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Super-Rematch: Das Warten auf die Fat Lady

Russell Wilson (l.) und Tom Brady treffen erstmals seit Super Bowl XLIX wieder aufeinander
© SPOX

Wenn im Sunday Night Game von Week 10 die New England Patriots (7-1) auf die Seattle Seahawks (5-2-1) treffen, werden sicherlich Erinnerungen an Super Bowl XLIX wach. Doch darüber hinaus stehen sich zwei ausgeglichene Teams auf Augenhöhe gegenüber, bei denen eigentlich nur ein Bereich wirklich heraussticht. Das Spiel gibt es ab Mo., 2.30 Uhr live auf DAZN.

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Wir schreiben den 1. Februar 2015, beim Super Bowl XLIX im University of Phoenix Stadium in Glendale/Arizona verbleiben nur noch wenige Sekunden. Die Seahawks haben den Ball kurz vor der Endzone und jeder meint zu wissen: Marshawn Lynch wird ihn in Kürze über die Goal Line rammen. Dann passiert das Unfassbare: Russell Wilson wirft den Pass zu Ricardo Lockette, doch der ungedraftete Rookie-Free-Agent Malcolm Butler springt vor den Receiver, schnappt sich den Pick und schreibt Geschichte. Die Fat Lady hat gesungen, die New England Patriots gewinnen ihren vierten Super Bowl und für die Seahawks beginnt ein langer Sommer.

All das ist keine zwei Jahre her. Beide Teams treffen sich nun erstmals seit jenem Abend im Februar wieder, dieses Mal mitten in der Saison und mit verhältnismäßig weniger Druck. Beide sind sie wie damals die Besten ihrer Divisions, vielleicht sogar wieder die besten Teams der jeweiligen Conference. Doch einiges hat sich seit damals geändert.

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Bei New England ist der unbekannte Held des Abends mittlerweile der anerkannte Nachfolger des abgewanderten Darrelle Revis. Brandon LaFell, der den ersten Touchdown erzielt hatte, spielt in Cincinnati und wurde durch Chris Hogan ersetzt.

Bei den Seahawks ist der größte Unterschied, dass das Herzstück der Offensive, nun nicht mehr Lynch, sondern Wilson ist. Und mit Jimmy Graham kam ein Tight End dazu, der das Gesamtniveau der Truppe merklich anhebt.

Viele Parallen zwischen Pats und Hawks

Konstant sind jedoch beide. Die Seahawks haben seit dem Super Bowl eine Bilanz von 16-9-1, die Patriots stehen bei 20-6 - beides inklusive Playoffs. Und auch sonst lassen sich viele Parallelen zwischen beiden Mannschaften erkennen.

Offensiv wurde zuletzt sehr viel Wert aufs Laufspiel gelegt, während die jeweiligen Quarterbacks kaum Fehler machen. Und defensiv gehören beiden zur Ligaspitze in so mancher Kategorie.

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Gut, in Sachen Punktausbeute ging die Schere zuletzt auseinander. Allerdings muss man bedenken, dass Seattle derzeit dazu gezwungen ist, gehandicapt zu spielen. Wilson, der sonst mit seinen Füßen so manche brenzlige Situation bereinigt und sich entweder Zeit erkauft oder direkt selber läuft, kann dies aufgrund einer hartnäckigen Sprunggelenksverletzung derzeit nicht liefern. Folglich stockt die Offensive dann und wann.

Als exklusiver Pocket Passer (28 Carries für 54 Yards am Boden) ist Wilson zwar auch mehr als fähig, aber mit nur sieben Touchdowns und zwei Interceptions gehört er nicht gerade zu den Topleuten auf diesem Gebiet. Zudem leidet er merklich unter der schwachen Offensive Line, die nach dem Abgang von Left Tackle Russell Okung auch nicht gerade besser wurde. Unterm Strich steht er bei 16 Sacks, was aber immer noch Durchschnitt ist.

Zwei Tight Ends in Topform

Über die letzten Wochen funktionierte das Passspiel allerdings sukzessive besser, was auch daran lag, dass Wilson nun endlich einen Rhythmus mit Tight End Jimmy Graham entwickelt hat. Der fing letzten Montag gegen die Buffalo Bills gleich zwei Touchdowns und nähert sich seiner Höchstform aus alten Saints-Zeiten.

Ebenfalls zur Höchstform läuft derweil Rob Gronkowski auf. Nachdem dieser die ersten zwei Spiele verletzungsbedingt verpasst hatte und die zwei weiteren Spiele ohne Tom Brady langsam herangeführt wurde und eher als Blocker auftrat, ist er mittlerweile wieder voll da. In den letzten vier Spielen durchbrach er dreimal die Marke von 100 Receiving Yards und führt mit seinen 484 Yards intern vor Martellus Bennett und Hogan.

