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NFL: Ravens, Steelers, Patriots und Co.: Das Defense-Ranking vor Saisonstart

Matt Judon ist einer der gefährlichen Pass Rusher der Ravens.
© imago images / Kenneth K. Lam

Die Regular Season rückt immer näher, und nachdem die Frist für Corona-Opt-Outs abgelaufen ist und sich die Teams in der heißen Phase der Saisonvorbereitung befinden, wird auch der Blick auf die Kader klarer. Defensive Prognosen sind dabei nochmals schwieriger als für die Offense - doch wo gibt es Grund für Optimismus? Wer hat richtig investiert? Welche Defenses sollten 2020 zur Liga-Spitze gehören?

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"Defense wins Championships" - eine Weisheit, gefühlt so alt wie der Football selbst. Und lange Zeit war sie auch zutreffend: als Offenses noch alles auf dem Run Game aufbauten, als viel weniger gepunktet wurde, als Defenses noch deutlich mehr physischen Spielraum auf dem Platz hatten.

Doch der Football in der NFL hat sich verändert. Offense ist Trumpf, das Passspiel ist Trumpf - und Defenses wurden mehr und mehr in eine reagierende Position gedrängt. Nicht nur das: Zunehmend klar lässt sich feststellen, dass Defense deutlich inkonstanter als Offense ist.

Das trifft einmal auf den Vergleich von Jahr zu Jahr zu - eine Defense kann in einem Jahr das Team tragen und im nächsten Jahr ohne gravierende personelle Abgänge dazu nicht mehr ansatzweise in der Lage sein. Es trifft aber auch auf die Analyse innerhalb einer Saison zu, und zunehmend fällt auf, wie enorm defensive Leistungen von der Qualität der gegnerischen Offense abhängen.

"Defense wins Championships" ist eine These, die in der heutigen NFL nicht mehr zu verteidigen ist; dennoch gibt es selbstredend gravierende Unterschiede zwischen einzelnen Teams.

Die Defense der 49ers etwa ließ in der vergangenen Regular Season -0,12 Expected Points Added (EPA) pro Play zu, es war der zweitbeste Wert 2019. Die Miami Dolphins am anderen Ende des Spektrums erlaubten gegnerischen Offenses 0,15 EPA pro Play. Das sind gravierende Unterschiede dahingehend, inwieweit eine Defense gegnerische Offenses das Feld herunter marschieren lässt - oder eben nicht.

Die große Frage jedoch lautet: Welche der Erkenntnisse und Entwicklungen aus der vergangenen Saison lassen sich auf 2020 übertragen? Welche Defense kann Offenses häufiger mal in eine reagierende Position zwingen, welche Defense ist dort stark, wo man in der NFL heute stark sein muss - und wo droht ein Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr?

NFL Defense Ranking vor Saisonstart

Entsprechend der hohen Inkonstanz defensiver Prognosen und der hohen Variabilität gibt es mehrere Defenses, die ebenfalls einen Platz in dieser Top 10 hätten bekommen können. Wenn sich in Green Bay etwa die Cornerbacks verbessern und insbesondere Za'Darius Smith seine Vorsaison bestätigen kann, gehen die Packers wieder Richtung Top 10. Die Titans sollten abermals eine starke Secondary haben, doch ist die Front gut genug?

Die Browns haben durch die Bank weg immenses defensives Potenzial, sind aber erneut in einem neuen Scheme unterwegs. Die Cowboys haben eine starke Front, die Secondary aber steht auf wackligen Füßen; Washington ist in der gleichen Kategorie noch extremer unterwegs. Und die Seahawks könnten eine Top-5-Secondary stellen - aber sind sie gewillt, das auch in einen aggressiven Pass-Rush umzumünzen?

10. New England Patriots

Stephon Gilmore ist derzeit der beste Cornerback in der NFL, insbesondere ist er der beste Man-Cover-Corner. Und damit ist er das Herzstück einer Patriots-Defense, die neben den Ravens ligaweit am stärksten auf Man Coverage in Kombination mit einem aggressiven, vielseitigen Pass-Rush setzt.

Gilmore, Jason McCourty, JC Jackson und die Flexibilität, die Devin McCourty und - bisher zumindest - die Linebacker erlauben: das ist der Kern der Pats-Defense. Das erlaubt es Belichick, Woche für Woche individuell auf den Gegner zu reagieren und stets neue Ansätze umzusetzen. New England war im Vorjahr teilweise auf historischem Defense-Kurs, ehe die Gegner stärker und die Zahlen zumindest ein wenig normaler wurden.

