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Land unter

Stephen Curry verließ die Quicken Loans Arena nach seinem Rauswurf hängenden Kopfes
© getty

Die Golden State Warriors haben ihren 3-1 Vorsprung in den Finals verspielt und nach Spiel 5 in Oakland nun auch Spiel 6 in Cleveland verloren. Dabei geschah etwas Einmaliges und zu allem Überfluss verletzte sich auch noch Edelverteidiger Andre Iguodala. In der Bay Area ist Land unter, doch Golden State mahnt vor Game 7 (Montag ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) zur Gelassenheit.

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"Wir haben nicht wegen der Referees verloren. Cleveland war in allen Belangen besser und hatte es verdient, zu gewinnen."

Warriors-Coach Steve Kerr machte bei der Pressekonferenz nach dem Spiel zwar kurz seinem Ärger über die zahlreichen Pfiffe gegen Stephen Curry Luft, doch er rückte den Sieg der Cavs sogleich in das richtige Licht. Und seine Analyse traf den Nagel auf den Kopf: Cleveland war einfach besser.

Nicht nur in den statistisch auswertbaren Kategorien wie Wurfquote, Rebounds, Assists, Steals und Ballverlusten. Nein, auch in den vielleicht noch wichtigeren Aspekten. Konzentration, Intensität und Fokus.

Ego-Thompson

Während die Cavaliers gleich zu Beginn mit Dampf davonzogen, zeigten die Warriors Nerven. Selten kamen die zwei Gesichter des Shooting-Teams aus Kalifornien so deutlich zum Vorschein wie in Game 6. Stellvertretend dafür stand Klay Thompson.

In der ersten Halbzeit warf er und warf er - und er warf vor allem daneben (0/7 Dreier). Er wollte sein Glück eindeutig zu sehr erzwingen. Das sonst so hochgelobte Ball Movement der Dubs litt stark unter Thompsons Shooting-Drang, der durch Currys frühe, foulbedingte Abstecher auf die Bank noch verstärkt wurde.

Doch im dritten Viertel platzte der Knoten. Zu einem Zeitpunkt, an dem kaum noch jemand in der gesamten Arena dran geglaubt hatte. Ein Dreier fiel - und Thompson war heiß. Gemeinsam mit Curry führte er die Warriors wieder in Schlagdistanz und bis auf sieben Punkte heran. Doch LeBron James ließ das Comeback nicht zu und erzielte im Alleingang 18 Punkte in Serie. Mit einem spektakulären Block gegen Curry und anschließendem Trash Talk ließ er den MVP wissen, wer seiner Ansicht nach der beste Spieler des Planeten ist.

Menschlicher als menschlich

Es war ein Spiegelbild von Currys Finals. Sie waren gut, keine Frage. Aber das Außerirdische, das ihn über die gesamte Saison ausgezeichnet und offene Münder bei Fans und Gegenspielern zurückgelassen hatte, es fehlt in der Serie gegen die Cavs.

Curry war in Game 6 zwar treffsicher von Downtown (6/13 Dreier), aber seit seinen wahnsinnigen Leistungen in Spiel 6 und 7 gegen die Oklahoma City Thunder lässt der MVP seine Eleganz, seine Leichtigkeit und seinen Flow vermissen.

Die Cavaliers machen Curry über die Serie jeden seiner Cuts so schwer wie möglich, halten ihn, stoßen ihn und zerren an ihm. Und doch erarbeitete sich Curry in Spiel 6 einige gute Möglichkeiten. Aus dem Dribbling bestrafte er jede kleinste Unaufmerksamkeit der Cleveland-Defense mit einem Wurf oder Drive - aber mehr als 30 Punkte vermochte auch er allein nicht zu erzielen.

Kein Hilfe weit und breit

Mit Ausnahme von Thompsons zweiter Hälfte fiel der Support mehr als dürftig aus. Leandro Barbosa war mit 14 Punkten (4/6 FG) noch der beste Helfer und der einzige Spieler in Double Figures, defensiv ist er aber nicht gerade eine Wand. Aber was war mit dem Rest des Teams?

Harrison Barnes setzte einen offenen Wurf nach dem nächsten daneben (0/8 FG), der sonst so ruhige Shaun Livingston nahm fast nur überhastete Abschlüsse (1/6 FG). Draymond Green wirkte nach seiner Suspendierung gehemmt und längst nicht so aggressiv wie sonst.

