Alexander Zverev und der Fluch der guten Taten

Von Jörg Allmeroth
Wo geht die Reise von Alexander Zverev hin?
© getty

Der Erfolgslauf von Alexander Zverev katapultiert den Deutschen in die Nähe der Top-Poistion der ATP-Charts. Die große Nagelprobe wird aber bei den French Open folgen.

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Als Alexander Zverev im letzten Jahr seinen ersten Masters-Titel in Rom gegen Novak Djokovic gewann, durfte man diesen Coup durchaus noch als Sensation verbuchen. Zverev, der junge Deutsche, spielt auch bei den laufenden Italienischen Meisterschaften wieder eine tragende Rolle, in einer spannungsgeladenen Nachtschicht bezwang er den belgischen WM-Finalisten David Goffin am sehr frühen Samstagmorgen mit 6:4, 3:6 und 6:3, zog selbstbewußt in die Runde der letzten Vier ein und trifft dort auf den Weltranglisten-Vierten Marin Cilic.

Aber gewundert hat sich darüber schon keiner mehr in der Branche, Zverev ist seit seinem Durchbruch-Triumph gegen Djokovic ein fester Teil des Establishments - mit gerade einmal 21 Jahren. "Ich bin glücklich, wie es gerade läuft für mich", sagt Zverev, "ich spiele einfach mit der richtigen Einstellung, mit guter Konzentration und dem nötigen Biss."

Federer und Nadal in Reichweite

Bald schon wird sich zeigen, ob Zverevs bester Karriere-Lauf auch zu besseren Ergebnissen auf den alles überstrahlenden Grand-Slam-Bühnen führen wird. In den kommenden Wochen werden zwei Major-Pokale vergeben, erst in Paris, dann in Wimbledon. Es geht dann auch um Tausende von Weltranglisten-Punkten, womöglich sogar um eine günstigere Ausgangslage, um in der Hierarchie noch weiter zu klettern, noch höher als bisher schon auf Platz drei.

Vor Zverev stehen einzig die beiden Titanen der Branche, Rafael Nadal (bei einem Titelgewinn in Rom) auf Platz eins und Roger Federer auf Platz zwei. Aber Nadal und Federer müssen jeweils die Punktgewinne ihrer Grand-Slam-Coups aus 2017 verteidigen, Nadal in Paris, Federer auf dem Rasen von Wimbledon.

Zverevs Ergebnisprobleme bei Grand-Slam-Turnieren

Auf Zverev werden deshalb die Blicke gerichtet sein, wenn die Ballwechsel der Grand Ausscheidungsspiele im Stadion Roland Garros beginnen, am Wochenende nach Pfingsten. Allerdings auch aus einem kritischen Grund, nicht nur, weil der 21-jährige Hamburger sich zuletzt eine so herausragende Rolle im Machtspiel der Tennisprofis erobert hat. Zverev hat bisher noch ein Ergebnisproblem bei den Grand-Slam-Turnieren, sein bestes Resultat soweit ist das Erreichen des Achtelfinales im vorigen Jahr in Wimbledon.

Oft aber schied er früh aus, sehr früh sogar - und nicht immer gegen absolute Spitzenkonkurrenz. Auch als Rom-Champions der Vorsaison erlebte Zverev eine Ernüchterung, in Paris verlor er gegen den alten spanischen Recken Fernando Verdasco in der ersten French Open-Runde. "Es war kein durchweg schlechtes Match", sagt Zverev, "aber die Erwartung war natürlich eine andere." Zverev wollte wenigstens, das ist ein realistischer Anspruch, in der zweiten Grand Slam-Woche dabei sein. Und damit in einer späten Turnierphase, die zu seinen sonstigen Ergebnissen und Leistungen passte.

Becker hofft auf Initialzündung

Darum wird es auch jetzt gehen, ein Jahr später. Zverev kann keineswegs automatisch als Turnierfavorit oder auch als potenzieller Halbfinalist gehandelt werden, da sind noch andere Wettbewerber eher im Spiel. Grand Slam-Tennis, zumal bei den herausfordernden Zermürbungsschlachten im Sand von Paris, ist eine andere Welt. Eine Welt, in der auch spezielle Erfahrung, strategisches Geschick und vergangene Erfolge zählen. "Zverev braucht bei den Slams so etwas wie eine Initialzündung. Ein Resultat, mit dem er die Zweifel hinter sich lässt", sagt John McEnroe, der frühere Weltranglisten-Erste und heutige TV-Experte.

Natürlich stellt sich auch die Frage, ob Zverev unter dem Fluch der guten Taten in dieser Sandplatzsaison leiden wird - dann, wenn es in Paris in die Matches über drei Gewinnsätze geht. Seit dem Start des Münchner ATP-Turniers ist der 21-jährige im Wettkampfstress, oft genug spielte er seine Matches auch zu abenteuerlichen Zeiten, spätabends, zur Prime Time.

Mit den andauernden Siegen bis hin zu den Titelwürden in München und Madrid vertrieb er sich selbst die Müdigkeit. Aber nach dem Sieg gegen Goffin, bei dem er erstmals wieder einen Satzverlust in den letzten knapp drei Wochen erlitt, sagte er, die Knochen täten ihm "schon ein bisschen weh." Aber eine Atempause gibt es nicht für Zverev, erst recht nicht in dieser heißesten Phase der gesamten Saison. In der es viel zu gewinnen, aber auch einiges zu verlieren gibt.

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