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Alles steht und fällt allerdings weiterhin mit Brady, der in nur vier Spielen zwölf Touchdown-Pässe geworfen hat und mit einem Passer Rating von 133 sowie einer Passquote von über 73 Prozent der derzeit mit Abstand effizienteste Quarterback der Liga ist. Darüber hinaus hat er wohl die Zeit während seiner Sperre genutzt, um sich in bestimmten Bereichen nochmal zu steigern. Sein Deep Ball ist etwa so gut wie lange nicht mehr, und bei dritten Versuchen ist er fast automatisch und bringt 77 Prozent seiner Pässe an den Mann.

Noch gravierender ist allerdings seine Präzision nach Play-Action: 90 Prozent der Pässe finden ihr Ziel, was wiederum auch ein Produkt des Spiels von Running Back LeGarrette Blount ist, der sich in der besten Saison seiner Karriere befindet und bereits neun Touchdowns erzielt hat. Der Franchise-Rekord liegt bei 14, ist also in Reichweite.

Play-Calling wie im Super Bowl?

Ob Blount aber seine Produktion (161 Carries/609 Yards) gegen Seattle wird fortsetzen können, ist zumindest fraglich, denn deren Run Defense ist weiterhin stark - Seattle lässet nur 3,5 Yards pro Carry zu (Platz 6 in der NFL). Und wenn das letzte Duell der beiden Teams ein Indikator ist, dann könnte die Rolle von Blount dieses Mal ohnehin kleiner ausfallen - Brady warf damals 50 Pässe, Blount lief lediglich 14 Mal.

Auch dieses Mal könnte das ein Rezept sein, zumal Running Back James White sich als äußerst fähiger Receiver aus dem Backfield bewährt hat. "Ich denke, James White ist ein guter Spieler. Könnte es jemand anders besser machen? Ich weiß es nicht. Er hat sich bisher sehr konstant gezeigt", so Patriots-Head-Coach Bill Belichick unter der Woche. White fing bislang 29 Pässe für 258 Yards und drei Touchdowns (26 Carries für 107 Yards).

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Zudem steht Dion Lewis vor seinem Saisondebüt - er befindet sich wieder im Training, nachdem er die Saison auf der PUP-Liste begonnen hatte. Und nachdem unter der Woche Tyler Gaffney entlassen wurde, wäre ein Platz im Kader frei. Auch wenn White wie in New England üblich erst langsam herangeführt werden würde, dürfte er dennoch mit wenigen Touches viel Schaden anrichten können. Zur Erinnerung: Im Super Bowl fing Running Back Shane Vereen mit elf die meisten von Bradys Pässen.

Es ist allerdings anzunehmen, dass am Sonntagabend in Foxborough ohnehin eher die Defensivreihen im Vordergrund stehen werden. Die zweitbeste Scoring-Defense (16,5 Punkte pro Spiel) empfängt die Nummer drei auf der Liste (16,8). Wahnsinnig viele Punkte sollte man also nicht erwarten, auch wenn der Super Bowl mit 28:24 durchaus punktereich daher kam.

Ein Fehler einer zu viel?

Was gibt also den Ausschlag in diesem Heavyweight-Fight? Turnover könnten eine Rolle spielen, wobei es für beide Teams uncharakteristisch ist, den Ball herzugeben - beide haben nur sechs Giveaways in dieser Saison auf dem Konto, drittbester Wert der Liga. Und beide QBs stehen zusammen bei nur zwei Picks, wobei Brady und seine zwei Backups zuvor noch makellos sind, was dies angeht.

Auf der anderen Seite haben die Defensivreihen trotz ihrer generellen Dominanz, was Scoring und Yards angeht, in Sachen Takeaways durchaus noch Nachholbedarf. Die Patriots liegen nur auf Platz 21 mit neun, die Seahawks auf 24 mit acht Balleroberungen. Viele Fehler sind somit nicht zu erwarten, einige wenige könnten den Unterschied machen.

Unterm Strich kommt es aber wohl doch wieder auf die Quarterbacks an, noch dazu in der Primetime. Und genau dort macht Wilson und Brady kaum einer was vor: Sie haben die höchsten Siegquoten in Primetime-Spielen in der Geschichte der NFL. Wilson steht bei 79,4 Prozent (13-3-1), Brady bei 72,2 Prozent (39-15).

Ein nicht zu verachtender Faktor ist auch die Vorbereitungszeit. Denn während Seattle am letzten Montag noch die Buffalo Bills zu einem kräftezehrenden Monday Night Game empfangen hatte, kommen die Patriots aus ihrer Bye Week. Und Bill Belichicks Bilanz nach zweiwöchiger Pause steht bei 12-4. Ein nicht zu verachtender Vorteil also für die Hausherren am Sonntagabend. Angesichts der jüngeren Vergangenheit beider Teams dürfte so oder so nichts entschieden sein bis die dicke Dame ihren Auftritt hatte.

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