Sein Spiel steht und fällt wie kaum ein anderes mit seinem inneren Antrieb. Wie schon in Spiel 4 gegen OKC hielt sich Green enorm zurück, was sich auf dem Feld negativ auswirkte. Teilweise musste man zweimal hinschauen, ob er auch wirklich auf dem Court stand. Präsenz? Fehlanzeige.

Und so machte es Golden State den Cavs leicht, sich auf die beiden Starspieler Curry und Thompson zu konzentrieren. Als beide in Hälfte zwei heiß waren, stand Cleveland ihnen auf den Füßen, doch Barnes und Co. wussten die sich öffnenden Räumen nicht zu nutzen.

Abrissbirne Tristan

Doch die Offensive war nur ein Teil des Problems. Defensiv tat den Warriors vor allem das Fehlen von Andrew Bogut weh. Seine Rim Protection wurde schmerzlich vermisst, Festus Ezeli und Anderson Varejao sahen gegen den bärenstarken Tristan Thompson (15 Punkte, 6/6 FG, 16 Rebounds) keinen Stich.

Für Bogut in der Startformation stand Andre Iguodala, doch der wertvollste LeBron-Verteidiger zog sich in Halbzeit eins eine Zerrung im Rücken zu. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Kabine kam er zwar zurück, seine Bewegungsfreiheit war aber stark eingeschränkt. Auch im Kollektiv waren die restlichen Warriors nicht in der Lage, den King zu stoppen.

Es gab also genügend Frustpotenzial für Curry, dessen Ausraster aber ein absolutes Novum darstellte. Der Halle verwiesen wurde der MVP in seiner Karriere bis dato noch nie, sechs Fouls kassierte er zuletzt 2013.

"Würde ich in jeder Saison nehmen"

Trotz Greens Suspendierung und Currys Mundschutz-Wurf misst Coach Kerr den jüngsten Gefühlsausbrüchen keinerlei größere Bedeutung zu: "Ich mache mir überhaupt keine Sorgen über die Emotionen in unserem Team." Stattdessen stellte er klar: "Wir haben ein Spiel zu Hause, um die Championship zu gewinnen. Das würde ich in jeder Saison nehmen. Wir sind in einer Situation, in der 29 andere Teams in dieser Liga gerne wären."

Curry war da in seiner Aussage schon etwas differenzierter und sprach auch Negatives an: "Die Dinge sind trotz der starken Regular Season nicht besonders gut für uns gelaufen. Die Playoffs waren nicht einfach und nichts in den letzten Wochen war perfekt. Natürlich ist das frustrierend", so der zweifache MVP.

Wie es sich für einen Leader gehört, richtete Curry den Blick aber gleich im nächsten Moment wieder nach vorn: "Wir haben uns mit unserer Arbeit die Möglichkeit geschaffen, ein Game 7 zu Hause gewinnen zu können. Darüber muss man sich freuen. Und dabei ist es völlig egal, wie die letzten beiden Spiele gelaufen sind."

Wäre es eine Enttäuschung, nach der 73-Siege-Saison ohne Titel zu bleiben? "Zu 100 Prozent", so die prompte Antwort von Thompson: "Es war von Anfang an klar: Entweder wir gewinnen den Titel oder die Saison ist ein Flop. Es fühlt sich an, als hätten wir diese Serie schon vor langer Zeit beenden müssen, aber nun stehen wir vor einem Game 7."

Der Champ wankt

Das Momentum gehört nach zwei Siegen in Serie ganz klar den Cavaliers, die mit breiter Brust nach Oakland reisen. In der Bay Area ist nach den zwei kostbarsten Pleiten der Saison Land unter und das Schiff der Warriors wankt bedenklich.

Mit Iguodala ist neben Bogut ein weiterer Mann über Bord, die Dubs können nur hoffen, dass er in Spiel 7 wieder einsatzbereit sein wird. Denn bei LeBrons aktuellem Selbstbewusstsein werden die Dubs Iggy in der Defense dringender brauchen denn je.

"Wir haben noch ein Spiel, um unser Ziel zu erreichen - und das zu Hause", so Thompson, der mit seinem abschließenden Statement versuchte, Entschlossenheit zu demonstrieren: "Sonntag kann gar nicht früh genug kommen. Ich wünschte, das Spiel wäre schon morgen. Es wird für jeden einzelnen von uns ein großer Moment in der Karriere."

Daran besteht kein Zweifel. Game 7 (Montag ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) wird episch. Aber wenn Curry, Thompson und Green ihr Mojo nicht wiederfinden und Golden State keine Antwort für James und Irving parat hat, wird es für niemanden im Warriors-Team ein positiver Höhepunkt der Laufbahn sein.

Der Spielplan im Überblick

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