NBA

Willkommen in der Achterbahn

Nach zwei Jahren Pause stehen die Portland Trail Blazers vor ihrer Rückkehr in die Playoffs
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In den ersten Saisonmonaten überraschten die Portland Trail Blazers die gesamte NBA und führten zwischenzeitlich die starke Western Conference an. Eine Schwächephase zu Jahresbeginn ließ die Blazers jedoch Gefahr laufen, sogar die Playoffs zu verpassen. Zwar hat Portland seinen Rhythmus mittlerweile wiedergefunden, der Weg zum absoluten Top-Team ist jedoch noch weit.

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Quicken Loans Arena, Cleveland, 17.12.2013: Die Uhr zeigt noch 2,4 Sekunden. Portlands Point Guard Damian Lillard hat den Ball an der Dreierlinie. Er täuscht den Drive gegen Alonzo Gee an und nimmt den Wurf zum Sieg. Drin! Portland gewinnt gegen die Cavs mit 119:116. Es ist der 22. Sieg im 26. Spiel für die Blazers und der zweite Game-Winner von Lillard innerhalb von drei Tagen. Die Mannschaft von Terry Stotts spielt aufregenden Basketball und thront an der Spitze der Western Conference.

Amway Center, Orlando, 25.03.2014: Nicolas Batum schüttelt resignierend den Kopf als er mit hängenden Schultern das Spielfeld verlässt und in der Kabine der Blazers verschwindet. Soeben kassierte Portland die achte Niederlage in den letzten elf Spielen - diesmal in Orlando. Die Magic sind das drittschlechteste Team der NBA und hatten zuvor seit neun Spielen nicht gewonnen. Portland rutscht in der Tabelle immer weiter nach unten. Der Vorsprung auf einen Nicht-Playoff-Platz beträgt nur noch zwei Siege.

Moda Center, Portland, 31.03.2014: LaMarcus Aldridge ergreift das Wort. Nach dem wichtigen Heimsieg gegen die Memphis Grizzlies steht der Allstar in der Mitte des Blazer-Huddles und macht seine Mitspieler gleich für das nächste Spiel heiß: "Kommt schon, wir müssen jetzt dran bleiben! Weiter geht's!" Mit 28 Punkten führte Aldridge sein Team nach den Erfolgen gegen Atlanta und Chicago zum dritten Sieg in Folge. Backup-Point-Guard Mo Williams brachte es nach dem Big Point auf den Punkt: "L.A. hat uns wieder gezeigt, was wir spielen müssen und vor allem wie wir spielen müssen." Die Trail Blazers sind wieder in der Spur und der Playoff-Einzug nach zweijähriger Abwesenheit so gut wie gesichert.

Nach der Achterbahnfahrt der vergangenen Monate nicht zwingenden selbstverständlich. Dabei begann Portlands Saison überraschend gut. Keiner hatte die Trail Blazers wirklich auf der Rechnung, doch gleich zu Beginn schlug das Team aus dem Nordwesten die San Antonio Spurs und setzte damit ein erstes Ausrufezeichen.

Euphorie pur

Nach einer Serie von elf Spielen ohne Niederlage erklomm Portland am 1. Dezember zum ersten Mal die Spitze der Western Conference. Mit der folgenden Monatsbilanz von zwölf Siegen bei nur vier Niederlagen unterstrichen die Blazers, dass sie zu Recht dort oben standen. Die Game-Winner von Damian Lillard gegen Detroit und Cleveland bildeten die Höhepunkte von Portlands furiosem Ritt auf der Euphorie-Welle.

Bis zum Jahreswechsel hatten die Blazers alle Top-Teams der Liga geschlagen - mit Ausnahme von Miami. Aber auch gegen den Meister war Portland auf dem besten Weg, bis Chris Bosh in der letzten Sekunde einen Dreier aus fast neun Metern zum 108:107 für die Heat versenkte.

Zurück in der Realität

Es folgte der Januar - und mit ihm der Einbruch. Zwar schlugen die Blazers fast alle schwachen Teams, gegen bessere Mannschaften setzte es hingegen eine Niederlage nach der anderen. In sechs Wochen ging Portland bei Duellen mit anderen Playoff-Anwärtern nur mickrige vier Mal als Sieger vom Parkett - und das in zwanzig Begegnungen!

Plötzlich geriet sogar die eigentlich sicher geglaubte Playoff-Teilnahme zusehends in Gefahr. Nach drei Pleiten in Folge spürte Portland bereits den Atem der Verfolger aus Memphis, Phoenix und Dallas, die sich bis auf zwei Siege an die Blazers herangekämpft hatten.

