NBA

Nicht alles Gold, was glänzt

Von Philipp Dornhegge
Steve Nash ist der Anführer der Suns, aber Neuzugang Channing Frye unterstützt ihn nach Kräften
© Getty

Nach der blamablen Vorsaison sind die Phoenix Suns furios in die neue Spielzeit gestartet. Doch die jüngste Pleite gegen die Lakers zeigt, dass die alten Probleme nicht behoben sind.

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"Ich kann mir diese Leistung wirklich nicht erklären", sagte ein enttäuschter Interimstrainer Alvin Gentry am 5. April 2009, nachdem seine Phoenix Suns gerade mit 140:116 von den Dallas Mavericks vom Platz gefegt wurden.

Diese bittere Schlappe bedeutete das Aus für das Team aus Arizona im Kampf um die Playoff-Plätze, Phoenix musste erstmals nach fünf Jahren wieder zuschauen, als 16 andere Teams um den NBA-Titel spielten. Nach knapp einem Jahr war das Experiment, mit Rookie-Coach Terry Porter aus den Suns ein Halfcourt-Team zu machen, endgültig gescheitert.

Doch nicht nur die Spielphilosophie passte nicht: Finanziell waren dem Klub die Hände gebunden, mit teuren Verträgen hatte sich das Management um Steve Kerr praktisch handlungsunfähig gemacht. Zudem war Shaquille O'Neal, im Februar 2008 von den Miami Heat gekommen, ganz offensichtlich fehl am Platz.

Wie sollte auch ein Center, der seine besten Jahre hinter sich hatte und zu den langsameren Vertretern seiner Art zählte, mit einem Steve Nash zusammenspielen, der nur in einer Run-and-Gun-Offense richtig brilliert? Antwort: Gar nicht. Einzige Lösung: Shaq musste weg.

Youth Movement nach Shaq-Trade

Gesagt, getan: Shaq wurde nach Cleveland getradet, die neuen Spieler Sasha Pavlovic und Ben Wallace wurden umgehend aus ihren Verträgen gekauft, um Geld zu sparen. Eine kleine, aber feine Maßnahme, um Phoenix für die Zukunft fit zu machen.

Der Neuaufbau war eingeleitet, mit jungen Spielern planten die Suns für die Zukunft. Mit verhaltenem Optimismus ging es in die neue Saison. Nach dem ersten Sieg im ersten Saisonspiel gegen die L.A. Clippers erklärte Nash: "Wir wissen noch nicht, wo wir stehen, insofern war das sehr gut für unser Selbstvertrauen."

Selbstvertrauen, das ab sofort ins Unermessliche stieg. Siege gegen Miami, Boston und die Hornets folgten. Nach neun Spielen stand nur eine Niederlage gegen die Orlando Magic zu Buche. Und das mit Spielern wie Jared Dudley, Louis Amundson oder Neuzugang Channing Frye als Leistungsträgern.

System wichtiger als die Spieler

Aber gerade dieser Frye zeigte, dass es in Phoenix weniger um die Qualität eines Spielers, als vielmehr darum geht, wie gut er ins Suns-System passt. Grundvoraussetzungen: Lauffreudigkeit und Treffsicherheit von außen. Wer diese beiden Eigenschaften auf sich vereint, der wird seine Chance bekommen.

Und Frye, der nach vier Jahren bei den Knicks und Blazers schon auf dem absteigenden Ast war, zahlte das Vertrauen zurück. 12,9 Punkte und 43,3 Prozent von der Dreierlinie stehen für den Center zu Buche. Schon jetzt hat der 26-Jährige mehr Dreier getroffen als in seiner bisherigen Karriere insgesamt (26 zu 20).

"Wenn er so weiter trifft, dann darf er gerne noch mehr werfen", ermuntert Coach Gentry seinen Neuzugang. Spätestens seit dieser Aussage ist klar: Der Suns-Basketball ist wieder da. Heißt: Offense, Offense, Offense - und ganz wenig Defense.

Lakers legen Schwachstellen offen

Das Team ist wieder eine der Topattraktionen der Liga, jeder will den modernen Showtime-Express sehen. Alles scheint bestens zu laufen: Phoenix machte einmal mehr die meisten Punkte der Liga (111,8), Nash verteilt die meisten Assists (11,8) und Gentry hat bewiesen, dass er zu Recht vom Interims- zum Cheftrainer aufgestiegen ist.

Doch nach der bitteren 102:121-Klatsche bei den L.A. Lakers in der Nacht zum Freitag zeigt sich, dass noch längst nicht alles Gold ist, was glänzt. Klar, die Suns können jedem Gegner 100 und mehr Punkte einschenken. Aber dass sie nicht in der Lage sind, den Gegner genau davon abzuhalten, dürfte sich noch zu einem Problem entwickeln.

Nur Miami und Washington waren bisher nicht in der Lage, die magische Marke gegen die Suns zu knacken. Nash schob die jüngste Niederlage zwar auf müde Beine nach sechs Auswärtsspielen in neun Tagen und Gentry sagte über die Lakers: "Ich frage mich, ob sie überhaupt eine Schwäche haben." Doch Fakt ist: Selbst die Minnesota Timberwolves machten 112 Zähler in Phoenix.

Erinnerungen an 2008 werden wach

Außerdem: Die Suns starteten auch im vergangenen Jahr mit einer 8-3-Bilanz in die Saison, eine Saison, die wie erwähnt in einem Desaster endete. Dass jetzt Heimspiele gegen Toronto und Detroit sowie Auswärtspartien gegen Houston und New Orleans folgen, dürfte so manchem Fan die Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Aller Voraussicht nach wird Phoenix wieder den Sprung in die Playoffs schaffen, so viel lässt sich nach zehn Spielen wohl schon sagen. Die L.A. Clippers, Oklahoma City Thunder und Utah Jazz scheinen als vermeintliche Herausforderer einfach nicht mithalten zu können.

Mindestens genauso klar ist jedoch, dass man ohne Defense nichts gewinnen kann. Das gilt heute noch genau so wie vor dreißig Jahren. Wenn Phoenix in der Beziehung nicht bald etwas einfällt, werden die Suns in der Postseason wieder Probleme bekommen. Dabei wäre es dann auch völlig egal, auf wen sie treffen.

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