer gewann mehr Titel. Und nur die zählen beim FC Bayern.

Reuter hatte immer schon einen guten Draht zu Hoeneß und bei Dortmund zu Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier. Dort stieg er nach seiner aktiven Karriere im Jahr 2004 als Teammanager ein - der erste Schritt in die Funktionärsebene. Fuß fasste er letztlich aber ausgerechnet beim großen Bayern-Rivalen, dem TSV 1860 München.

Im Jahr 2006 wurde Reuter von den Löwen zum Sportlichen Leiter ernannt. Drei Jahre blieb er bei dort, seine Arbeit wurde zwiespältig bewertet: Unter Reuter spielte 1860 in der 2. Liga nicht besser, aber auch nicht schlechter als unmittelbar vor und nach ihm. Das Löwen-Umfeld gab sich damit nicht zufrieden, im Februar 2009 trennten sich die Wege. Was aus dieser Zeit bis heute bleibt, sind einige Erstliga-Profis, die sich unter Reuter entwickelten: Lars und Sven Bender, Julian Baumgartlinger und Fabian Johnson gehören dazu.

In den Jahren danach arbeitete Reuter unter anderem bei einer Sportmarketing-Agentur, ehe der FC Augsburg ihn Anfang 2013 als Geschäftsführer Sport engagierte. Zusammen mit Markus Weinzierl bescherte er dem FCA die erfolgreichsten Jahre der über 100-jährigen Vereinsgeschichte. Augsburg blieb nach dem Aufstieg erstklassig und erreichte sogar die Europa League.

Wie bei Eberl läuft auch Reuters Vertrag bis zum Sommer 2020. "Im Moment fühle ich mich unheimlich wohl in dieser Funktion hier beim FCA. Fußball ist aber so schnelllebig, man sollte da nicht so weit in die Ferne blicken", sagte er im Oktober der Augsburger Allgemeinen. Kurz darauf verriet er der Bild-Zeitung, dass er sich den Job als Sammer-Nachfolger beim FC Bayern zutraue.

Dieses Selbstvertrauen, gepaart mit seinem großen Netzwerk und einem guten Händchen für Spieler, bringt ihn auf die Liste der zu diskutierenden Namen an der Säbener Straße.

Thomas Linke

Aktuell: Sportdirektor beim FC Ingolstadt

Seit seinem Abschied von den Bayern-Profis im Jahr 2005, als Linke als Spieler noch einmal nach Salzburg wechselte, wird der 47-Jährige von der Öffentlichkeit weitaus weniger wahrgenommen. Zwischen 2007 und 2011 arbeitete er für Red Bull in Salzburg und Leipzig als Sportlicher Leiter, ehe er Ende 2011 Sportdirektor beim FC Ingolstadt wurde.

Beim FCI fliegt Linke unter dem Radar - durchaus beabsichtigt, wie er der Süddeutschen Zeitung erzählte: "Mein Weg war nie der, dass ich vor der Kamera stehen muss. Schon als Spieler nicht, da stand ich eher mal nach einer Niederlage zur Verfügung. Im Erfolgsfall habe ich die anderen vorgelassen. Ich bin keiner, der die Öffentlichkeit braucht oder genießt." Sollte er sich wesentlich extrovertierter zeigen als bisher, "würden die Leute doch sagen: Der Linke ist in der Midlife-Crisis!"

Ob das zum FC Bayern passt, kann man so oder so werten. Sicherlich standen dem Rekordmeister starke Persönlichkeiten, die ihre Ziele auch in der Öffentlichkeit mit Nachdruck verfolgten, immer gut zu Gesicht. Sammer ist das beste Beispiel. Durch die Hoeneß-Rückkehr im November ist der FCB in Sachen Alphatiere aber wieder stark aufgestellt. Vielleicht braucht es gar keinen Aggressive-Leader als Sportdirektor oder Sportvorstand. Linke könnte die sportlichen Geschicke in Ruhe im Hintergrund leiten.

Die Frage dabei ist, ob Linke sich den Job überhaupt zutraut. In Ingolstadt leistete er bisher überragende Arbeit. Als mittelprächtiges Zweitliga-Team holte er im Jahr 2013 Trainer Ralph Hasenhüttl ins Boot und stieg zwei Jahre später mit dem Verein in die Bundesliga auf. Seitdem kicken die Schanzer im Oberhaus.

Linke zeigte sich aber abgeschreckt vom Fall Christian Nerlinger, der als ehemaliger Profi des FC Bayern fast aus dem Nichts als Sportdirektor (2009-2012) einstieg und überschaubaren Erfolg hatte. "Ob er das noch mal so machen würde, das weiß ich nicht. Bayern München ist ein Weltverein, aber auch ein Haifischbecken. Ich glaube nicht, dass jeder Tag für Christian leicht war", sagte Linke: "Man sollte beim Einstieg zunächst einen Ort finden, an dem Fehler nicht so schwer wiegen." Das hat Linke in Ingolstadt.

