Während Mercedes im WM-Kampf mit Red Bull nur noch auf Fehler der Konkurrenz hoffen kann, zeigt Lando Norris beim Großen Preis der Steiermark wieder einmal, warum er der heimliche Star der Saison ist. Bei Ferrari weiß man indes nicht so recht, wieso man sich in Spielberg so gut präsentierte. Die Erkenntnisse zum Steiermark-GP.
1. Mercedes kann Red Bull nicht mehr schlagen
Mit seinem Triumph beim Großen Preis der Steiermark feierte Max Verstappen seinen insgesamt vierten Saisonsieg, nach seinem Erfolg in Le Castellet in der vergangenen Woche waren es sogar erstmals zwei aufeinanderfolgende Siege in diesem Jahr. Als Team kann Red Bull sogar eine noch bessere Bilanz aufweisen. Durch den Sieg von Sergio Perez beim Aserbaidschan-GP triumphierten die Österreicher nun schon das vierte Rennen in Folge. Zuletzt war das 2013 der Fall gewesen, als sich ein gewisser Sebastian Vettel zum bis dato letzten RB-Weltmeister krönte.
Es scheint, als würde eintreten, was für manchen F1-Fan unmöglich zu sein schien: Nach jahrelanger Dominanz hat Mercedes 2021 nicht mehr das beste Auto. Sowohl in den Qualifyings - eigentlich die große Stärke der Silberpfeile - als auch im Renntempo präsentiert sich der RB16B als dominierender Bolide gegenüber dem deutschen Traditionsteam.
Ein sichtlich verzweifelter Lewis Hamilton gestand nach dem Rennen in Spielberg, dass er es sich nicht erklären könne, wo man "die ganze Zeit auf Red Bull" verliere. "Ich habe versucht mitzuhalten, aber sie haben sich in den vergangenen Wochen so sehr verbessert, es war unmöglich. Ich tue alles, was ich kann, aber ich kann im Moment nicht schneller fahren."
Auch sein Teamchef Toto Wolff glaubt, dass man auf dem Red-Bull-Ring mit den Plätzen zwei und drei das Maximum erzielt hat. "Es war nicht mehr drin, denn das Paket von Red Bull ist einfach das schnellere. Das muss man so neidlos eingestehen", so Wolff. "Platz zwei, drei oder vier ist aktuell unsere Position, in der wir uns befinden und da müssen wir uns einfach zurück fighten, mit allem was wir haben."
Mercedes ist auf Fehler von Red Bull angewiesen
Bleibt die Frage, wie man das genau anstellen möchte? Neben Stadtkursen wie Monaco oder Baku, auf denen RB schon seit Jahren mit den Silberpfeilen mithalten kann, schmecken den Österreichern nämlich mittlerweile offenbar auch Highspeed-Kurse wie etwa Le Castellet oder Spielberg. Zu tun hat das mit dem neuen Honda-Motor, der im Vergleich zu den vergangenen Jahren nochmal eine Schippe mehr Power im Gepäck hat und dafür sorgt, dass Verstappen und Perez unangefochtene Spitzenreiter in Sachen Topspeed sind.
Auch entwicklungstechnisch wird Mercedes auf Performance-Seite nichts mehr machen können. Zwar sind Updates am Motor tendenziell nicht verboten, jedoch dürfen nur einzelne Komponenten ausgewechselt werden und das nur ein Mal pro Teil. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf das kommende Jahr die Ressourcen clever gemanagt werden müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dann wird nämlich eine neue Rennwagengeneration eingeführt, weshalb man bei den Teams ohnehin schon jeden Cent zwei Mal umdreht. "Entwicklungstechnisch ist diese Saison gelaufen", meinte auch Wolff.
Für Mercedes wird es dementsprechend schwer, Red Bull unter normalen Umständen auf der Strecke zu schlagen. Dafür, das zeigten die bisherigen acht Saisonrennen, ist der RB16B einfach zu schnell und Verstappen, der im Vergleich zu den Vorjahren deutlich reifer und abgeklärter wirkt, zu gut.
Die einzige Option muss es für die Silberpfeile daher sein, Red Bull in renntaktischer Sicht auszustechen bzw. auf Fehler der Konkurrenz zu hoffen. Dass das der Fall sein kann, zeigten die Rennen in Bahrain und Barcelona, als Mercedes keineswegs das schnellere Auto besaß, mit kluger Strategie aber dennoch zwei Rennsiege feierte. Sollten strategische Missgeschicke RBs allerdings ausbleiben, könnte sich zum ersten Mal seit 2013 mit Max Verstappen ein Nicht-Mercedes-Pilot zum Weltmeister krönen. Das schnellste Auto dafür hat er.
