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Wie Deion "Primetime" Sanders bei Jackson State für ein Erdbeben im College Football sorgte

Von Johannes Ninow / Marcus Blumberg
Deion Sanders sorgt als Head Coach von Jackson State für Furore
© getty

Der frühere TV-Experte und Hall-of-Fame-Cornerback Deion Sanders arbeitet seit 2020 als Head Coach des eher beschaulichen Colleges Jackson State und sorgte dort vor kurzem für ein größeres Erdbeben. SPOX erklärt, was es damit auf sich hat und was die viel zitierten NIL-Deals damit zu tun haben.

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Der 15. Dezember 2021 wird der College-Football-Welt noch länger in Erinnerung bleiben. Es war der "Early Signing Day". Der Tag, an dem aktuelle High-School-Spieler frühestens ihren sogenannten "Letter of Intent", ihre Absichtserklärung, an das College ihrer Wahl schicken können, was den Spieler damit offiziell an die jeweilige Schule bindet.

An diesem Tag hat Deion Sanders eine Bombe platzen lassen, die den College Football nachhaltig prägen wird. Sanders, Head Coach von Jackson State aus der Southwestern Athletic Conference (SWAC), schockte alle, indem er den Nummer-1-Recruit im ganzen Land, Travis Hunter, verpflichtete. Noch nie zuvor hat sich ein FCS-Team oder ein HBCU (Historic Black College and University) den Nummer-1-Recruit gesichert. Und diese Story ist auf mehreren Ebenen bemerkenswert.

Beginnen müssen wir mit dem Hall-of-Famer Deion "Primetime" Sanders selbst, wie er bei Jackson State landete und wo er eben nicht landete. Sanders arbeitete lange als TV-Experte, war ein bekanntes und sehr beliebtes Gesicht im NFL Network. Gleichzeitig coachte er in der High School in Texas seine Söhne und als die ins College-Alter kamen, wollte Sanders auch im College als Coach Fuß fassen.

Seine erste Adresse war seine Alma Mater Florida State. Die Seminoles waren nach dem Abgang von Meistertrainer Jimbo Fisher in der Versenkung verschwunden und hatten gerade Fisher-Nachfolger Willie Taggert rausgeworfen. Sanders bot seine Hilfe an, wollte aber nur als Head Coach kommen.

Deion Sanders: Florida State übergeht einstigen Star

Florida States Entscheidungsträger und Geldgeber nahmen sein Angebot aber nicht ernst, zweifelten an der Ernsthaftigkeit des lauten, lockeren TV-Analysten, der auch als Spieler nicht den Ruf als Arbeitstier hatte, und natürlich auch an dessen Coaching-Erfahrung.

Florida State entschied sich für Mike Norvell, den damaligen Head Coach von Memphis, der das Team gerade zu einer 12-1-Saison geführt hatte. Sanders nahm wenig später den Job bei Jackson State an.

Doch auch mit Norvell kam der Erfolg nicht zurück zum dreimaligen Meister. 2021 verlor das Team sogar im eigenen Stadion in letzter Sekunde gegen FCS-Team Jacksonville State - nicht zu verwechseln mit Jackson State!

In beiden Jahren unter Norvell qualifizierte man sich nicht für ein Bowl Game (6 Siege sind dafür nötig), Norvells Bilanz in zwei Jahren: 8-13. Das Umfeld der Seminoles blieb jedoch einigermaßen entspannt. Immerhin wurde Rivale Miami endlich mal wieder geschlagen und ab nächster Saison sollte alles besser werden. Denn Top-Recruit Travis Hunter - seit klein auf ein riesiger Florida-State-Fan und vor allem von Deion Sanders - war "committed" und ließ sich von keinem Top-Team wie Georgia oder Alabama umstimmen.

Für Recruiting-Analysten ist Hunter das vielleicht beste Nicht-QB-Prospect der Geschichte. Egal, für welches College - ob Alabama, Georgia und sowieso Florida State - er heute das Feld betreten würde, er wäre sofort der Starter als Cornerback oder als Wide Receiver, je nachdem, worauf er mehr Lust hätte. Für Florida State wäre es wahrscheinlich das Beste gewesen, wenn er Offense und Defense parallel gespielt hätte. Hunter ist ein absoluter Freak. Er war Florida States gesamte Hoffnung auf eine Rückkehr an die Spitze.

Deion Sanders bricht Florida State das Herz

Doch ausgerechnet Deion Sanders - Hunters großes Idol und FSUs vielleicht bester Spieler überhaupt - hat Florida State das Herz gebrochen. Und das in aller Öffentlichkeit, am großen Signing Day.

Die Wut in Tallahassee kannte keine Grenzen. Die Noles-Fans wurden direkt in zwei Lager gespalten. Die einen verbrannten ihre Sanders-Trikots, alle anderen forderten sofort die Entlassung von Norvell und wollten Deion direkt verpflichten. Die Medien feierten Sanders für seinen Coup und vernichteten gleichzeitig Florida State.

