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NBA Analyse - Der Vier-Team Trade zwischen den Rockets, Hawks, Timberwolves und Nuggets: Moreyball extrem

Von Gianluca Fraccalvieri
P.J. Tucker wird in Zukunft als Center für die Rockets spielen.
© getty

Zwei Tage vor dem Ende der Trade-Deadline ist der größte Deal seit mehr als 20 Jahre über die Bühne gegangen - vier Teams und zwölf Spieler waren beteiligt. Im Mittelpunkt stehen dabei Clint Capela und Robert Covington. SPOX blickt auf den Deal aus Sicht der beteiligten Teams.

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Der Vier-Team-Trade im Detail

  • Houston bekommt: Robert Covington, Jordan Bell, Zweitrundenpick 2024 (via Golden State Warriors)
  • Atlanta bekommt: Clint Capela, Nene
  • Minnesota bekommt: Malik Beasley, Juan Hernangomez, Evan Turner, Jarred Vanderbilt, Erstrundenpick 2020 (via Brooklyn Nets, Lottery-geschützt)
  • Denver bekommt: Gerald Green, Keita Bates-Diop, Shabazz Napier, Noah Vonleh, Erstrundenpick 2020 (via Houston Rockets)

Der Trade aus der Sicht der Houston Rockets

Daryl Morey hat seinem Ruf mal wieder alle Ehre gemacht und kurz vor der Trade-Deadline einen Monster-Deal aus dem Hut gezaubert, der vielerorts für Aufsehen sorgt. Seit dem Trade, der Patrick Ewing 2000 von New York nach Seattle verschifft hat, sah die Liga in dieser Größenordnung nichts Vergleichbares mehr. Ursprünglich sollten sogar auch die Golden State Warriors in den Deal verwickelt werden, allerdings konnte man sich bezüglich D'Angelo Russell nicht einigen.

Im Mittelpunkt dieses Trades standen aber ohnehin die Rockets und ihre Absicht, Clint Capela gegen Robert Covington einzutauschen, um ihre Philosophie des Small Balls zukünftig ins Extreme zu treiben. Als Capela in den letzten eineinhalb Wochen verletzt fehlte, spielte Houston standardmäßig mit P.J. Tucker auf der Fünf. Obwohl der ehemalige Bamberger mit seinen 1,96 Meter eigentlich zu klein für die Center-Position ist, gewannen die Rox in diesem Zeitraum alle vier Spiele. Eine Tatsache, die die Verantwortlichen zu diesem drastischen Schritt bewegt haben wird.

Wie Tim MacMahon von ESPN berichtet, soll die Starting Five mit Tucker auf der Fünf auch mehr als nur eine Übergangslösung sein: "Um das klarzustellen, die Rockets suchen nicht nach einem Starting-Center. Sie spielen Small Ball mit P.J. Tucker auf der Fünf." James Harden, Russell Westbrook, Eric Gordon/Danuel House, Robert Covington und P.J. Tucker dürften somit in Zukunft starten.

Houston Rockets: Moreyball extrem mit Robert Covington

Neu ist dieses extreme Small-Ball-Lineup nicht. Die Warriors lehrten über Jahre hinweg viele Teams in den Playoffs mit der berüchtigten "Hamptons Five" das Fürchten, die Draymond Green (1,98 Meter) als Center beinhaltete. Und auch die Rockets haben Tucker schon als Center eingesetzt, beispielweise in der legendären Serie gegen die Warriors 2018, als sie nur um Haaresbreite die Finals verpassten. Warum also nicht dauerhaft so spielen?

Mit Robert Covington haben sie nun einen der besseren Three-and-D-Spieler der Liga in ihren Reihen, der im Gegensatz zu Capela in der ersten Fünf einen ganz entscheidenden Vorteil mit sich bringt: Er kann werfen (35,8 Prozent Dreier über die Karriere). Während Capela in seiner gesamten Karriere nur 4 (!!) Würfe außerhalb der Zone nahm (und einen traf), kann RoCo fröhlich in den Ecken auf den offenen Dreier warten, was dem Spacing Houstons merklich zugutekommen wird. Schön ist das nach Ansicht des durchschnittlichen NBA-Fans nicht, aber eben effizient, wenn man mit James Harden den wohl besten Iso-Scorer aller Zeiten im Team hast.