2. Lando Norris ist der heimliche Star der laufenden Saison
Zugegeben: In unseren bisherigen Erkenntnissen zu den Rennen der laufenden F1-Saison sind Lando Norris und McLaren vielleicht etwas zu kurz gekommen. Zu oft standen andere Themen im Fokus, der Brite und sein Rennstall - das zeigte einmal mehr der Große Preis der Steiermark - machen es mittlerweile aber praktisch unmöglich, sie unerwähnt zu lassen.
In nicht allzu ferner Vergangenheit stand es um das britische Traditionsteam alles andere als rosig. Nach der Trennung von Partner und Motorenlieferant Mercedes im Jahr 2014 ging es mit den Leistungen kontinuierlich bergab, in Erinnerung bleiben lediglich schwache Platzierungen in den WM-Wertungen sowie bitterböse Funksprüche von Fernando Alonso, der sich das ein oder andere Mal lautstark über den schwachen Honda-Motor sowie das nicht konkurrenzfähige Chassis beschwerte.
Vorbei schienen die Zeiten, in denen große Fahrer wie Mika Häkkinen, David Coulthard, Kimi Räikkönen, Juan Pablo Montoya, Jenson Button, Lewis Hamilton oder der eben angesprochene Alonso um Siege und Titel mitkämpfen konnten. Zwischen 2014 und 2019 fuhren die Briten keinen einzigen Podestplatz ein, 2017 setzte man einen traurigen Höhepunkt, als man die Konstrukteurswertung als neuntbestes von zehn Teams abschloss.
Das gehört zur Freude der McLaren-Fans mittlerweile der Vergangenheit an. Seit 2019 zeigt man sich stabilisiert, die vergangene Saison beendete man zum ersten Mal seit knapp zehn Jahren wieder als einer der besten drei Rennställe. Das liegt zum einen an einem Auto, welches sich Jahr für Jahr besser mit den Boliden der Top-Teams messen kann und zum anderen an einem, zur Saison 2019 eingetretenen, radikalen Führungswechsel. Mit dem Niederbayer Andreas Seidl als Teamchef und dem erfahrenen James Key als technischen Direktor ist neue, frische Kompetenz nach Woking gewechselt und ordnet dort seitdem alles dem Erfolg unter.
Norris hat das Zeug zum Weltmeister
Doch nicht nur hinter den Kulissen änderten sich zur 19er-Saison die Gesichter, auch im Auto gab es Veränderungen. Mit Carlos Sainz und Lando Norris wurde ein neues Fahrer-Duo präsentiert. Ersterer hat sich seitdem einen Namen in der Formel 1 gemacht und 2021, nach zwei starken Jahren im McLaren, den Traum vom Racing in Rot verwirklicht. Der andere, Lando Norris, ist immer noch beim britischen Traditionsteam unter Vertrag und gehört mittlerweile, auch wenn seine Leistungen irgendwie immer noch ein bisschen unter dem Radar schweben, zu den stärksten und konstantesten Piloten im Feld.
Als einziger seiner 19 Kollegen gelang dem Engländer in jedem der abgelaufenen acht Saisonrennen der Sprung in die Punkteränge, darunter zwei Podiumsplatzierungen in Imola und Monaco, ein vierter Rang beim Auftakt in Bahrain sowie vier fünfte Plätze. Sein schlechtestes Ergebnis, ein achter Platz beim Großen Preis von Spanien, resultierte aus einem schwachen Abschneiden im Qualifying gepaart mit dem überhol-unfreundlichen Layout des Circuit de Catalunya.
Seit seinem F1-Debüt 2019 gibt es wohl keinen Fahrer, der eine ähnliche Entwicklung aufweisen kann. Hatte Norris anfangs noch Probleme, konstant seine Leistungen abzurufen und auf Augenhöhe mit seinem Teamkollegen zu performen, steckt er 2021 einen ausgewiesen schnellen sowie erfahrenen Mann wie Daniel Ricciardo problemlos in die Tasche. Nach acht Rennen hat er schon jetzt mehr Zähler gesammelt als in seiner kompletten Debüt-Saison. Norris weiß zunehmend, was er vom Auto erwartet und schafft es perfekt, dieses an seinen Fahrstil anzupassen. Hinzu kommt, dass er mit seinen 21 Jahren der zweitjüngste Pilot des aktuellen Feldes ist (nach Yuki Tsunoda), dennoch aber schon eine Menge Erfahrung mitbringt.
Erst kürzlich verlängerte McLaren den bis 2022 laufenden Vertrag des Youngsters um "mehrere Jahre". Das Ziel: Mit Norris an der Spitze will man in Woking ein Team aufbauen, das langfristig im Stande ist, um den Titel mitzufahren. Dass der 21-Jährige das Talent dazu hat, zeigte er in dieser Saison unzählige Male. Denn eines ist jetzt schon klar: Der heimliche Star der aktuellen F1-Saison wird eines Tages um den WM-Titel kämpfen - egal ob im Mclaren oder bei einem anderen Team.
