Schiedsrichter im Koma und Kopfnüsse in Italien, ein Gebiss aus Uruguay versetzt England in Atemnot und in Spanien kommen die Bayern-Experten aus Düsseldorf und Hoffenheim. Dies und mehr von unseren Korrespondenten in Europa.
Serie A
Von Oliver Birkner
Konferenz des Spieltags: Wer am Sonntag der Angetrauten nachgab und erst um 20 vor fünf vom nervigen Stadtbummel heimkam, der hatte alles richtig gemacht. Frau zufrieden und obendrauf entschädigten die letzten zehn Minuten der "Diretta Gol" (das Pendant zur deutschen Konferenz) für alles zuvor Versäumte.
Die Fiorentina hatte gegen Torino daheim ein 0:3 verspielt und traf kurz vor Schluss zum 4:3. Im sizilianischen Derby fiel der Palermo-Ausgleich in der 95. Minute (dazu später mehr), 60 Sekunden zuvor schoss Lorenzo Insigne Napoli mit seinem 3:2 gegen Cagliari ins Delirium.
Neapel befand sich ohnehin schon in Ekstase. Auf dem Weg zur zweiten Champions-League-Teilnahme pilgerten unter der Woche 15.000 Tifosi zum offenen Training, später kamen rund 35.000 zum Jugend-Pokalfinale gegen Juventus ins Stadio San Paolo. Nichts im Vergleich zum Siegtreffer in der Nachspielzeit, bei dem wirklich alle am Rad drehten. Sieben Punkte Vorsprung auf den Dritten Milan - das sollte zur direkten Königsklasse reichen.
SSC-Patron Aurelio De Laurentiis war so aus dem Häuschen, dass er Sekunden nach Schlusspfiff twitterte: "Unseren Erfolg widme ich Cellino, Nainggolan und Astori." Cagliari-Präsident Massimo Cellino hatte vor Monaten für seine beiden Spieler recht überteuerte zwölf und 15 Millionen Euro ("in bar und sofort zu zahlen") gefordert, was ihm De Laurentiis immer noch nicht verziehen hat. Um Nainggolan muss er sich jetzt eh nicht mehr bemühen, denn der erzählte mit dem Tweet konfrontiert in die Kamera: "Will der mich verarschen? Zu Napoli wechsele ich jetzt sicher nicht mehr."
Referee des Spieltags: Einen besonders guten Tag hatte Schiedsrichter Paolo Valeri erwischt. Bei einem Kopfball von Sienas Massimo Paci pfiff er ein vermeintliches Foul, ehe der Ball die Linie überflog - Sekunden später entschied Valeri auf Nachfrage dann jedoch auf Tor.
Als der Ball zum Wiederanstoß im Mittelkreis lag, wachte er aus dem Koma auf, erinnerte sich offenbar verschwommen an seinen Pfiff und ordnete Freistoß für Chievo an. Bitter für das abstiegsbedrohte Siena, denn der Treffer war regulär und die Toskaner verloren 0:1.
Und sonst? Nun zurück zum sizilianischen Derby wie es singt und prügelt. Dem wichtigen Ausgleich vom Drittletzten Palermo in Catania in der fünften Minute der Nachspielzeit folgte ein High Noon. Palermos Barreto versetzte Catania-Keeper Andujar von hinten eine gepfefferte Kopfnuss, der riss ihn zum Dankeschön faustschlagend zu Boden und hämmerte dort so lange auf ihn ein, bis ihn einige Teamkollegen wegzerrten. Andujar sah Rot, für Barreto wird der TV-Beweis aufkommen.
Eine ganz besondere Rückkehr feierte Gianluca Caprari. Der 19-jährige Römer traf für den Letzten Pescara bei der Roma (Endstand 1:1) - Caprari durchlief nicht nur die Jugend der Giallorossi, bis vor fünf Jahren zeichnete er sich für sie noch als Balljunge aus.
Im Januar 2008 hatte er dabei dermaßen flink einen Ball zur Ecke platziert, dass die Roma in Windeseile ausführte und gegen den überraschten Gegner Palermo zum spielentscheidenden 1:0 netzte. Die AS-Tifosi forderten in Foren daraufhin, Caprari den Assist zuzuschreiben. Die Liga lehnte überraschend ab. Am Sonntag trug er sich schließlich zum ersten Mal auf die Anzeigetafel seines verehrten Olimpico - wenn auch auf die falsche Seite.
