NBA

Die große Wette auf sich selbst

Nerlens Noel wettet auf seine Zukunft
© getty

Nerlens Noel unterschrieb jüngst bei den Dallas Mavericks einen Einjahresvertrag zu geringen Bezügen. Die Zeichen stehen damit auf Abschied im Sommer 2018. Dann will Noel das große Geld sehen. Doch für dieses Ziel geht er ein enormes Risiko ein.

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Normalerweise gibt es selbst in der wilden NBA-Welt noch Dinge, auf die man sich verlassen kann. Dazu gehört: Spieler, deren Rookie-Verträge auslaufen, lehnen ein Qualifying Offer ihres Teams ab und werden Restricted Free Agent.

Zur Erklärung: Das Qualifying Offer ist das Angebot eines Teams an den eigenen Spieler, dessen (Rookie)-Vertrag ausläuft. Es ist festgelegt, dass dieses Angebot eine Vertragsverlängerung um ein Jahr beinhaltet und dem Spieler 125 Prozent des letzten Jahresgehalts einbringt. Wenn ein Spieler dies ablehnt, wird er zum Restricted Free Agent. Das Team, bei dem der Spieler zuletzt gespielt hat, kann dann jedes Angebot von anderen Teams matchen und den Spieler dadurch an sich binden.

In dieser Situation waren in diesem Sommer auch Nerlens Noel und die Dallas Mavericks. Noels Rookie-Vertrag war ausgelaufen und es hieß, dass er als Restricted Free Agent einen Vertrag nah am Maximum fordert. Doch die Mavs waren nicht bereit, so viel Geld zu bezahlen. Stattdessen boten sie übereinstimmenden Medienberichten zufolge 70 Millionen Dollar für vier Jahre. Noel war das wohl zu wenig, doch bessere Angebote von anderen Teams gab es offenbar nicht

Noel: Unrestricted Free Agent im nächsten Sommer

Aus diesem Grund entschied sich Noel überraschend für die ungewöhnliche Variante und akzeptierte das Qualifying Offer der Texaner. Im nächsten Jahr verdient er so vergleichsweise magere 4,3 Millionen Dollar und wird im Sommer 2018 Unrestricted Free Agent. Dann kann er sich seinen neuen Arbeitgeber aussuchen.

Damit wettet der 23-jährige auf seine eigene Zukunft. Schließlich hat er die garantierten 70 Millionen Dollar für die 4,3 Millionen ausgetauscht, in der Hoffnung, dass im nächsten Sommer großer Zahltag sein wird.

Wie ungewöhnlich dieses Verhalten ist, zeigt eine Statistik von SB Nation: Seit 2002 gab es nur 14 Spieler, die das Qualifying Offer (QO) akzeptiert haben. Das jüngste prominente Beispiel ist Greg Monroe: Nachdem er in seinen vier Jahren bei den Pistons beeindruckt hatte, schlug er ein langfristiges Angebot Detroits, das ihm bis zu 14 Millionen Dollar jährlich eingebracht hätte, aus. Stattdessen akzeptierte er das QO für ein weiteres Jahr und 5,5 Millionen und wurde 2015 Unrestricted Free Agent.

In Monroes Fall zahlte sich das Risiko aus: Die Bucks schlugen zu und warben ihn für drei Jahre und 50 Millionen Dollar ab. So viel waren die Pistons nicht bereit zu zahlen.

Noel und Thompson: Derselbe Strippenzieher

Vor zwei Jahren gab es außerdem den Fall um Tristan Thompson und die Cavs. Auch er stand am Ende seines Rookie-Vertrags und wollte das große Geld kassieren. Doch Cleveland war zunächst vorsichtig und wollte sparsam agieren. Daraufhin "drohte" TT offenbar, das QO zu unterzeichnen und ein Jahr später einfach weiterzuziehen. Daraufhin knickte Cleveland ein und stattete Thompson mit einem 80-Millionen-Dollar-Vertrag über 5 Jahre aus. Auch bei ihm gilt also: Das Risiko hat sich gelohnt.