Warum New England also so weit hinten? Die Patriots haben schlicht so viel verloren. Brady war das größte Thema der Offseason, doch der defensive Aderlass war massiv. Kyle Van Noy, Jamie Collins, Danny Shelton in der Free Agency, Duron Harmon via Trade und dann durch Corona-Opt-Out noch Dont'a Hightower und Patrick Chung. Die Patriots müssen ihre gesamte Linebacker-Gruppe neu sortieren, ihren besten Pass-Rusher ersetzen und ihre Safety-Gruppe außerhalb von Devin McCourty komplett neu aufbauen.

Belichick wird angesichts der noch immer vorhandenen Coverage-Qualität und mit den spannenden Rookies Kyle Dugger und Josh Uche als Wildcards abermals eine gute Defense formen können. Doch das wird Zeit brauchen, und gerade durch die komplette Neusortierung der Front muss man davon ausgehen, dass die Patriots einen merklichen Schritt zurück im Vergleich zur Vorsaison verkraften müssen.

9. Tampa Bay Buccaneers

Vermutlich die größte Wildcard in dieser Liste - und gleichzeitig wäre es nicht überraschend, wenn die Bucs am Ende des Jahres sogar Richtung Top 5 gehen. Es ist vor allem die Secondary, die Tampa Bay zur Wundertüte macht: Von den mutmaßlichen Startern wurde einzig Justin Evans vor 2018 gedraftet, es ist also eine extrem junge Gruppe. Gleichzeitig aber deuteten allen voran Jamel Dean und Carlton Davis im Laufe der Vorsaison vielversprechendes Potenzial an, die Bucs sind auf Cornerback physisch stark aufgestellt und darauf ausgerichtet, Todd Bowles' aggressive Defense umzusetzen.

Bei den Safeties könnte Rookie Antoine Winfield schnell in die Startformation rutschen, der vielseitige, spielintelligente Zweitrunden-Pick passt in der Theorie perfekt in Bowles' Defense. Diese nämlich geht mit Flexibilität und viel Blitzing einher - nur die Ravens waren letztes Jahr in puncto Blitzing noch aggressiver als Tampa. Lavonte David trägt die Linebacker-Gruppe, neben ihm sollte Devin White sich gut weiter entwickeln können.

Vor allem aber haben die Bucs auch individuelle Pass-Rusher-Qualität, sind also hier nicht komplett auf das Scheme angewiesen. Vita Vea hat sich in dieser Disziplin positiv entwickelt, Jason Pierre-Paul und Ndamukong Suh wurden genauso gehalten wie Vorjahres-Sack-Leader Shaq Barrett. Barrett wird statistisch mutmaßlich nicht an die vergangene Saison anknüpfen können, dennoch sollte das ein gutes Pass-Rush-Quartett sein, das durch Bowles' Ansatz zusätzlich viele Eins-gegen-Eins-Gelegenheiten bekommt.

8. Philadelphia Eagles

Bereits seit Jahren bringen die Eagles konstant einen starken Pass-Rush aufs Feld. Defensive Coordinator Jim Schwartz ist großer Verfechter des 4-Men-Pass-Rushs, und darauf ist die Eagles-Defense auch bestens ausgerichtet. Fletcher Cox, Javon Hargrave und Malik Jackson sind vielleicht das beste Defensive-Tackle-Trio in der NFL, Brandon Graham ist Jahr für Jahr ein sehr konstanter Edge-Rusher und Derek Barnett sowie Vinny Curry bilden im Verbund eine gute Nummer 2. Beide kamen letztes Jahr jeweils auf über 40 Quarterback-Pressures.

Die Defensive Line war auch letztes Jahr stark - und sie war der Hauptgrund dafür, dass Philly trotz einer bisweilen horrend schlechten Cornerback-Gruppe im Gesamtbild noch immer eine durchschnittliche Defense aufs Feld brachte. Die Front gibt den Eagles eine hohe Base Line; wirklich gut aber waren die Eagles in der Jim-Schwartz-Ära dennoch nur, wenn sie die entsprechenden Coverage-Qualitäten hatten.

Die Offseason legt nahe, dass man das in Philadelphia akzeptiert hat. Die Eagles beackerten ihre größte Baustelle mit dem Trade für Darius Slay, der aus Detroit kam und den Nummer-1-Corner-Posten besetzen wird. Das sollte dahinter dem Rest der Secondary die Arbeit signifikant erleichtern.

Fast schon etwas unter dem Radar flog dagegen die Verpflichtung von Nickell Robey-Coleman. Ein guter Slot-Corner und ebenfalls ein signifikantes Upgrade im Vergleich zum Vorjahr. Allein diese beiden sollten die Eagles-Defense deutlich besser machen, unabhängig davon, wer - Rasul Douglas? Sidney Jones? - den zweiten Outside-Spot besetzt. Safety ist nach dem Abgang von Malcolm Jenkins das größere Fragezeichen. Corner Jalen Mills wird zum Safety umgeschult, Rookie K'Von Wallace könnte hier eher früher als später einen Platz finden.

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