Zur rechten Zeit aufgewacht

Rip-City benötigte neue Impulse, Rip-City bekam neue Impulse. Beflügelt durch die Rückkehr von Power Forward LaMarcus Aldridge, der einige Spiele aufgrund von Rückenproblemen ausgesetzt hatte, gelangen Portland bei den Chicago Bulls (91:74) sowie den Atlanta Hawks (100:85) gleichsam wichtige wie überzeugende Auswärtserfolge.

Oben drauf gab es den wertvollen Sieg gegen den direkten Konkurrenten aus Memphis (105:98) und einen Erfolg gegen die zurzeit unberechenbaren Lakers (124:112). Bei noch sechs ausstehenden Spielen und einem Polster von 4,5 Siegen auf Rang neun sollte Portland damit sicher für die Playoffs planen können - zumal die Suns, Grizzlies und Mavericks alle noch in direkten Duellen gegeneinander antreten müssen.

Große und kleine Baustellen

Dennoch, zum absoluten Top-Team fehlt den Blazers noch ein weitaus größeres Stück, als es der überzeugende Saisonstart hätte vermuten lassen. Die Gründe sind vielfältig.

So legt LaMarcus Aldridge nach überstandenen Rückenproblemen wie gewohnt starke Zahlen auf, bekommt mittlerweile jedoch zu wenig Unterstützung. Vor allem Lillards hat nach seinem furiosen Start merklich abgebaut: Die März-Wurfquoten von 39,6 Prozent aus dem Feld und 31,6 Prozent von der Dreierlinie waren seine schlechtesten der gesamten Saison. Zum Vergleich: Im Dezember traf er knapp 44 Prozent aus dem Feld und 47,2 Prozent von jenseits des Perimeter.

Hilfe, wir werden verteidigt

Als wäre das allein noch nicht genug bekam auch Portlands eigentlich bester Scharfschütze plötzlich Probleme mit dem Wurf. Traf Wesley Matthews im Dezember noch 56 Prozent aus dem Feld, waren es im Februar nur noch 36 Prozent. Gegnerische Coaches hatten offenbar genau hingesehen und ihre Spieler angewiesen, den Shooting Guard doch bitte weniger häufig frei von Dowtown abschließen zu lassen.

Ähnlich erging es Damian Lillard: Spätestens seit seiner Allstar-Nominierung wurde der letztjährige Rookie of the Year als einer der Top-Point-Guards der Liga ernst genommen und dementsprechend intensiv verteidigt.

Vom Top zum Flop

Aber nicht nur Lillard und Matthews bauten ab, sondern auch das Team insgesamt: Bis zum Allstar-Game erzielte die Truppe aus Rip-City ligaweit die meisten Punkte pro Spiel (107,9). Seitdem sind es nur noch 103,5 Punkte, im März gar nur 102,1 (NBA-Rang 15).

Vor allem der Dreier will bei den Blazers nicht mehr fallen - in der ersten Hälfte der Saison eine ihrer gefährlichsten Waffen. Im vergangenen Monat traf Portland gerade einmal 34 Prozent der Versuche von Downtown. Das ist der achtschlechteste Wert aller Mannschaften. Auch generell ist die Feldwurfquote seit dem All-Star-Break unterirdisch: Nur 43,6 Prozent der Würfe finden ihren Weg durch die Reuse (Rang 26).

1500 lange Zweier

Die Hauptursache für die fehlende Konstanz ist Portlands wurflastige Spielweise. Kein anderes Team nimmt öfter den langen Jumpshot aus sechs bis sieben Metern, den bekanntlich ineffizientesten Wurf des Spiels. Über 1500 Versuche haben die Blazers bereits von kurz vor der Dreierlinie abgefeuert, das sind rund 400 mehr als der Ligaschnitt.

Diese Eindimensionalität ist das große Problem der Mannschaft von Terry Stotts. Zum einen hatten es die anderen Teams dadurch im Laufe der Saison relativ leicht, Verteidigungsstrategien gegen Portlands Offensivkonzept zu entwickeln und zum andern ist das Blazers-Spiel auch gegen die schlechteste Defense nur gut, wenn die Würfe auch fallen.