Thompsons Fall ist deshalb besonders mit dem jetzigen von Noel verbunden, weil der gleiche Berater-Stab im Hintergrund agiert. Erst kürzlich wechselte Noel zu Rich Paul und dessen Agentur Klutch Sports, die eng mit LeBron James und eben unter anderem Thompson verwoben ist. Rich Paul ist gerade bei den Franchises nicht unumstritten, doch er ist zweifelsohne jemand, der das (finanziell) Beste für seine Klienten herausholt.

Für dieses Ziel lassen sich hohe Risiken nicht vermeiden. Doch bei Noel ist der Verzicht auf 70 Millionen Dollar besonders riskant, schließlich gilt er als verletzungsanfällig. Unter anderem hatte er seine komplette Rookie-Saison aufgrund eines Kreuzbandrisses verpasst. Sollte sich Noel erneut schwer verletzen, wird es kaum ein Team geben, das viel Geld für ihn hinblättert. Das wäre finanziell gesehen der Super-GAU für den Spieler und auch für den Ruf des Beraterstabs, der sich in diesem Fall komplett verzockt hätte.

Mavericks und Noel: Zeichen stehen auf Abschied

Die sportliche Perspektive scheint bei Noel keine sonderlich hohe Priorität zu genießen. Denn eigentlich sind die Mavs derzeit ein nahezu perfektes Team für ihn, in dem er viel spielen und sich weiter entwickeln darf. Eigentlich sollte er zusammen mit Dennis Smith Jr. und Harrison Barnes das Trio der Zukunft bilden, das die Post-Nowitzki-Ära erfolgreich gestalten soll.

Dieser Plan von Cuban steht nun arg auf der Kippe. Denn eine weitere Statistik zeigt, dass die Chance, das Noel über den Sommer hinaus ein Maverick bleibt, verschwindend gering ist: Von den 14 Spielern, die seit 2002 das QO akzeptiert haben, blieb nur einer über den kommenden Sommer hinaus beim selben Team: Spencer Hawes (2012/Sixers).

Die Zeichen stehen also auf Abschied, wenngleich Berater Rich Paul erklärte, dass dies keinesfalls schon entschieden sei. Fakt ist jedoch, dass Noel unter Sonderbeobachtung steht. Schließlich befindet er sich nun in seinem Contract Year und ist sehr daran interessiert, positiv aufzufallen. Auch die Mavs dürften zumindest versuchen, gut zu spielen und dem Center von einer rosigen Zukunft in Texas zu überzeugen.

Eines steht aber auch fest: Mark Cuban ist niemand, der sich unter Druck setzen lässt. Er neigt nicht dazu, Spieler überzubezahlen und zieht sich im Zweifelsfall aus Verhandlungen zurück, wenn es ihm zu bunt beziehungsweise zu teuer wird.

Noel: Hoffentlich macht das Knie mit

Und Noel? Der muss sich die Frage stellen, was er eigentlich will. Eine für ihn bessere Situation wird er woanders kaum vorfinden. Es gibt derzeit keine Top-Mannschaften, die sowohl Bedarf an einem Defensiv-starken Center ohne Sprungwurf, als auch genügend Cap Space haben, um dessen Wünsche zu erfüllen. Sollte er 2018 also wechseln, wird das sportlich keine Weiterentwicklung bedeuten - als erste Teams kommen die Magic oder Nets infrage, die bereit sein könnten, ihn zu bezahlen und auf seine Entwicklung zu hoffen.

Unter dem Strich bleibt also wieder mal nur die Floskel, dass die NBA halt ein Business ist und jede Partei das Maximum für sich herausschlagen will. Das ist auch voll in Ordnung - nur bleibt bei Noel die Frage, ob das Risiko nicht zu hoch ist. Denn leider liegt es nicht nur an ihm selbst, sondern auch an seinen Knien, ob er nächstes Jahr mehr bekommt als das, was er gerade erst ausgeschlagen hat.

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