Gleichzeitig wird Mike D'Antoni wohl auch die guten alten Seven-Seconds-or-Less-Zeiten wieder aufleben lassen. Seit Russell Westbrook stellt man ohnehin schon die zweischnellste Offensive der Liga, mit einem weiteren Shooter auf dem Feld wird nicht nur Brodie in Transition mehr Platz für seine Drives zum Korb haben, sondern eben auch eine weitere Anspielstation.

Bei vielen wird jetzt aber zurecht die Frage aufkommen, was aus dem heißgeliebten Pick-and-Roll der Rockets wird. Schließlich war nur das Duo Lillard-Nurkic (1,05 Punkte pro Possession bei min. 1500 Versuchen) über die letzten vier Jahre seit Capela gedraftet wurde effizienter (1,04 Punkte). Wirft man einen Blick auf die reinen Zahlen, ist dieser Trade dann vielleicht doch nicht mehr so überraschend.

Während 2016/17 noch unglaubliche 41,2 Prozent aller Plays der Rockets P&Rs zwischen Harden und Capela waren, sind es in dieser Saison nur noch 18,1 Prozent gewesen - Tendenz sinkend. Vor allem zwischen dem Schweizer und Westbrook lief das Pick'n'Roll überhaupt nicht, 0,83 Punkte pro Spiel bedeutet ligaweit Platz 100 von 107 (min. 200 P&Rs). Folglich spross eine klare Erkenntnis: Hardens Isolations und Westbrooks Drives in Transition sind die besten Plays der Rockets - Moreyball extrem kann man das wohl nennen.

Houston Rockets: Nur noch Small-Ball?

Das größte Problem, was dieser Deal jedoch mit sich bringt, ist die Frage der Defensive. Wen wollen die Rockets in den Playoffs gegen Nikola Jokic oder Anthony Davis spielen lassen? Das muss die Denkweise der Rockets sein, schließlich wollen sie jetzt gewinnen. Das Titelfenster von Harden und Westbrook ist nicht ewig geöffnet und besonders rosig sieht die weitere Zukunft in Anbetracht der zahlreichen abgegebenen Draft-Picks nicht aus.

Tucker ist zweifelsohne eine der besten Verteidiger der Liga, ein Anthony Davis dürfte ihn aber im Post schlichtweg auffressen. Selbiges gilt für Jordan Bell, der sich nicht einmal in Minnesota endgültig durchsetzen konnte. Die bisherigen Minuten mit Tucker auf der Fünf geben schon einen guten Eindruck davon, was uns in den nächsten Wochen und Monaten erwarten wird. Laut Cleaning the Glass hat Tucker bisher 32 Prozent seiner Spielzeit auf der Fünf gespielt, was dem Offensivrating (118,9) einen großen Schub gegeben hat (109,3 als PF).

Gleichzeitig litt die Defensive jedoch gewaltig darunter, 114,5 Punkte pro 100 Possessions kassierten die Rockets mit Tucker auf der Fünf - das wäre das drittschlechteste Ligarating, noch hinter den Hawks! Verschweigen darf man dabei jedoch nicht, dass Capela zwar ein guter, aber kein überragender Verteidiger ist. Mit ihm auf den Court standen die Rockets im Defensivrating bei 107,4, ohne ihn bei 108,8. Offensiv verändert sich das Rating dahingegen um 4,8 Punkte - nach oben (115,8). Das Problem des fehlenden Big Man (wortwörtlich) bleibt dennoch, sind Isaiah Hartenstein und Tyson Chandler nur bedingt zu gebrauchen für die Ansprüche der Rockets.

Wenig verwunderlich ist also, dass die Rockets laut MacMahon weiterhin "aggressiv" auf der Suche nach einem Center sind, via Trade oder Buyout-Markt. Wie Adrian Wojnarowski (ESPN) betont, haben die Rockets dabei die Möglichkeit, bis zu 12 Millionen Dollar aufzunehmen und 5,8 davon zu reinvestieren, ohne über die Luxussteuergrenze zu fallen.