Italien: Ekstase in Neapel, High Noon in Sizilien
England: Der Teilzeit-Kannibale beißt wieder zu
Spanien: Vier Gegentore in sechs Minuten
Premier League
Von Raphael Honigstein
Spiel des Spieltags: Luis Suarez' Biss-Attacke gegen Branislav Ivanovic beim 2:2 zwischen Liverpool und Chelsea war natürlich das bestimmende Thema des Spieltags, aber es wurde auch Fußball gespielt. Und zwar sehr guter: der 3:1-Sieg der Spurs gegen (Noch-)Meister Manchester City war eines dieser atemberaubenden, keiner wirklichen Logik folgenden Achterbahn-Spiele, mit denen die Premier League weltweit punktet.
Tottenham-Trainer Andre Villas-Boas durfte sich nach drei gelungenen Einwechslungen (Huddlestone für Parker, Holtby für Sigurdsson, Defoe für Adebayor) beim Stand von 0:1 als eigentlicher Sieger fühlen, Roberto Mancini attestierte seiner in den letzten fünfzehn Minuten komplett auseinander gefallenen Elf dagegen mangelnde Siegermentalität: "Wir sind nicht schlechter als Manchester United, aber sie haben einen stärkeren Willen, sie wollen es mehr."
United sei nicht besser als seine Mannschaft, betonte er, doch dann verabschiedete sich die Logik auch aus seinen Gedanken. "United hat den Titel verdient, weil wir viele Punkte in Spielen verloren haben, die wir unverdient verloren haben", sagte Mancini. Na dann ist ja alles klar, Robby. Mal sehen, ob die Scheichs aus Abu Dhabi sich bei der Rückbetrachtung auf die Saison darauf einen Reim machen können.
Mann des Spieltags: Eines muss man Brendan Rodgers lassen - der Liverpool-Trainer hatte das alles schon vorhergesehen. "Luis Suarez hat einen unglaublichen Appetit auf Fußball," erklärte Rodgers vor vier Wochen. Aber musste der Uruguayer deswegen gleich den Oberarm von Ivanovic mit einem Sandwich verwechseln?
"Der Mann verdient es nicht, das Trikot von Liverpool zu tragen", schimpfte der Ex-Rote Graeme Souness im englischen Fernsehen. Suarez entschuldigte sich noch am Abend telefonisch für seinen Biss beim Chelsea-Verteidiger, Liverpool verhängte eine Geldstrafe, die an die Angehörigen der Hillsborough-Opfer gespendet wird.
Doch wie geht es für den Teilzeit-Kannibalen - in Holland hatte er ebenfalls einen Gegner angeknabbert - weiter? Da der Schiedsrichter den Vorfall übersah, könnte Suarez nachträglich lange gesperrt werden. Die Spielergewerkschaft bot ihm am Montag eine Antiaggressionstherapie an. Spekulationen um einen Verkauf werden nun weiter zunehmen, Suarez will bekanntlich unbedingt international spielen - besonders jetzt, da er den Geschmack der Champions League gekostet hat.
Und sonst? Mit Aufsteiger Cardiff City bekommt die Premier League den nächsten traditionsbewussten Milliardär dazu: der Malaie Vincent Tan änderte vor einem Jahr als erstes die Vereinsfarben von Blau-Weiß auf Rot-Schwarz um. Das soll mehr Glück bringen. Mit ein bisschen Glück kommt bald auch Ian Holloway wieder ins Oberhaus, der durchgeknallteste Trainer des Landes.
Nach dem 2:2 zwischen seiner Elf von Crystal Palace gegen Leicester City am Sonntag zitierte er aus der Blackadder-Serie von Mr. Bean-Darsteller Rowan Atkinson. "Wir müssen die Nase der Furcht kneifen und einen Eiswürfel in die Weste des Terrors schieben", sagte er. Ob das nach den jüngsten Ereignissen in Boston passend war, sei mal dahingestellt. Originell war die Einlassung auf jeden Fall nicht. Wie der "Mirror" notierte, hatte Holloway den Spruch vor fünf Jahren schon einmal gebraucht - kurz, bevor Leicester ihn entließ.
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Primera Division
Spiel des Spieltags: Beim FC Malaga wirkt das Reus-Santana-Abseits-Trauma von Dortmund wohl noch nach. Anders ist die Nichtleistung am Samstag in Valencia nur schwer vermittelbar. Binnen sechs Minuten ließ sich Beinahe-Champions-League-Halbfinalist in Valencia vier Dinger einschenken, wobei nicht zuletzt Martin Demichelis keine gute Figur machte.
Beim 1:0 von Parejo gibt er unfreiwillig die Vorlage, indem er den Ball gefühlt sekundenlang auf dem Rücken balanciert, um dann nicht mehr zu wissen, wo unten und oben ist. Beim 2:0 von Soldado ist er einer von vielen Malaga-Verteidigern, der bei einer scharfen Hereingabe von links durch Deplatzierung glänzt.