Durch die starke Ausrichtung auf den Jumper verwundert es auch nicht, dass Drives zum Korb bei den Trail Blazers nur vereinzelt zu notieren sind: Nur sechs Teams schließen seltener am Ring ab als Portland. Was der Mannschaft fehlt, ist ein echter Slasher, der den direkten Weg in die Zone sucht, Fouls zieht und die Verteidigung in Bewegung bringt.

Rebounds hui, Defense pfui

Positiv ist dagegen Portlands Arbeit am Brett: 46,2 Rebounds schnappen sich die Blazers pro Spiel und führen damit nach wie vor die Statistik an. Center Robin Lopez ist der drittbeste Offensiv-Rebounder der Liga und ermöglicht seiner Mannschaft so regelmäßig zweite Wurfchancen.

Defensiv läuft es dagegen bei weitem nicht wie gewünscht: 102,6 Punkte pro Spiel erlaubt Portland seinen Gegnern (NBA-Rang 22) und auch Werfen dürfen die anderen Teams nach Belieben. Knapp 88 Wurfversuche lassen die Trail Blazers zu - nur die Rockets und die Lakers sind schlechter.

Die Bank, die keine ist

Eine andere Baustelle ist das Bench-Scoring: Magere 24,4 Punkte erzielen Portlands Reservisten in dieser Saison und stehen damit relativ deutlich am Ende des Rankings. Die Ergänzungsspieler der Spurs liegen mit fast doppelt so vielen Punkten auf Platz eins (45,4).

Grundsätzlich ist die Blazers-Bank mit vielen jungen Spielern und ein paar alten Hasen gut zusammengestellt. Thomas Robinson, C.J. McCollum, Joel Freeland, Will Barton, Victor Claver, Meyers Leonard und Allen Crabbe sind alle erst maximal im zweiten NBA-Jahr und haben den Großteil ihrer Entwicklung noch vor sich. Vor allem Robinson (5 Punkte, 4 Rebounds) und McCollum (5 Punkte) konnten ihr Potenzial bereits andeuten.

Der sechste Mann ist Routinier Mo Williams (10 Punkte, 4 Assists), der zusammen mit Dorell Wright und Earl Watson die Oldie-Fraktion auf der Bank bildet. Aufgrund der unproduktiven Reservisten stehen alle Starter im Schnitt 35 Minuten auf dem Parkett. Bei 82 Saisonspielen plus Playoffs ist das eigentlich ein bisschen zu viel.

Erstrunden-Matchup wohl gegen Houston

Allen Statistiken zum Trotz: Die Blazers spielen eine gute, wenn auch inkonstante Saison. Können sie Rang fünf im Westen bis zum Schluss halten, steht ihnen in Runde eins voraussichtlich das Duell mit den viertplatzierten Houston Rockets bevor.

Diesen Gegner wünscht sich wohl jedes Team aus der unteren Playoff-Hälfte, da Houston aufgrund eines Meniskusrisses längere Zeit auf Patrick Beverley, einen der ligaweit besten Verteidiger auf der Eins, verzichten muss. Vor allem Portland könnte davon profitieren, denn wer wäre bei den Rockets sonst noch in der Lage, Damian Lillard zu verteidigen? James Harden, Jeremy Lin oder Rookie-Point-Guard Isaiah Canaan sicher nicht.

Der Kurs stimmt

Wenngleich die Portland den von vielen Experten prophezeiten Einbruch erlebte, ist das Erreichen der Playoffs der erste Etappenerfolg für das aufstrebende Team aus Oregon. Für den ganz großen Wurf wird es dieses Jahr noch nicht reichen. Dazu fehlt es den Blazers noch an der nötigen Konstanz.

Mit Aldridge, Lillard, Batum, Matthews und dem in der Off-Season verpflichteten Robin Lopez hat Portland nach Jahren der Mittelmäßigkeit aber endlich wieder einen starken Kern zusammen. Und abgesehen von Earl Watson stehen alle Spieler auch in der nächsten Saison unter Vertrag (Mo Williams besitzt eine Spieler-Option). Dass Portland die Team-Option bei Robin Lopez zieht, steht außer Frage.

Wenn das Management die richtigen Ergänzungsspieler findet, Terry Stotts ein wenig an der Defense feilt und Damian Lillard in seinem dritten Jahr noch einen weiteren Schritt nach vorne macht, dürfte den Blazers in den kommenden Jahren ein weiterer Sprung gelingen. Und nicht nur das: Werden die vorhandenen kleinen Defizite ausgemerzt, könnte Portland in ein bis zwei Jahren zum Top-Team reifen und sogar um den Titel mitspielen.

Der NBA-Spielplan im Überblick