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NBA - T.J. Warren von den Pacers in der Form seines Lebens: Auf dem Weg zum All-Star oder Linsanity 2.0?

Von Gianluca Fraccalvieri
T.J. Warren könnte der nächste Star der Indiana Pacers werden.
© getty

Seit dem Restart der NBA-Saison vor knapp zwei Wochen gab es bereits einige Überraschungen, T.J. Warren ist zweifelsohne eine der größten davon. Der Forward der Indiana Pacers legt in der Bubble in Disney World bärenstarke 31 Punkte im Schnitt auf. Ist diese Leistungsexplosion den besonderen Umständen zu verdanken oder die logische Konsequenz harter Arbeit?

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Ein Blick auf den Statistikbogen sagt manchmal mehr als tausend Worte:

  • 53 Punkte (69 Prozent Feldwurfquote, 9/12 Dreier) - Sieg gegen die Sixers
  • 34 Punkte (53,8 Prozent Feldwurfquote, 1/6 Dreier) - Sieg gegen die Wizards
  • 32 Punkte (76,5 Prozent Feldwurfquote, 4/5 Dreier) - Sieg gegen die Magic
  • 16 Punkte (35 Prozent Feldwurfquote, 1/5 Dreier) - Niederlage gegen die Suns
  • 39 Punkte (68,2 Prozent Feldwurfquote, 5/8 Dreier) - Sieg gegen die Lakers
  • 12 Punkte (35,7 Prozent Feldwurfquote, 2/6 Dreier) - Niederlage gegen die Heat

Nein, das sind nicht die Zahlen von James Harden, LeBron James oder Kawhi Leonard, sondern die Statistiken aus den ersten sechs Spielen von Pacers-Shootingstar T.J. Warren, der derzeit - neben Devin Booker und den Suns - wohl das Gesprächsthema Nummer eins der Liga ist.

Für Cash Considerations (zu deutsch: für nichts!) im vergangenen Jahr aus Phoenix gekommen, straft der 26-Jährige sein Ex-Team derzeit Lügen und entwickelt sich bei den Pacers zu der Scoring-Option, von der man bei den Suns lange geträumt hat. Dabei scheint Warren auch von den besonderen Umständen in der Bubble zu profitieren.

T.J. Warren nutzt die Gunst der Stunde bei den Pacers

All-Star Domantas Sabonis verletzt, Victor Oladipo nach seiner schweren Verletzung 2019 noch lange nicht zurück bei alter Stärke und Sixth Man Jeremy Lamb außer Gefecht - niemand traute Indiana zu, in Orlando groß für Furore zu Sorgen. Im Schatten dessen nutzt Warren die Gunst der Stunde: Der Forward hat seine Produktionsrate enorm hochgefahren und beansprucht knapp 9 der 24,1 Würfe, die Sabonis und Lamb in der Regular Season nahmen, nun für sich.

Der Erfolg gibt ihm recht. Seine Quoten wirken mit 57,8 Prozent aus dem Feld, 52,4 Prozent von Downtown (bei 7 Versuchen pro Spiel!), einer True Shooting Percentage von 68,4 Prozent und einem +/- von 11,7 nahezu albern. Es sind auch beileibe keine leeren Zahlen. Gegen die Lakers etwa ging Warren in den letzten 90 Sekunden Head-to-Head mit Anthony Davis und LeBron und erzielte 7 der letzten 9 Pacers-Punkte auf dem Weg zum 116:111-Sieg.

Lohnenswert ist auch ein genauerer Blick auf seine 53-Punkte-Performance gegen die Sixers zum Auftakt. Er ist erst der zwölfte Spieler in dieser Saison, dem es gelang, die magische Grenze von 50 Zählern zu durchbrechen, und erst der dritte, der weniger als 20 Punkte pro Spiel auflegt (nach Eric Gordon und Caris LeVert).

Die Folge einer solchen Ausnahmeleistung? Die gegnerischen Verteidigungen haben dich ganz automatisch mehr auf dem Schirm, Gordon legte in der darauffolgenden Partie 9 Punkte (2/10 FG) auf, LeVert 14 (6/19 FG). Und Warren? Er drückte den Wizards und Magic 34 beziehungsweise 32 Punkte bei insgesamt 27 von 43 getroffenen Würfen rein. "Er ist gerade auf einem anderen Planeten", musste Oladipo gegenüber ESPN freudig feststellen.

T.J. Warren: Der Dreier als Basis des Erfolges

Die Basis für den Erfolg setzt Warren dabei von hinter der Dreierlinie. Bereits vergangene Saison legte er starke Quoten von Downtown auf (42,8 Prozent bei 4,2 Versuchen), doch seit dem Restart hat er seine Produktion sowie seine Trefferquote noch einmal hochgefahren. Selbstredend wird er die über 50 Prozent bei sieben Versuchen nicht auf Dauer halten können, solange er dies aber tut, muss sich die Defensive an ihn anpassen.