3. Ferraris Performance ist nicht zu erklären
Ferrari-Fans haben es auch 2021 nicht leicht. Obwohl man bei der Scuderia im Vergleich zum Horror-Jahr 2020 große Fortschritte gemacht hat und mittlerweile wieder regelmäßig mit beiden Autos in den Top 10 landet, ist man doch noch weit von der Form vergangener Jahre entfernt.
So richtig weiß man bei den Roten nämlich nicht, wie die bisherigen Auftritte im Jahr 2021 einzuordnen sind. Einmal wären da starke Rennen in Monaco und Baku, auf die jedoch dann wiederum Debakel, wie das am vergangenen Wochenende beim Frankreich-GP, folgen. Dass das so ist, liegt vor allem an den unterschiedlichen Layouts sowie Asphalte der Kurse. Denn während Monaco und Baku vergleichsweise schonend mit dem Reifen umgehen, ist die Strecke in Le Castellet für einen eher rauen Belag bekannt.
Dort liegt scheinbar auch das große Problem der Roten. Der SF21 ist nicht gerade zimperlich im Umgang mit den Pneus. "Es ist eine Tendenz, da werde ich nicht lügen. Wir haben das in jedem Rennen im Hinterkopf", sagte Carlos Sainz nach dem Rennen am vergangenen Wochenende.
Speziell die Vorderreifen bräuchten ein optimales Arbeitsfenster, um zu funktionieren. "Wir tendieren zu mehr Graining oder zu Reifenverschleiß auf der Vorderachse als unsere Konkurrenten. Wir müssen jetzt verstehen, warum wir solch ein enges Fenster haben und warum wir bei den Vorderreifen größere Probleme haben", so Sainz. Auf eine Runde in das nicht weiter tragisch, das zeigen die durchwegs guten Ergebnisse im Qualifying, auf eine Renndistanz hat Ferrari aber Probleme.
Sainz: "Seltsam, dass wir im Rennen stärker sind"
Umso überraschender also, dass die Scuderia beim Großen Preis der Steiermark mit durchwegs guter Rennpace punkten konnte. Sainz beendete das Rennen auf dem sechsten Platz, Teamkollege Charles Leclerc kämpfte sich nach einem frühen Frontflügelschaden vom Ende des Feldes auf Rang sieben vor. "Die Pace war gigantisch. Wahrscheinlich war das heute eine meiner bisher besten Leistungen in der Formel 1, sieht man mal von der ersten Runde ab", meinte der Monegasse zu seiner Leistung in Spielberg.
Auch Sainz bestätigte das gute Fahrverhalten des roten Boliden. "Das ist ein großartiges Comeback", so der Spanier. "Teilweise waren wir sogar so stark wie [Sergio] Perez im Red Bull. Das war ein sehr positiver Tag für das Team." Dennoch könne auch er nicht nachvollziehen, wieso der SF21 auf dem Red-Bull-Ring so gut funktionierte. "Heute hatten wir keine Probleme mit den Reifen und konnten das Rennen fahren, das wir haben wollten. Wir müssen aber noch herausfinden, was im Qualifying passiert ist, denn es ist seltsam, dass wir im Rennen stärker als in der Qualifikation waren. Das ist normalerweise nicht der Fall."
Träumen ist bei der Scuderia jedoch nicht angesagt. Als Ziel haben sich die Italiener das vordere Mittelfeld gesetzt, von Top-Platzierungen kann daher noch keine Rede sein. "Wenn wir nicht das Mittelfeld anführen, vor allem am Samstag, dann sind wir nicht glücklich", sagte Sportdirektor Laurent Mekies am Rande des Steiermark-GPs. "Denn das bedeutet, dass wir unterperformt haben." Bereits für das kommende Wochenende könnten die Vorzeichen bedeutend schlechter stehen. Dann bringt Reifenhersteller Pirelli nämlich weichere Mischungen nach Spielberg, was wiederum den Verschleiß erhöhen dürfte. Und das schmeckt dem schließlich Ferrari so gar nicht.
Formel 1: Die WM-Wertung nach 8 von 23 Rennen
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 156 |
2 | Lewis Hamilton | Mercedes | 138 |
3 | Sergio Perez | Red Bull | 96 |
4 | Lando Norris | McLaren | 86 |
5 | Valtteri Bottas | Mercedes | 74 |
6 | Charles Leclerc | Ferrari | 56 |
7 | Carlos Sainz | Ferrari | 50 |
8 | Pierre Gasly | AlphaTauri | 37 |
9 | Daniel Ricciardo | McLaren | 34 |
10 | Sebastian Vettel | Aston Martin | 30 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 252 |
2 | Mercedes | 212 |
3 | McLaren | 120 |
4 | Ferrari | 108 |
5 | AlphaTauri | 46 |
6 | Aston Martin | 44 |
7 | Alpine | 31 |
8 | Alfa Romeo | 2 |
9 | Williams | 0 |
10 | Haas | 0 |
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