NBA

"Er redet und redet": Warum die Milwaukee Bucks trotz Kritik an Coach Doc Rivers auf dem richtigen Weg sind

Von Ruben Martin
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Die Milwaukee Bucks machten diese Saison trotz guter Bilanz bereits einige Aufs und Abs durch, mit dem neuen Head Coach Doc Rivers spielen Giannis Antetokoumpo, Damian Lillard und Co. nun anderen Basketball als unter Adrian Griffin.

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Viel Zeit erhielt Griffin als Head Coach der Bucks nicht, zu wenig um seine ersten Fehler zu korrigieren oder sich an das Amt zu gewöhnen. Dafür ist der Kader um einen jährlichen MVP-Kandidaten mit Giannis Antetokounmpo auch zu gut, erst recht nach dem großen Investment mit dem Trade für Damian Lillard spät in der Offseason. Dementsprechend kam es überhaupt überraschend, dass die Verantwortlichen in Milwaukee sich im Sommer für einen Trainer ohne Erfahrung als Head Coach entschieden.

Die ersten Berichte von fehlender Harmonie zwischen den Spielern und Griffin kamen schnell auf, so wurde Griffin nach kaum mehr als der halben Saison mit einer Bilanz von 30-13 entlassen. Die Bucks waren zu diesem Zeitpunkt auf dem zweiten Platz der Eastern Conference, nur einen Sieg hinter dem Überflieger aus Boston.

Die Entlassung wurde in der Öffentlichkeit stark hinterfragt, schließlich hatten Griffin und die Bucks noch Zeit, bis zu den Playoffs ihre Topform zu finden. Die Unzufriedenheit der Spieler war jedoch wohl zu groß, sie hatten das Vertrauen in Griffin offenbar verloren und ließen das auch nach außen immer wieder durchsickern. Thema war immer wieder die Defense, die in den ersten Wochen nicht den Ansprüchen des Teams an sich selber entsprach.

"Offense kommt und geht von Abend zu Abend, aber defensiv muss man sich immer reinhängen", sagte Antetokounmpo nach einer Niederlage gegen die Rockets in der ersten Januarwoche und schimpfte: "Und das war heute nicht der Fall. Ich hab keinen Stolz gesehen. Da war nichts. Das waren nicht die Milwaukee Bucks. Das sind wir nicht."

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Doc Rivers: Albtraum-Start bei den Milwaukee Bucks

So war leicht nachzuvollziehen, warum Rivers ausgewählt wurde, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Das Experiment mit Griffin und potenziell neuen Ideen und mehr Flexibilität wurde beendet, Rivers ist der Gegenpol als sehr erfahrener Coach, der mit Superstars umzugehen weiß. Man weiß, was man von Rivers bekommt, dazu gehört in erster Linie gute Defense und Erfolg in der Regular Season.

Das hatte man mit Griffins Vorgänger Mike Budenholzer jedoch auch, warfen die ersten Kritiker der Verpflichtung von Rivers ein. Budenholzer wurde wegen mehrerer enttäuschender Playoff-Serien der Bucks entlassen, ähnlich wie Rivers bei mehrerer seiner vorherigen Stationen. Kein anderer Coach hat mehr Playoff-Pleiten nach 3-1-Serienführung kassiert als Rivers. Für die Kritiker war es ein gefundenes Fressen, als die Bucks fünf der ersten sechs Spiele unter Leitung des 62-Jährigen verloren.

Zu ihnen gehörten nicht nur frustrierte Bucks-Fans in den sozialen Medien, auch ein früherer Spieler von Rivers meldete sich zu Wort. "Ich beobachte den Trend schon seit Jahren. Der Trend besteht darin, immer Ausreden zu finden. Wir haben es verstanden, Doc - ein Team mitten in der Saison zu übernehmen ist schwer", sagte J.J. Redick,der Rivers aus gemeinsamer Zeit bei den Clippers kennt: "Es ist immer das gleiche Schema. Immer ist das Team schuld und er entzieht sich der Verantwortung."

Dies kam nach dem bisherigen Tiefpunkt der Bucks-Saison, als Milwaukee gegen eine Rumpftruppe der Grizzlies verloren hatte. Rivers hatte geschimpft, dass einige Spieler bereits mental im Urlaub gewesen seien. Wenig später stand der All-Star-Break an, für die Bucks offenbar genau zur richtigen Zeit.