Soldados 3:0 vom Elfmeterpunkt verschuldet er durch ein wirklich täppisches Foul. Beim 4:0 muss man ihm keine persönlichen Vorhaltungen machen, da diagnostizieren wir mal kollektives Versagen, wenn man drei gegnerische Angreifer mehr oder minder ungehindert aufs eigene Tor zulaufen lässt. Hier noch mal die Spielminuten der Ereignisse: 25., 28., 30., 31. Am Ende gewinnt Valencia 5:1 und hofft weiter auf eine Teilnahme am internationalen Geschäft in der kommenden Saison.
Malaga spielte der eigenen Saison angemessen: Die Luft ist raus, die Champions League Geschichte, die Saison wegen der in der kommenden Saison in Kraft tretenden Sperre für den Europacup schnurz, da man ja weder absteigen, noch Meister werden kann. Ganz anders sieht das allerdings der Boss.
Scheich Abdullah ben Nasser Al Thani regte sich via Twitter mächtig auf: "Guten Abend allerseits", schrieb er da frei übersetzt. "Gestern war ein sehr schlechter Tag. Der Schiedsrichter war hervorragend, aber das Team hat ohne Herz gespielt. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber es entspricht den Tatsachen." Dem ist nichts hinzuzufügen und durchaus eine angemessene Entscheidung. Jedenfalls besser als seine Einlassung zum Drama von Dortmund, als er ebenfalls via Twitter die UEFA als "rassistisch und korrupt" bezeichnete.
Spieler des Spieltags: Man kann wegen der verschiedensten Dinge vom Platz fliegen. Wegen Schiedsrichterbeleidigung zum Beispiel. Wegen übertriebenen Jubels. Wegen wiederholten oder sehr heftigen Foulspiels. Weil man seine Zähne in den Gegner schlägt oder wegen anderen Tätlichkeiten. Man kann aber auch einfach nur ein bisschen Pech haben oder wie immer man das auch nennen will, was Getafes Borja am Wochenende widerfahren ist.
Die Gäste von Espanyol führten 1:0 im spärlich besuchten Coliseum Alfonso Perez, als Getafe einen Freistoß nahe der Mittellinie ausführte. Borja wurde kurz angespielt, nahm den Ball etwas nachlässig an, rutschte dann auch noch weg und fiel etwas plump aufs Spielgerät. Raumgewinn: keine sechs Zentimeter.
Dummerweise nur griff bei Borja der weit verbreitete Reflex, mit der Hand nach dem Ball zu langen und diesen an sich zu ziehen. Das mag ja in Ordnung sein, wenn man zuvor gefoult wurde und so sicherstellen möchte, dass man den folgenden Freistoß möglichst schnell ausführen kann.
Borja jedoch bekam keinen Freistoß, sondern Gelb für absichtliches Handspiel und Rot gleich hinterher, denn er war zuvor schon verwarnt worden. Süß war die Reaktion des 32-Jährigen, der früher mal für Real Madrid gespielt hatte: Er verzog keine Miene verabschiedete sich vom Schiedsrichter und trottete vom Platz.
Das Spiel gewann Espanyol letztlich mit 2:0, wodurch beide Mannschaften jetzt im Kampf um die Goldene Ananas fast gleichauf liegen. Noch was Statistisches: Schiri Fernando Teixeira Vitienes zeigte 13 Mal Gelb, zwei Getafe-Spieler sahen die Ampelkarte.
Und sonst? Komischerweise ist auch in Spanien das bevorstehende Champions-League-Halbfinale Thema Nr. 1. Da werden Busquets und Martinez verglichen, Ronaldo erzählt, dass Ronaldo das Pech hat, dass es Messi gibt und Klopp erzählt, dass er Klopp ist, falls es noch jemand nicht mitbekommen haben sollte.
Keine Kosten und Mühen hat die "Marca" gescheut, um das Who-is-who der spanischen Bundesliga-Spitzel zu mobilisieren. Gladbachs Dominguez, Hoffenheims Joselu und Düsseldorfs Juanan geben unter der Headline "Wie man die Bayern schlägt" ihr Insiderwissen preis. Und da erfährt man so einiges, was man noch nicht wusste.
Zum Beispiel: Schweinsteiger ist der Schlüsselspieler. Ribery ist sehr gefährlich. "Sie kreieren unzählige Chancen." Entscheidend sei, wer die Hoheit im Mittelfeld habe. Und: Bayern spiele im Prinzip so wie Real Madrid. Na dann...
Italien: Ekstase in Neapel, High Noon in Sizilien
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