Erkenntnisse des 10. Bundesliga-Spieltags: Dinner for One, Hansis Glück und der provokante Silas

Stefan Rommel
07. Dezember 202009:01
Silas Wamangituka hat in Bremen für reichlich Aufregung gesorgt.imago images/Sportfoto Rudel
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Die Bayern werden förmlich zu ihrem Glück gezwungen, während sich Borussia Dortmund in einer Art Dauerschleife befindet. Den Aufreger des Tages liefert aber Stuttgarts Silas Wamangituka. Die Erkenntnisse des 10. Bundesliga-Spieltags.

The same procedure as every year

Borussia Dortmund und seine Bemühungen in der Bundesliga der letzten Jahre sind wie eine Endlos-Schleife des Klassikers Dinner for One: Umständlich und vorhersehbar. Gefühlt wird der Kader der Borussia mit jeder Saison noch besser, auch die letzten Schwachstellen ausgebessert, die Spieler schneller, trickreicher, jünger - aber als Mannschaft kommt der BVB einfach nie so richtig voran. Das Remis in Frankfurt, gegen einen zugegeben sehr unangenehmen Gegner, mag in einem anderen Kontext als Teilerfolg durchgehen.

Nach einer Heimniederlage gegen den Tabellenvorletzten wäre ein Sieg bei einem Mittelfeld-Team aber durchaus angebracht gewesen. Aber dann spielt der BVB so eine erste Halbzeit: Ohne Mumm, ohne Tempo, ohne Ideen oder Zug zum Tor.

Ohne Erling Haaland und dessen Tiefenläufe sowie dem besten Fußballer im Kader, Raphael Guerreiro, erschien die Borussia wie Stangenware. Die beschworene Entwicklung der Mannschaft stagniert mal wieder, stattdessen gibt es das ewige Auf und Ab der letzten Jahre nun halt mal wieder gleich zum Beginn der Saison.

Von konstant hohen Leistungen über einen langen Zeitraum ist diese Mannschaft offenbar schon wieder so weit entfernt, dass man an die Deutsche Meisterschaft derzeit besser nicht zu viele Gedanken verschwenden sollte. In Worte fasste die ganze Malaise Trainer Lucien Favre, der übrigens trotz der hohen Belastung nur zwei seiner fünf Wechsel beanspruchte: "Ein Punkt ist sehr gut. Für mich ist ein Punkt immer okay." Zwei schwierige Sätze angesichts der Ansprüche beim BVB.

Wout Weghorst: Der will und der kann auch

Der VfL Wolfsburg hat an sich eine sehr stabile Mannschaft beisammen, der Trainer Oliver Glasner auch eine wirklich vernünftige Spielidee übergestülpt hat. Die Chancen auf eine Teilnahme am internationalen Geschäft in der kommenden Saison stehen mit dieser Truppe nicht so schlecht. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, als könnten die Wölfe im Kollektiv und so ziemlich jeder einzelne Spieler für sich immer noch deutlich mehr herausholen als bisher.

Diese Mannschaft spielt noch nicht am Limit, es gibt noch genug Potenzial, das es auszuschöpfen gilt. Wer allerdings schon wieder einmal auf Hochtouren läuft, ist Mittelstürmer Wout Weghorst. Der Niederländer ist mal wieder der emsigste Vertreter seiner Spezies, keiner sprintet und rackert so viel wie Weghorst, der seit ein paar Wochen in seinem Kerngeschäft auch wieder ganz gut ist: Gegen Köln traf der 28-Jährige im vierten Spiel in Folge und sitzt dem scheinbar unerreichbaren Duo Lewandowski-Haaland zusammen mit einigen anderen Spielern in der Torjägerliste im Nacken.

Um Weghorst gab es immer wieder Wechselgerüchte, der Spieler selbst macht auch gar keinen Hehl daraus, dass er nach Wolfsburg noch etwas anderes erleben will. Bis dahin kann sich sein Trainer aber über vollen Einsatz bis zum letzten Tag freuen.

Wie Hansi Flick zu seinem Glück gezwungen wurde

Die Bayern zeigten auch gegen Leipzig die gewohnten Probleme der letzten Wochen: Das unsaubere Gegenpressing ganz vorne und die schlechte Konterabsicherung dahinter. Eigentlich sollte Haudegen Javi Martinez Abhilfe schaffen, der Spanier war mit Leipzigs Tempo aber in einigen Situationen ganz schön überfordert.