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Die Top-Defense der Bucks ist zurück unter Rivers

Milwaukee scheint seitdem neu sortiert und fokussiert aufzutreten, alle sechs Partien seit der Pause konnten die Bucks für sich entscheiden. Dabei konnten sie ihre Gegner stets unter 110 Punkten halten, die Defense in Milwaukee kehrt gerade zur alten Stärke zurück. Rivers setzt seit seiner Ankunft unter anderem auf altbekannte Strategien der Bucks, die Griffin teilweise in den Wind geschossen hatte.

Gegen die Nuggets und die Pick'n'Rolls mit Nikola Jokic hatte Milwaukee Erfolg mit dem Zone Drop, der schon unter Budenholzer immer wieder gut funktionierte. Rivers lässt den fallenden Spieler nur weniger tief unter den Korb fallen als zuvor. Die Bucks zeigen sich zudem nicht einseitig, gegen die Mavericks setzten sie immer wieder auf Traps gegen Luka Doncic. Berichten zufolge macht Rivers vor allem das, was unter Griffin fehlte: Kommunizieren.

Laut Chris Haynes (Bleacher Report) erklärte Rivers jedem seiner Spieler einzeln im Detail, was er von ihm erwarte und was nicht. Ohnehin Gang und Gebe in der NBA, unter Griffin fehlte dies jedoch wohl. Lillard betonte jüngst, dass Rivers "redet und redet, er redet manchmal 15 Minuten am Stück." Dabei ginge es darum, was die Spieler machen, und gegebenenfalls was sie ändern müssen und warum.

Die Änderungen sind mit dem bloßen Auge zu sehen und mit Zahlen zu belegen, unter Griffin belegten die Bucks ligaweit nur Rang 20 im Defensivrating. Seit der Ankunft von Rivers ist Milwaukee auf Rang 6, ähnlich gut wie im Vorjahr.

Milwaukee Bucks: Die Defense-Stats der vergangenen Jahre

SaisonBilanzD-Rating (Rang)Coach
17/1844-38109,1 (18.)Jason Kidd/Joe Prunty
18/1960-22104,9 (1.)Mike Budenholzer
19/2056-17102,5 (1.)Mike Budenholzer
20/2146-26110,7 (9.)Mike Budenholzer
21/2251-31111,1 (14.)Mike Budenholzer
22/2358-24110,9 (4.)Mike Budenholzer
23/2441-21114,6 (15.)Adrian Griffin/Doc Rivers
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Milwaukee Bucks: Sogar Damian Lillard verteidigt unter Rivers

Diese drastische Verbesserung lässt sich teilweise auch durch personelle Verstärkungen erklären, mit Pat Beverley kam ein Defensivspezialist zur Trade Deadline nach Milwaukee. Zudem ist Jae Crowder wieder fit und verfügbar, nachdem er einen Großteil der ersten Saisonhälfte verpasste.

Unter Rivers treten jedoch auch wieder die Stärken von Antetokounmpo und Brook Lopez vermehrt in den Vordergrund, beide sind in ihrer aktuellen Form erneut Kandidaten für ein All-Defense-Team und extrem wertvoll in der Help-Defense. In den vergangenen 13 Spielen war Milwaukee Top-4 bei erlaubten Punkten in der Zone. Die Bucks sind zudem viel besser in der Transition-Defense, was Rivers gegenüber Offensiv-Rebounds priorisiert. Seit seiner Ankunft erlauben die Bucks die zweitwenigsten Punkte im Fastbreak, dies ist immer eine gute Grundlage für eine solide Defense

Die Spieler scheinen wieder an die defensiven Vorgaben zu glauben und sie detailgenau zu verstehen, Beverley und Crowder helfen sicher dabei, ihre Mitspieler in die richtige Richtung zu führen. Ein besonders beiendruckendes Beispiel dafür war die Leistung von Lillard beim 113:106 gegen die Clippers am Montag.

