NBA

Der Scorer und der Freak

Von Raman Rooprail
Jabari Parker (l.) ist der Durchbruch bei den Milwaukee Bucks gelungen
© getty

Die Milwaukee Bucks spielen eine durchwachsene Saison, dennoch verfügen sie mit Giannis Antetokounmpo über eine der Attraktionen der Liga. Im Schatten des Greek Freaks geht wiederum die starke Entwicklung von Jabari Parker teilweise völlig unter. Der zweite Pick des Drafts 2014 hat sich nach dem Kreuzbandriss in seiner Rookie-Saison zurückgekämpft und sieht mittlerweile wie ein künftiger Star aus.

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15.12.2014. Phoenix Suns vs. Milwaukee Bucks. Anfang des dritten Viertels läuft Jabari Parker nach einem Defensiv-Rebound Coast-to-Coast das Parkett runter und rasselt mit P.J. Tucker zusammen. Offensivfoul. Doch das spielt in diesem Moment keine Rolle mehr.

Der Rookie starrt ungläubig auf sein linkes Knie und tastet es ab. Seine Teamkollegen wollen ihm hochhelfen, doch Parker lehnt ab. Dann folgen Selbstgespräche und dem damals 19-Jährigen ist wohl schnell klar, dass sein Knie die Aktion nicht einwandfrei überstanden hat. Nach mehreren Minuten wird er in die Umkleidekabine getragen.

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Die Bucks gewannen die Partie durch einen verrückten Buzzer-Beater, doch für Jabari Parker war es dennoch die bitterste Nacht seiner noch jungen Karriere. Die Diagnose folgte wenige Tage später. "Torn anterior cruciate ligament", zu Deutsch: Riss des vorderen Kreuzbandes. Die Saison des Rookie-of-the-Year-Kandidaten war gelaufen.

Der lange Weg zurück

Nach einer monatelangen Reha schaffte er es fast pünktlich zum Start der nächsten Spielzeit wieder auf den Court. Jason Kidd freute sich auf die neue Saison mit seinem wiedergenesenen Youngster. "Seine Verletzung ist auskuriert. Er sieht auf dem Court gut aus. Hoffentlich kann er im Laufe der Saison eine größere Rolle bei uns bekommen."

Parker konnte die Erwartungen seines Coaches erfüllen. Ab Mitte November 2015 konnte er jedes Spiel bestreiten und legte ähnliche Werte wie in seiner ersten Saison auf. Die erste vollständige Saison konnte Parker mit ordentlichen 14 Punkten und 5 Rebounds im Schnitt abschließen, wenngleich er defensiv noch klare Defizite offenbarte.

Nachdem er vor der laufenden Saison erstmals auch die Vorbereitung komplett mitmachen konnte, zeigt er derzeit sein wahres Potenzial. Der 21-Jährige nimmt sich mittlerweile fast sechs Würfe mehr als in seiner Rookie-Saison, steht dabei aber nur fünf Minuten länger auf dem Feld als vor zwei Jahren. Die Effizienz hat sich seitdem dennoch knapp erhöht - momentan liefert er 20,1 Punkte, 6,1 Rebounds und 2,8 Assists bei einer True Shooting Percentage von 56 Prozent. Die Voraussagen von "damals" scheinen sich nach und nach zu bewahrheiten.

High-School-Dominanz

Parker machte sich schon an der High School einen Namen. Er war der erste Spieler, der als Freshman beim Simeon Varsity Team starten durfte. Der Forward wurde schnell Führungsspieler in seiner Mannschaft und konnte in seinen vier Jahren an der High School in jedem Jahr die nationale Meisterschaft gewinnen. Zum Dank wurde er als bester High-School-Spieler des Landes ausgezeichnet - und die Colleges der USA lagen ihm zu Füßen.

Seine Wahl fiel schließlich auf Duke. Auch dort konnte der Sohn des ehemaligen NBA-Spielers Sonny Parker überzeugen, wenngleich er den Status des unangefochten besten Talents in einem starken Jahrgang mit unter anderem Andrew Wiggins und Joel Embiid verlor. Nichtsdestotrotz wurde er hinter Doug McDermott zweiter in der Wahl zum besten College-Spieler 2014 und wurde ins All-American First-Team gewählt.

