NBA

Größer als die Gegenwart

Von Jan Dafeld
Manu Ginobili (r.) könnte sein Karriereende bekannt geben
© getty

Die Golden State Warriors ziehen nach ihrem 129:115-Erfolg in die NBA-Finals ein. Das Team spielt weiter in seiner eigenen Liga und will nun die Revanche. Die San Antonio Spurs blicken derweil in eine Zukunft voller Fragezeichen.

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Es fühlte sich nicht wirklich wie das entscheidende Spiel einer Serie in den Western Conference Finals an, als sich die Fans im AT&T Center knapp drei Minuten vor dem Ende des Matches von ihren Sitzen erhoben. Die Heimmannschaft lag mit 16 Punkten zurück, das Playoff-Aus war besiegelt. Doch die Anhänger klatschten und johlten: Manu Ginobili, eines ihrer größten Idole, schritt in Richtung Bank. Es könnten seine letzten Sekunden in der NBA gewesen sein.

Die Absurdität dieser Szene spricht sowohl für den Menschen und Basketballer Emanuel David Ginobili Maccari als auch für die Klasse der Golden State Warriors. Einerseits ist Ginobili ein Spieler, der die vergangenen 15 Jahre der Spurs, ja, der gesamten NBA, mit geprägt hat und dafür gebührende Anerkennung erhielt. Andererseits hatte Golden State bereits früh klar gemacht, dass es mit einer Serie auf Augenhöhe ohnehin Essig war. Zu dominant trat das Team rund um das Superstar-Quartett Curry, Durant, Green und Thompson auf.

Verletzungspech als Nackenschlag

Die Spurs waren bereits als klarer Außenseiter in die Serie gegangen, nach einigen harten Rückschlagen war das Team nicht einmal mehr zu ernsthafter Gegenwehr in der Lage. Mit Kawhi Leonard verletzte sich der beste Spieler des Teams gleich im ersten Spiel schwer, mit Tony Parker und David Lee fielen zwei weitere Leistungsträger aus.

In dieser Verfassung waren die Spurs kein Gegner für Golden State - wer könnte es ihnen übel nehmen? "Sie haben mit Klasse gewonnen, ich ziehe meinen Hut vor ihnen. Einfach herausragende Arbeit", zollte Head Coach Gregg Popovich dem Gegner unmittelbar nach dem Spiel Respekt. Pau Gasol gestand sogar, noch nie ein Team auf dem Level der Warriors gesehen zu haben. Interessante Worte aus dem Mund eines zweimaligen NBA-Champions.

Nicht nur ungeschlagen, sondern ungeprüft

In den diesjährigen Playoffs entspräche allerdings auch alles andere als diese Darstellung nicht der Wahrheit. Die Warriors ziehen nicht nur ungeschlagen, sondern geradezu ungeprüft, in die Finals ein. Bereits jetzt, bevor auch nur eine Sekunde der Finals gespielt wurde, weist das Team das beste Playoff-Net-Rating aller Zeiten auf. Leonard-Verletzung hin oder her, das ist zweifelsohne beeindruckend!

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All die Rekorde und dominanten Vorstellungen wären allerdings nichts wert, sollte am Ende das Saisonziel verpasst werden. Alles andere als der zweite Titel innerhalb von drei Jahren wäre eine bittere Enttäuschung, das steht seit der Entscheidung von Durant, sich den Warriors anzuschließen, fest. Und: Eigentlich soll nicht nur der Titel her, Rache soll am besten gleich mit serviert werden!

"Wir wollen gegen Cleveland spielen"

"Wir wollen gegen Cleveland spielen", erklärte Teambesitzer Joe Lacob nur Minuten nach dem Sieg über die Spurs. "Wir waren letztes Jahr das bessere Team, aber sie haben gewonnen. Wir brauchen eine Chance, dorthin zu gehen und das zu beweisen." Der verpasste Titel trotz einer 3:1-Führung nagt noch immer an dem Team. Eine bessere Therapie als eine Revance gegen die Cavs erscheint da kaum vorstellbar.

Eine Serie zwischen Cleveland und Golden State würde obendrein ein weiteres interessantes Narrativ bereit halten: Aufgrund der gesundheitlichen Probleme von Head Coach Steve Kerr übernahm dessen Assistent Mike Brown in den vergangenen neun Spielen dessen Aufgaben. Mike Brown, der mit Cleveland in den NBA Finals 2007 von den Spurs gesweept wurde. Mike Brown, der von den Cavaliers in vier Jahren gleich zwei Mal entlassen wurde. Auch er könnte einer Serie gegen sein Ex-Team also ganz besonders motiviert entgegenblicken.

Ungewisse Zukunft

Die kommenden Aufgaben und Ziele der Spurs sehen derweil deutlich nebliger aus. Das klare Playoff-Aus der so erfolgsverwöhnten Franchise sollte man nicht überbewerten. Den Ausfall eines Spielers wie Leonard hätte wohl kein Team der Liga wegstecken können. Mit Ausnahme der Warriors vielleicht. Logisch.

Mit the Klaw verfügt San Antonio über einen Baustein, wie ihn sonst kaum ein Team in der Liga hat. Um diesen herum mehren sich allerdings die Fragezeichen: Ginobili könnte seine Karriere beenden, an Tony Parker und Gasol nagt der Zahn der Zeit und auch LaMarcus Aldridge, der zweite Franchise Player des Teams, steht kurz vor seinem 32. Geburtstag.

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Nach dem Rücktritt von Team-Legende Tim Duncan schreitet das Ende der Ära dieser wohl erfolgreichsten Franchise dieses Jahrtausends weiter fort. Trübsal muss in Texas nicht geblasen werden, dazu hat man in Leonard einen viel zu guten Eckpfeiler, doch die Zukunft ist ungewiss.

"Manu ist ein erwachsener Mann. Er wird wissen, was das Beste für ihn und seine Familie ist. Wir haben ihn heute aus Respekt starten lassen. Das war der Grund", schilderte Popovich nach dem Aus seinen Gedankengang. "Vor dem Spiel hat er gesagt, dass er nicht weiß, ob es sein letztes sein wird. Und ich wollte nicht die Möglichkeit verpassen, ihn für seine Selbstlosigkeit in all den Jahren zu ehren. Er ist ein Hall of Famer, der zugestimmt hat, von der Bank zu kommen. Und damit ist er ein großer Teil unseres Erfolgs in den letzten Jahren." Ginobili könnte im kommenden Jahr nicht mehr da sein. Wie es mit dem Erfolg aussieht, wird sich dann zeigen.

Das Playoff-Bracket im Überblick