Dann verletzte sich Martinez und Trainer Hansi Flick hatte eine ganz brauchbare Idee: Er ging das Risiko mit dem jungen Jamal Musiala im zentralen Mittelfeld ein. Der dafür eigens eingekaufte Marc Roca blieb stattdessen auf der Bank - während Musiala tatkräftig half, das Spiel zu drehen.

Natürlich ist da nicht alles pefekt und manchmal auch zu wagemutig und unsauber wie bei einigen Szenen in der zweiten Halbzeit. Aber Musialas Bewegungen, das ausgeprägte Gespür für den Raum und seine Mitspieler ist für einen Jugendlichen ganz außergewöhnlich.

Ein bisschen erinnert der 17-Jährige an Mesut Özil in seinen besten Zeiten: Der tänzelnde Gang, dieses kurze Verzögern, um den Gegenspieler ins Leere laufen zu lassen. Gedanklich immer schon einen Schritt weiter und dann auch noch technisch sehr fein.

Den Bayern ist ein überragender Griff gelungen vor etwas mehr als einem Jahr, als sie Musiala aus London geholt haben, so viel kan man wohl schon sagen. Jetzt müsste sich der Spieler nur noch dazu durchringen, für Deutschland zu spielen und nicht wie aktuell für die englische U 21...

Die Talking Points zum Bundesliga-Spieltagspox

Darf man das so machen oder nicht?

So, und jetzt die 1-Million-Euro-Frage: Darf man das so machen wie Silas Wamangituka gegen Werder Bremen? Oder ist das unsportlich? Oder am Ende halt sogar clever, weil das ja nichts anderes ist als Zeitschinden auf höchstem Niveau? Der Spaziergang zu Stuttgarts entscheidendem 2:0 erregt die Gemüter und schießt nur so durch die Sozialen Netzwerke. (Die Szene im Video!)

Regeltechnisch ist das nicht strafbar, Schiedsrichter Frank Willenborg schritt auch erst ein und verwarnte Silas, nachdem Davie Selke im Sprint über das halbe Feld gerannt war und den Stuttgarter attackierte. Eine Szene wie diese passiert jeden Tag tausendfach auf deutschen Bolzplätzen, da gehört ein bisschen Necken zum guten Ton. In der Bundesliga gibt es aber auch so etwas wie eine Vorbildfunktion und Silas wollte den Gegner in der Szene offenbar einfach nur veräppeln. Und das ist dann doch unsportlich und gehört - moralisch - bestraft.

Der Kongolese ist noch ein junger Spieler, der auf dem Feld gerne zockt und viel riskiert. Das gehört zu seinem Spiel. Die Aktion war aber einfach nicht zielführend, sondern nur sinnlos. Und sie lenkt von seiner an sich bärenstarken Aktion ab: In der Nachspielzeit nochmal so nachzugehen, den Gegner von der blinden Seite in vollem Tempo anzugreifen und dann den Ballgewinn plus das Tor zu erzwingen, war nämlich ziemlich überragend. Nur redet da jetzt halt niemand drüber.

Der heimliche Boss der leisen Schleicher

Bayer Leverkusens Saisonstart war schleppend und nach einer Serie von Unentschieden ist es in der Betrachtungsweise immer auch sehr wichtig, wie es danach weitergeht. In Leverkusen ging es so weiter: Auf drei Remis folgten fünf Siege und noch ein Unentschieden zwischendurch.

Jedenfalls hat sich Bayer nun auf leisen Sohlen auf Platz zwei gearbeitet, vorbei an Leipzig, Dortmund und Gladbach. Der Garant für die guten Ergebnisse der letzten Wochen ist Julian Baumgartlinger, so etwas wie die fleischgewordene Werkself: Etwas unscheinbar, etwas blass. Aber eben auch ungeheuer effizient und erfolgreich und jetzt auch noch Torschütze. Auf Schalke machte Baumgartlinger jedenfalls das nächste starke Spiel auf der Sechs.

Nach den Ausfällen von gleich drei zentralen Mittelfeldspielern hält Baumgartlinger derzeit den Laden fast im Alleingang zusammen. Der 32-Jährige wird auf seine alten Tage noch einmal so richtig wichtig für Bayer. Deshalb soll demnächst auch der Vertrag des Österreichers verlängert werden. Nach Baumgartlingers Leistungen zuletzt wäre das nur folgerichtig aus Sicht von Bayer.