Sobald er sich hinter der Dreierlinie platziert, muss ein Verteidiger zum Close Out rauskommen und den Weg in der Zone freimachen, was der gesamten Dynamik des Teams zugutekommt und Raum für Warren sowie seine Mitspieler schafft. Ein Bespiel seiner Entwicklung: In den 61 Spielen vor der Bubble traf er nur 4 Dreier, denen kein Assist vorausging, in den ersten fünf Spielen in Orlando waren es alleine fünf Stück.

Dadurch kann er seine bekannten Stärken in der Mitteldistanz noch besser ausspielen, rangiert er doch in den vergangenen Jahren konstant in den Top 20 der Liga, was die Quote in der Mid-Range angeht. Und auch am defensiven Ende des Feldes scheint er endlich die nötige Einstellung und das Gefühl für Rotationen gefunden zu haben. Mit einer Körpergröße von 2,07 Meter und gut 100 Kilo hat er das körperliche Potenzial, einer der besseren Flügelverteidiger der Liga zu sein, und ist nun das erste Mal in seiner Karriere in diesem Bereich des Feldes kein Minusspieler mehr.

Im Gegenteil ist seine neu gewonnene defensive Agilität in Orlando deutlich zu spüren. 8 Steals und 7 Blocks darf er in bisher auf seinem Statsheet vermerken. Zudem führte er die gesamte Liga in Punkten nach gegnerischen Turnovern an (8,3 pro Spiel) - und das deutlich!

T.J. Warren hat sich auch in der Defensive verbessert.
© getty
T.J. Warren hat sich auch in der Defensive verbessert.

T.J. Warren: Ein All-Star in the making oder Linsanity 2.0?

Fraglich ist bei aller Euphorie jedoch, wie aussagekräftig die Stichprobe in der Bubble wirklich ist. Dass Warren ein eiskalter Scorer ist, ist seit College-Tagen bekannt, wäre er im 2014er Draft doch sonst nicht an 14. Stelle von den Suns gezogen worden. Allerdings war Konstanz bisher nicht die große Stärke Warrens.

Vor dem Restart legte er in fünf Spielen mindestens 30 Punkte auf, gleichzeitig neunmal unter 10 Zählern. Sehen wir derzeit also nur ein magisches Hoch a la Linsanity 2012 oder tatsächlich Warrens endgültigen Durchbruch?

Für ihn und die Pacers darf man hoffen, dass Letzteres der Fall ist. Im besten Szenario könnte sich der Forward zu einer Art Khris Middleton mit weniger Playmaking-Qualitäten entwickeln; auch der Bucks-Star wurde erst mit 27 erstmals All-Star.

Sollte Warren diesen Weg einschlagen, könnte Indiana in den kommenden Jahren (falls alle fit sind) eine brandheiße Mannschaft werden, offensiv sowie defensiv. Das Lineup aus Oladipo, Malcom Brogdon, Warren, Sabonis und Turner stand in dieser Saison nur sechs Spiele gemeinsam auf dem Feld, erzielte aber 10,3 Punkte pro 100 Possessions mehr als der Gegner. Bis auf Oladipo, der im Sommer für eine Vertragsverlängerung in Frage kommt, haben zudem alle potenziellen Starter Verträge bis mindestens Sommer 2022.

T.J. Warren: Der Angstgegner heißt Jimmy Butler

Zunächst stehen aber die Playoffs 2020 an, die für Warren zu einer ganz besonderen Herausforderung werden dürften, zumal es Warrens erste Postseason sein wird. Im wahrscheinlichen Matchup mit den Miami Heat in der ersten Runde wartet dazu sein ausgemachter Erzfeind: Jimmy Butler.

Laut Second Spectrum erzielte Warren in 173 Matchups mit Butler in seiner Karriere nur lausige 22 Zähler, was seinen Karrieretiefstwert gegen Verteidiger mit mindestens 150 Matchups bedeutet. "Er spielt nicht einmal in meiner verdammten Liga", spottete Butler nach einer Auseinandersetzung mit Warren im Januar.

Gleiches Spiel im ersten Aufeinandertreffen in der Bubble am vergangenen Dienstag. Butler kümmerte sich in 25 Angriffen um Warren, der gar kein Land sah und nur einen seiner drei Würfe für 2 Punkte traf.

"Wir können unsere Köpfe nicht hängen lassen. Es ist nur ein Spiel und wir haben noch viele vor uns. Wir werden uns die Filme anschauen, uns anpassen und bereit für die nächste Partie sein", sagte Warren im Anschluss. Wollen die Pacers dort eine Chancen haben, muss Warren seinem Angstgegner endlich Paroli bieten - und beweisen, dass er mehr ist als eine Eintagsfliege.

Die NBA-Statistiken von T.J. Warren

SaisonTeamSpielePunkteFG%3FG%3PA
14/15Suns406,152,823,80,5
15/16Suns471150,1401,5
16/17Suns6614,449,526,51,5
17/18Suns6519,649,822,21,4
18/19Suns431848,642,84,2
19/20Pacers6719,853,640,33,0
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