In Abwesenheit vom Greek Freak schulterte er nicht nur einen großen Teil der Offense mit 41 Punkten (12/22 FG), er nahm auch defensiv immer wieder die Herausforderung gegen Kawhi Leonard an und hatte seine Anteile daran, dass der bullige Flügelspieler nur auf 16 Zähler bei 6/19 aus dem Feld kam. "Ich spiele Defense wenn ich muss. Ich war schon in Situationen, wo ich das nicht musste", hatte Lillard selbst erst einen Tag zuvor im Podcast von Patrick Beverley gesagt.

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Damian Lillard: Wann kommt er in Milwaukee an?

Das neue defensive Level muss natürlich erstmal gehalten werden, die nächste Baustelle bei den Bucks wäre dann die Form von Lillard. Der Superstar scheint noch nicht wirklich in Milwaukee angekommen zu sein, sowohl privat als auch spielerisch. Jüngst erklärte er, dass er nicht viel mache neben Basketball und ohne seine Familie - Lillard trennte sich im Sommer von seiner Jugendliebe und Mutter seiner drei Kinder - oft einsam sei.

Vielleicht wirkt sich dies auch auf seine Leistung aus, mit 24,5 Punkten und 6,7 Assists pro Spiel bei 42,3 Prozent aus dem Feld und 34,7 Prozent bei Dreiern ist er deutlich schlechter drauf als in seiner überragenden vergangenen Saison bei den Blazers. Die Offense der Bucks ist schon die ganze Saison über inkonstant, unter Griffin stellte Milwaukee dennoch den zweitbesten Angriff im Rating.

Das ist unter Rivers nicht mehr der Fall, die Bucks sind seit seiner Ankunft nur noch auf dem 15. Rang in der Offense. Hier kommt ein Stück weit die Rechnung für den Tausch von Cameron Payne für Beverley, die Bucks entschieden sich dort aktiv für Defense statt Offense. Auch der Ausfall von Khris Middleton seit dem 8. Februar kann als Erklärungsversuch herangezogen werden.

Vermutlich spielen auch die Anpassungen von Rivers eine Rolle, laut Lillard war der Coach bei seiner Ankunft verwundert, dass die Bucks einige der besten Blazers-Spielzüge für Lillard nicht übernommen hatten. Diese seien nun installiert worden. Bisher ist noch keine große Steigerung von Lillard unter Rivers zu sehen, dies wird jedoch offenbar aktiv in Angriff genommen.

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Milwaukee Bucks: Nur die Playoffs zählen für Rivers und Co.

Für den Rest der Regular Season können die Bucks sicher auf etwas Offense verzichten, die verbesserte Defense ist erstmal wertvoller. In den Playoffs gelten jedoch andere Regeln, bis dahin erhoffen die Bucks sich sicher vor allem von Lillard eine Steigerung. Bei all den Qualitäten der Bucks fehlte ihnen in den vergangenen Jahren immer wieder ein Spieler, der am Ende eines Spiels die schwierigen Würfe treffen kann.

Lillard machte das in Portland besser als fast jeder andere Spieler der Liga, genau für diese Situationen zahlten die Bucks einen hohen Preis für den 33-Jährigen. Falls er das in den Playoffs auch für die Bucks kann, werden seine bisher enttäuschenden Leistungen in der laufenden Regular Season schnell vergessen sein.

Genau wie für die Celtics seit einigen Jahren geht es in der Regular Season für die Bucks ohnehin darum, einen Kompromiss zwischen genug Siegen und einigen Experimenten mit Hinblick auf die Playoffs zu finden. Das bedeutet aber auch gerade für Rivers, dass er in den Playoffs besonders genau unter die Lupe genommen werden wird von Milwaukee-Fans. Das ist für ihn jedoch nichts Neues.

Rivers hat in der Defense offenbar die richtigen Schrauben gedreht, die Offense muss sich jedoch wieder fangen, bevor der Head Coach als Retter der Bucks-Saison gefeiert werden darf. Milwaukee wirkt seit der Ankunft von Rivers wieder erwachsener als Mannschaft und ist aktuell sehr gut in Form, das erneute Aus vor den Conference Finals wäre eine große Enttäuschung. Damit würde Rivers Gefahr laufen, als Bucks-Trainer in eine Schublade mit Budenholzer gesteckt zu werden.