Parker meldete sich folgerichtig bereits nach seinem ersten Jahr bei Duke für den Draft an und galt dort als komplettester Offensivspieler. Das sah auch Bill Simmons so: "Jabari Parker ist der sicherste Pick in diesem Jahrgang. Offensiv kann er in der NBA sofort einschlagen", meinte der (damalige) ESPN-Experte vor der alljährlichen Zeremonie in New York.

Die Bucks waren lange auf der Suche nach einem effektiven Scorer, dem man in kritischen Phasen den Ball geben kann und der auf nahezu jede Art und Weise Punkte erzielen kann - und genau dieser ist Parker mittlerweile auch auf NBA-Niveau. Neben seinen Stärken aus dem Low-Post ist auch sein Zug zum Korb gefährlich, außerdem trifft er solide 37,3 Prozent von Downtown. Vor allem ist er konstant: Nach 48 Saisonspielen stehen nur vier mit einer einstelligen Punkteausbeute zu Buche.

Rosige Zukunft

Doch Parker fällt mit seiner Spielweise in Millwaukee nicht sonderlich auf. Das liegt zum einen an dem eher kleineren Markt in Milwaukee - aber der Hauptgrund hört natürlich auf den Namen Giannis Antetokounmpo. Der 22-Jährige führt Milwaukee in Punkten, Assists, Rebounds, Steals und Blocks an und ist der Go-to-Guy in der Crunchtime.

Und sein Spiel ist "lauter" - noch nie gab es einen so großen Spieler, der sich dermaßen grazil über den Court euro-steppte und dann auch noch auf einmal zum Point Guard umgeschult wurde. Da kann ein bodenständiger Scorer wie Parker trotz gelegentlicher Monster-Dunks schon einmal etwas untergehen.

Giannis Antetokounmpo: LeBrons wahrer Thronfolger

Der steile Aufstieg des Greek Freak zieht richtigerweise alle NBA-Fans in seinen Bann, aber man darf ruhig erwähnen, dass es die Kombination der beiden Spieler ist, die die Bucks von einer rosigen Zukunft träumen lassen kann. Beide sind schon jetzt ziemlich weit in ihrer Entwicklung und doch längst noch nicht an der Spitze ihres Potenzials angekommen.

Und während Antetokounmpo schon in New Orleans zum ersten Mal beim All-Star Game auflaufen wird, könnte dies auch bei Parker früher oder später passieren: "Er ist an der Schwelle zum Star, zu einem der besten", sagte Coach Jason Kidd zu USA Today. "Er muss sich seine Streifen noch verdienen, aber das ist gut. Er will nichts geschenkt haben."

Talking Playoffs?

Die "Streifen" verdient man sich bekanntlich am ehesten in den Playoffs. Und auch wenn die Bucks zuletzt schwächelten und vier Spiele in Folge verloren, haben sie nur zwei Siege weniger auf dem Konto als die achtplatzierten Hornets. Damit war vor der Saison nicht unbedingt zu rechnen, als sich mit Khris Middleton der zuvor konstanteste Spieler am Oberschenkelmuskel verletzte. Doch Parker und Giannis hielten die Bucks im schwachen Osten zumindest in der Konversation - und nun soll die Rückkehr von Middleton in Bälde möglich sein.

In Milwaukee sieht die Zukunft daher durchaus rosig aus. Die zahlreichen jungen Bucks-Talente entwickeln sich unter Kidd prächtig und könnten in wenigen Jahren oben angreifen. Wenn die Mannschaft über die kommenden Jahre zusammen gehalten werden kann, ist man durch die Bank weg solide und athletisch besetzt, mit Malcolm Brogdon scheint dem Team zudem schon wieder ein Draft-Steal gelungen zu sein.

Die Konkurrenz muss zudem fürchten, dass die Entwicklung von Antetokounmpo und Parker noch lange nicht abgeschlossen ist und die beiden in nicht allzu ferner Zukunft einer der gefährlichsten One-Two-Punches der Liga werden können. Der Grieche kommt mit der medialen Aufmerksamkeit bestens zu Recht - und das passt auch für Parker, der sich ohnehin lieber auf sein Spiel konzentriert.

"Es wird Zeit brauchen", sagt Parker selbst. "Je mehr Spiele ich absolviere, je mehr Erfahrungen ich sammle, desto besser werde ich werden. Ich wachse und entwickle mich mit jedem Spiel weiter. Und ich bin einfach heiß darauf, zu lernen." Dieser Zusammenstoß mit P.J. Tucker am 15. Dezember 2014 ist längst vergessen.

Jabari Parker im Steckbrief

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