Obwohl Norvell und Co. eine durchaus ansehnliche Recruiting Class an Land gezogen haben - viele kamen nur deshalb zu Florida State, weil Hunter auch kommen wollte - dürfte es eine harte Offseason werden. Man wird alles auf Transfers setzen müssen - was sich mit den Defensive Ends Jermaine Johnson oder Keir Thomas in jüngster Vergangenheit schon bewährt hatte -, denn im kommenden Jahr müssen Siege her. Ohne sieben bis acht Siege dürfte Mike Norvells Zeit bei Florida State vorbei sein.

Ob Sanders dann FSU wieder seine Hilfe anbieten wird, ist eher unwahrscheinlich. Bei Jackson State hat er sich ein Programm ganz nach seinem Geschmack aufgebaut. Vor allem hat er sehr viel Aufmerksamkeit mitgebracht, von der alle HBCUs profitieren. Schon seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Versuche, die HBCUs zu pushen.

Die Verpflichtung von Hunter war der vielleicht größte Push. Hunter selbst schrieb auf Instagram, dass es für ihn einer der Hauptgründe zu Jackson State zu gehen war, die Geschichte der HBCUs weiterzuschreiben. HBCUs haben schon einige Hall-of-Famer hervorgebracht, Hunter möchte diese Tradition fortführen.

Deion Sanders sorgt als Head Coach von Jackson State für Furore
© getty
Deion Sanders sorgt als Head Coach von Jackson State für Furore

Deion Sanders lockt weiteren Top-Recruit zu Jackson State

Immerhin spielen die HBCUs vor über 60.000 Fans, auch wenn das sportliche Level nicht das allerhöchste ist. Aber für dieses Level braucht es eben Spieler wie Hunter. Deion Sanders und die anderen HBCUs hoffen nun, dass Hunter weitere Top-Recruits anlocken und damit auch das sportliche Level der nächsten Generationen anheben wird und so alle HBCUs profitieren werden.

Diese Hoffnung erfüllte sich derweil bereits durch die Zusage eines weiteren Top-Talents im Land. Wide Receiver Kevin Coleman Jr. entschied sich Anfang Januar ebenfalls für Jackson State und damit gegen Miami - und Florida State.

Aber der vielleicht noch wichtigere Punkt, für Hunter die College-Welt so zu schocken, ist ein angeblich sehr lukrativer NIL-Deal (NIL = Spieler dürfen von ihrem Namen, Image und Likeness finanziell profitieren), den Sanders mit Barstool Sports für Hunter eingefädelt haben soll.

Angeblich soll dieser mehrere Millionen Dollar Wert sein und deutlich mehr als alles, was Florida State, das finanziell sowieso nicht auf höchstem CFB-Niveau mitspielt, zu bieten hatte. Allerdings bestreiten alle Seiten, dass es einen solchen Deal gibt.

Sanders selbst ließ wissen: "Das ist die größte Lüge, die ich jemals gehört habe." Und fuhr fort: "Wissen Sie, was das ist? Das bedeutet, dass wir denen in den Arsch getreten haben. Wir haben das genommen, was uns gehört und nun müssen die anderen sich eine Entschuldigung dafür ausdenken. Niemand hat anderthalb Millionen Dollar kassiert. Ich würde nicht mal meinem Sohn anderthalb Millionen zahlen."

College Football: Geld regiert nun auch offiziell die Welt

Schaut man sich jedoch diesen Singing Day insgesamt an, konnte man schon deutlich sehen, welche Teams beim Thema NIL oben mitspielen und welche nicht. Texas zum Beispiel gab bekannt, dass jeder O-Liner pauschal 50.000 Dollar kassieren würde als Teil eines NIL-Deals - nie zuvor hatte Texas auch nur ansatzweise eine so starke O-Line-Gruppe verpflichtet.

Geld regiert die Welt, nun auch offiziell im College Football. Wobei es das schon immer tat, nur ist es jetzt legal und damit fließt noch mehr Geld. Teams wie Florida State, die das Thema NIL noch nicht zu ernst nehmen, sollten zügig aufholen. Und Teams in den großen Märkten wie USC oder Miami haben einen enormen Vorteil. Nicht zufällig haben genau diese beiden Teams jeweils massive Coaching-Upgrades vollzogen, die mit einem immensen finanziellen Commitment einhergingen.

"Primetime" Sanders hat den College Football geschockt. Seiner Alma Mater, die ihn nicht ernst nahm, hat er es brutal heimgezahlt. HBCUs werden nun hoffentlich vom Hype um Hunter profitieren. Und es ist anzunehmen, das Colleges, die beim NIL-Spiel nicht von Beginn an dabei sind, schon bald Gefahr laufen, im College Football den Anschluss zu verlieren..

Deion Sanders: Coaching-Bilanz bei Jackson State

SaisonBilanzConferenz-BilanzPlatzierung East-DivisionBowl Game
20204-33-22.-
202111-29-01.Celebration Bowl (Niederlage)
Gesamt15-512-2
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