Nach fünfeinhalb Jahren ist der nächste Schritt zumindest nicht unvorstellbar. Und aus dem Nichts käme er auch nicht.

Hansi Flick

Aktuell: vertragslos

Vor gut drei Wochen kam es zum großen Paukenschlag bei der Nationalmannschaft: Sportdirektor Hansi Flick verließ auf eigenen Wunsch den DFB. Der Vertrag des 51-Jährigen beim Weltmeister-Verband lief ursprünglich noch bis August 2019. Übergangsweise übernahm Horst Hrubesch die Nachfolge.

"Ich bin dem Präsidium dankbar für das Verständnis und Entgegenkommen. Hinter mir liegen zehn tolle Jahre beim DFB. Es war eine spannende, erfolgreiche, aber auch intensive Zeit", sagte Flick, der betonte: "Es gibt aktuell weder andere sportliche Ambitionen noch gibt oder gab es irgendwelche Probleme, der einzige Grund ist der persönliche Wunsch, mich in der nächsten Zeit mehr auf meine Familie konzentrieren zu können."

Bevor er ins DFB-Management aufrückte, hatte Flick acht Jahre lang als Co-Trainer von Joachim Löw gearbeitet. Er feierte mit dem DFB-Team den WM-Titel 2014, ehe er im Anschluss einen neuen Vertrag als Sportdirektor unterschrieb.

Ähnlich wie Linke agierte Flick meist im Schatten. Der DFB schätzte an ihm besonders seine fachliche Kompetenz und seine menschliche Qualität. Entsprechend ließ man ihn nur "schweren Herzens" gehen, wie Reinhard Grindel sagte.

Inwiefern der 51-Jährige bereit ist, nach nur einem halben Jahr Pause, die von ihm selbst gewünschte Freiheit wieder aufzugeben, weiß nur er selbst. Fakt ist aber: Die Aufgabe bei den Bayern ist eine deutlich reizvollere als die bei der Nationalmannschaft - gerade für Flick, der zwischen 1985 und 1990 selbst beim FCB spielte.

Zudem werden die familiären Gründe vermutlich nicht die einzigen gewesen sein, die Flick zum Ziehen der Reißleine bewegt haben: Er hatte immer wieder Ideen, wie man das Zusammenleben in der DFB-Familie verbessern könnte, drang damit aber offenbar nicht durch. Zudem gefiel ihm nicht, dass der DFB mit den Planungen für seine Akademie ins Stocken geriet. Die Aussicht, beim FC Bayern genau solche Abläufe verstärkt voranzutreiben, könnten den Job für ihn noch attraktiver machen.

Flick ist jemand, der Entscheidungen treffen will, ohne dafür ständig den Segen unzähliger Führungsstäbe abzufragen. Er wüsste, was ihn beim FCB erwartet.

Sonstige Kandidaten

Neben den bereits erwähnten Kandidaten könnten die Bayern aber auch mit Personalien überraschen, die aktuell nicht im Fokus stehen. Gut möglich, dass Hoeneß, der gerne eine "interne Lösung" findet, auch mit Oliver Kahn liebäugelt. Die Bayern-Legende hat seit dem Jahr 2011 einen Master-Abschluss in Business Administration vorzuweisen, wenngleich die praktische Erfahrung fehlt. Gemäß Hoeneß' Worten bezüglich der DAX-Vorstände des FC Bayern käme Kahn zumindest als Sportdirektor infrage.

Völlig außen vor waren in der Sportdirektor-Diskussion bisher auch die Namen Jörg Schmadtke und Alexander Rosen. Schmadtke leistete in Hannover und in Köln solide und nachhaltige Arbeit. Mit Peter Stöger bewies er ein sehr gutes Gespür, was die Trainerwahl betrifft. Auch den Kader verstärkte er immer wieder punktuell.

Rosen dagegen stabilisierte die TSG Hoffenheim als Direktor Profifußball wieder in der Bundesliga. Nach der Trennung von Markus Gisdol wagte er unter anderem die riskante Beförderung von Julian Nagelsmann, die sich zu einhundert Prozent auszahlte.

Hätte er den FSV Mainz 05 im vergangenen Sommer nicht gerade erst in Richtung Schalke verlassen, wäre auch Christian Heidel ein diskutabler Kandidat. Heidel avancierte durch seine beispiellose Arbeit bei den Nullfünfern zu einem der angesehensten Manager der Bundesliga. Wenngleich Hoeneß sicher nicht davor zurückschrecken würde, einen Manager auch nach nur einem Jahr aus seinem Vertrag zu holen, muss Heidel nach seinem Stotterstart auf Schalke erst einmal unter Beweis stellen, dass er auch einen größeren Klub führen kann.

Alles zum FC Bayern