NBA

Wer ist noch mal wo gelandet?

Nichts Nerlens Noel! Die Cavs entschieden sich für Anthony Bennett (r.)
© getty

Ein denkwürdiger NBA-Draft 2013 ist Geschichte. Im Barclays Center zu Brooklyn wurden die verrücktesten Geschichten geschrieben - die Atmosphäre war elektrisierend, die Konfusion fantastisch. SPOX-Redakteur Florian Regelmann war beim Wahnsinn live dabei.

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19.30 Uhr Ortszeit - oder besser: Schocker-Zeit! Die Cleveland Cavaliers lancieren den Abend mit einem echten Schocker, indem sie sich an erster Stelle für Power Forward Anthony Bennett (UNLV) entscheiden. Wann ihnen das eingefallen ist, weiß niemand so recht. Bennett selbst scheint am meisten überrascht. Erste Kopfschüttel-Anfälle in der Arena. Bennetts Agent kann beim Kopfschütteln gleich mitmachen, er hatte bis kurz vorm Draft Angst, dass sein Spieler eventuell bis an Position 8 fallen könnte. Die war dann eher unbegründet...

Etwa eine halbe Stunde später: "With the 5th Pick in the 2013 NBA Draft, the Phoenix Suns select Alex Len, Center, Maryland." Commissioner David Stern hat seinen Satz noch gar nicht beendet, da steht Nerlens Noel die Fassungslosigkeit schon wieder ins Gesicht geschrieben.

Gerade ging mit Cody Zeller ein Big Man nach Charlotte, jetzt kommt wieder ein Big Man vom Board, und wieder ist es nicht Noel. Was in seinem Kopf vorgehen muss, ist nicht schwer zu erraten. "Jetzt sind fünf Jungs vor mir gedraftet worden? Die spinnen doch alle!" Während Noels Familie aus Anstand jedes Mal Beifall spendet, wenn andere auf die Bühne marschieren dürfen, sitzt der potenzielle First Overall Pick aus Kentucky beinahe regungslos auf seinem Stuhl.

Immer wieder senkt er den Kopf, der Blick geht auf den Boden, er ist perplex. Kommunikation findet in der Familie Noel jetzt nicht mehr statt. Bloß nicht ansprechen, den Jungen. Noels Leiden sind eine der Geschichten der frühen Draft-Phase. Es ist völlig offensichtlich, dass einige GMs aufgrund von Noels Knieproblemen einen Rückzieher machen. "Das Knie sieht schlecht aus", heißt es von einem Team.

Wieder 5 Minuten später: Noel ist glücklich! Ihm entgehen am Ende 4,4 Millionen Dollar, aber an Position 6 ist es endlich soweit, New Orleans pickt den Center. Was Noel nicht weiß: sein Draft-Abend wird in der Folge nur noch verrückter. Denn New Orleans zieht ihn, aber New Orleans behält ihn nicht.

Noel hat vielleicht ein paar Minuten lang das Pelicans-Cappie auf, denkt über ein atemberaubendes Shot-Blocking-Duo mit Anthony Davis nach, da kann er es schon wieder vergessen. Denn er wird mal schnell nach Philadelphia getradet. Tja, so funktioniert das NBA-Business, das erfährt an diesem Draft Day nicht nur Noel.

Steal-Time: Sacramento muss sich mit dem No.7 Pick Kansas-Guard Ben McLemore schnappen. Es geht gar nicht anders. Die Kings konnten niemals ahnen, dass McLemore so spät noch zu haben sein würde. Jetzt haben sie wahrscheinlich einen zukünftigen All-Star in ihren Reihen.

Afro-Zeit: Die Boston Celtics picken an Position 16 technisch gesehen Center Lucas Nogueira. Der Brasilianer setzt sich die Cappie irgendwie auf seine Afro-Frisur, ein Bild für Götter. Das Barclays Center hat einen neuen Publikumsliebling.

Chaos-Zeit: Es geht Richtung Mitte der 1. Runde und es fällt schwer, den Überblick zu behalten. Dallas pickt Spieler A an Position 13 (Kelly Olynyk), tradet ihn gegen Spieler B an Position 16 (Nogueira) nach Boston. Spieler B behält Dallas aber auch nicht, sondern tradet ihn gegen Spieler C an Position 18 (Shane Larkin) nach Atlanta. Es ist der etwas komplizierte Weg zum Wunsch-Point-Guard...

Schröder-Zeit: Der große deutsche Moment ist da! Die Hawks draften Dennis Schröder an 17. Stelle. Excitement im SPOX-Headquarter!

Stern-Zeit: "Booooooooooooooooooooo!!!!!!!" Stern kennt das Spiel. Er marschiert auf die Bühne und sofort wird er von den Fans gnadenlos ausgebuht. Bei jedem verdammten Pick. Dieser Abend ist aber auch für ihn ein besonderer. Zum letzten Mal führt er als Commissioner durch den Draft, sein Stellvertreter Adam Silver wird ihn beerben.

