"Beckers Einfluss wird überschätzt"

Von red
Boris Becker, seit Sommer 2017 Head of Men´s Tennis im DTB
© Jürgen Hasenkopf
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Sind die Absagen der Top-Spieler verständlich - oder hätte man in Anbetracht der ersten Runde in Frankfurt nicht doch darauf hoffen müssen, dass Zverev/Zverev/Kohlschreiber die Niederlage gegen Belgien wieder gut machen?

Uwe Semrau (DAZN): Die Absagen sind aus meiner Sicht unverständlich. Zum einen sollte tatsächlich die eingebrockte Suppe wieder ausgelöffelt werden, und zum zweiten droht ein langer Gang in die Zweitklassigkeit. Das kann nicht im Sinne der Verweigerer sein!

Marcel Meinert (SKY): Man muss zwar jede Absage separat betrachten, aber dass eine Umstellung auf Sand für eine Woche für viele Spieler nicht wirklich sexy ist, kann man schon nachvollziehen. Allerdings ist auch niemand mehr bereit, dem Davis Cup zumindest in Teilen den eigenen Erfolg unterzuordnen. Allerdings bin ich mir sicher, dass man in einem Halbfinale eine andere Mannschaft an den Start gebracht hätte. Die Spieler scheinen aber manchmal zu vergessen, dass sie sich solche Matches erst verdienen müssen. Alexander Zverevs Absage ist zwar aufgrund der sportlichen Entwicklung verständlich, nach seiner Zusage aus dem Frühjahr aber doppelt enttäuschend. Außerdem wird damit einmal mehr die Strategie des Zverev-Managements deutlich - ihn in Deutschland als große Marke zu etablieren ist nicht die höchste Priorität. Dass Mischa Zverev der Mannschaft in Portugal hätte helfen können, darf ohnehin bezweifelt werden. Von Philipp Kohlschreiber hätte ich eigentlich erwartet, dass er spielt. So viele Gelegenheiten im Davis Cup zu glänzen wird er nicht mehr haben. Schade, dass er diese Gelegenheit, auch an seinem Renomee zu arbeiten, hat verstreichen lassen.

Jörg Allmeroth (tennisnet): Die Absagen sind bedauerlich, passen aber in die Realität dieser Tage. Es gibt ganz allgemein kaum Loyalitäten, ob nun auf persönlicher Ebene oder zu Trainern. Oder zu einem Wettbewerb/Land. Die Zverevs verstehen sich, jedenfalls in dem, was sie nach außen kommunizieren, als Global-Player-Familie. Der Davis Cup wird gespielt, wenn's mal passt. Wenn nicht, dann nicht. Laver Cup statt Davis Cup, so stehen die Dinge.

Alexander Antonitsch (Eurosport): Ja .... der Davis Cup und seine Termine. Es ist ja auch erst sehr spät klar, wo und auf welchem Belag er stattfindet. Das ist nicht planbar und so wird er immer öfter zu einem Problem für die Topspieler. Reformen wären bitter nötig, aber die ITF wartet unverständlicherweise noch immer zu. Sascha spielt noch ums Masters und damit wird seine Saison sowieso enorm lange dauern. Mischa würde zulange für die Umstellung auf Sand brauchen und wäre meiner Ansicht nach sowieso nicht erste Wahl. Kohli möchte aufgrund seiner Verletzungen die Umstellung Hartplatz, Sand, Hartplatz nicht mitmachen.

Oliver Faßnacht (DAZN/Eurosport): Ich unterscheide auch von Fall zu Fall. Mischa Zverev: gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Teamchef - sachlich, fachlich nachvollziehbar. Alexander Zverev: Eine Frage von Prioritäten, nicht von Machbarkeit. Das Team hat sich beraten, der Spieler entschieden. Es glaubt doch hoffentlich keiner, dass Alexander in der Causa Davis Cup wirklich fremdgesteuert war. Philipp Kohlschreiber: Ähnlich, wie Stan Wawrinka für die Schweiz, hat Philipp in 10 Jahren Davis Cup seine Knochen auch dann immer wieder hingehalten, wenn das körperliche Limit fast schon erreicht war. Wer seine Saison genauer betrachtet, könnte - wenn er denn wollte - die Gründe zumindest respektieren.