Vielleicht ist es der feststehende Rücktritt, der Stern beflügelt, mit den Buhrufen zu spielen. "Ich kann Euch nicht hören?", ruft er in die Arena hinein. Oder auch gut: "In den USA sind Buhrufe ja ein Zeichen des Respekts." Stern weiß genau, was er mit solchen Sprüchen hervorruft - noch lautere Buhrufe.

Erst beim letzten Pick der ersten Runde und Sterns letztem Pick als Commish ändert sich die Stimmung. Er bekommt Standing Ovations, er bekommt "David! David!"-Sprechchöre - und er bekommt einen rührenden Besuch von Hakeem "The Dream" Olajuwon. Die NBA-Legende war im Jahr 1984 der erste Spieler, dessen Namen Stern beim Draft verkündete, jetzt schließt sich ein Kreis.

Im 84er Draft tummelten sich neben Olajuwon bekanntlich auch Herren wie Michael Jordan, Charles Barkley oder John Stockton. Vielleicht war es der beste Draft der Geschichte. Dass die Draft Class 2013 etwas schwächlich und deshalb unvorhersehbar daherkommt, trägt an diesem Abend zweifellos seinen Teil zum chaotischen Verlauf bei.

Ende Runde 1: Die Spurs machen an Position 28 noch schnell das, was sie immer machen. Sie draften brutal clever. Frankreichs Power-Forward-Talent und Hoop-Summit-Star Livio Jean-Charles geht zu den Spurs, wenig später ist die 1. Runde beendet. Und zwar mit einem Rekord. 12 internationale Spieler werden in der ersten Runde gezogen - gab es bislang noch nie.

2. Runde: Draft-Trade-Irrsinn! Ein Beispiel für den Wahnsinn gefällig? Bitte! Nate Wolters wird an 38 von Washington gezogen, dann nach Philly weitergegeben, und dann nach Milwaukee. Ricky Ledo wird an 43 von den Bucks gepickt, dann aber für Wolters zu den Sixers verkauft. Dann geht's via Atlanta nach Dallas. Noch Fragen?

2. Runde: No Harris! Elias Harris geht leer aus. Die letzten gezogenen Spieler heißen Bojan Dubljevic (Serbien) und Jannis Timma (Lettland). Wer?

Freitagfrüh, 0:20 Uhr Ortszeit: Als Silver nach 4 Stunden und 50 Minuten Verrücktheit die letzten der ca. 24 (!) Trades (Stand jetzt...) sowie den 60. und letzten Pick verkündet, brandet ein letztes Mal Jubel auf im Barclays Center. Die Arena ist zu diesem Zeitpunkt nur noch spärlich gefüllt. Mit letzter Kraft versucht eine Moderatorin noch einmal die Fans zum Tanzen zu animieren, ein bisschen Party ist auch noch drin. Alicia Keys und Jay-Z (Empire State of Mind) ertönen zum Abschluss, das muss sein in New York, dann leert sich die Halle im Eiltempo.

Gesprächsthemen gibt es auf dem Heimweg ja genug. Neben dem Draft wäre da vor allem der Blockbuster-Trade zwischen den Nets und Celtics. Parallel zum wahnsinnigen Draft noch ein wahnsinniger Trade, der Kevin Garnett und Paul Pierce mal eben nach Brooklyn bringt - völlig crazy, aber warum nicht?! Zu diesem Abend passt es.

Nach dem Draft: Unser Freund Nerlens Noel steht lange nach dem Draft noch in den Katakomben und gibt Interviews. Seine Stimme ist leise, er wirkt gezeichnet von den ganzen Ereignissen des Abends. Aber das Wichtigste: Er weiß, bei wem er jetzt am Ende gelandet ist.

So selbstverständlich ist das nicht. Läuft man durch die Arena, sieht man nur Leute, bei denen sich im Kopf alles zu drehen scheint. Eric Stangel, seines Zeichens Schreiber für Late-Night-Ikone David Letterman, fasst es in einem genialen Tweet am besten zusammen.

"Ich habe den gesamten NBA-Draft angeschaut und ich könnte für mein Leben nicht sagen, wo zur Hölle alle gelandet sind..."

Fazit: Mehr Entertainment und fantastische Konfusion geht nicht! Kein Mensch wusste, was als Nächstes passiert. Es war grandios. Und schon jetzt scheint klar, dass auch 2014 speziell wird. Denn dann gibt es mit dem kommenden Kansas-Freshman Andrew Wiggins einen klaren Überflieger-Kandidaten. Sollte Wiggins dann tatsächlich der nächste First Overall Pick werden, wäre er nach Bennett der zweite Kanadier in Folge.

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