Ringer Frank Stäbler vor Olympia im Interview: "Ich esse ganz viel Chili, um das innere Feuer anzuheizen"

Frank Stäbler nach EM-Gold 2020.
© imago images

Frank Stäbler ist einer der erfolgreichsten Ringer der Welt und will sich in Tokio seinen letzten Traum erfüllen: eine olympische Medaille. Im Interview mit SPOX spricht der 32-Jährige über seine Vorbereitung, die Zuschauer-Frage und seine bisherigen Erlebnisse bei Olympischen Spielen.

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Außerdem berichtet Stäbler von einem turbulenten vergangenen Jahr, seiner laufenden Abnehmtortur und davon, wie er einst mit Usain Bolt dessen Goldmedaille in einem Londoner Club feierte.

Herr Stäbler, wie viel wiegen Sie derzeit?

Frank Stäbler: Das kann ich Ihnen ziemlich genau sagen, weil ich mein Gewicht momentan immer auf 100-200 Gramm genau einschätzen kann: 71,5 Kilo.

Grund für Ihre genauen Kenntnisse ist, dass Sie mitten in der Phase des "Abkochens" stecken, in der Sie sich von Ihren normalerweise 75 Kilogramm auf 67 Kilogramm runterhungern müssen, um an der entsprechenden Gewichtsklasse bei Olympia teilnehmen zu können. Wie unangenehm kann das werden?

Stäbler: Ich sage immer: Das ist ein Gang durch die Hölle. Dieser Kampf hinter den Kulissen ist wirklich der schwierigste von allen. Da der Weltverband meine eigentliche Gewichtsklasse für Olympia gestrichen hat, trete ich nun eine weiter unten an und muss deswegen durch diese Abnehmtortur. Das Ganze dauert etwa drei Monate, in denen ich die Ernährung, das Training und das Mentale komplett umstelle und so von meinem Ausgangsgewicht, bei dem ich schon nur acht Prozent Körperfett habe, nochmal über acht Kilo abnehme.

Das heißt konkret?

Stäbler: Konkret sieht das so aus, dass ich zuerst den weißen Zucker komplett aus meiner Ernährung verbannt habe. Das ist sehr, sehr schwierig, denn selbst in Wurst findet man Zucker. Mein zweiter Schritt war es, abends auf Kohlenhydrate zu verzichten, um dem Stoffwechselrhythmus zu entsprechen. Im dritten Punkt will ich zur Stoffwechselmaschine werden, meinen Körper also beispielsweise durch Vitamin D, Jod und vielem mehr unterstützen, den Stoffwechsel zu verbessern. Außerdem esse ich ganz viel Chili, um das innere Feuer anzuheizen. (lacht)

Wie bleiben Sie dabei leistungsfähig?

Stäbler: Das ist die große Kunst. Wenn ich kaum noch die Kraft habe, mich auf den Beinen zu halten - wie soll ich da vier oder fünf Kämpfe absolvieren? Das wird die große Herausforderung in Tokio werden.

Wie oft trainieren Sie aktuell?

Stäbler: Ich halte mein Pensum und trainiere aktuell zehnmal die Woche, mit Gymnastik- und Atemübungen sogar 15-mal. Die Qualität muss eben auch hochgehalten werden. Wenn ich sage, "ich habe nur halbe Kraft, also trainiere ich auch nur halb", gewinne ich keine olympische Medaille.

Dazu kommen Ihr im Bau befindliches Haus und Ihre zwei kleinen Töchter. Wie viel Zeit bleibt da überhaupt noch für Vorfreude auf Tokio?

Stäbler: Ich muss schon zugeben, dass es ein turbulentes Jahr war. Gerade durch den Nachwuchs im Februar und den gleichzeitig Umzug in das neue Haus, in dem auch noch vieles Baustelle ist, zehrt es an den Nerven. Es gibt mir zwar auch eine unglaubliche Power, das Baby beispielsweise abends nochmal in den Arm zu nehmen, aber wenn ich völlig fertig vom Training nach Hause komme und durch die Kinder die halbe Nacht wach bin, bin ich morgens natürlich doppelt gerädert.

Frank Stäbler bereitet sich aktuell auf Olympia 2021 vor.
© getty
Frank Stäbler bereitet sich aktuell auf Olympia 2021 vor.

Frank Stäbler zu Zuschauern bei Olympia: "Für mich ist das ein riesiger Unterschied"

Vor einiger Zeit wurde zunächst bekanntgegeben, dass die Arenen in Tokio voraussichtlich mit 50 Prozent Zuschauerauslastung bei maximal 10.000 Zuschauern öffnen dürfen. In die Makuhari Messe, in der die Ringer-Wettkämpfe stattfinden, wären das 5.000 Menschen gewesen. Wie haben Sie diese Nachricht aufgenommen?

Stäbler: Ich hatte mir das extrem gewünscht und habe mich mega gefreut, weil das für mich ein riesiger Unterschied ist. Bei der EM vor einigen Monaten zum Beispiel haben wir in einer leeren Halle gekämpft - das war eine Vollkatastrophe. Ich hatte null Anspannung und Adrenalin durch diese seltsame Atmosphäre und kam mir vor wie bei einem Trainingskampf. Deswegen war ich wirklich glücklich, als ich gehört habe, dass die Zuschauer zurückkehren sollen. Von mir aus hätten es, wenn es die pandemische Lage zulassen würde, gerne 20.000 sein können, je mehr, desto besser! Ich habe mich riesig darauf gefreut, im Stadion nicht mehr die Stecknadel fallen zu hören und die Herzen von zumindest 5.000 Japanern zu erobern zu können.

Die Entscheidung, Zuschauer zuzulassen, haben Sie also eindeutig positiv gesehen.

Stäbler: Zu hundert Prozent. Ich war immer ein Athlet, der es liebt, vor Zuschauern zu kämpfen und ich hatte ja anders als etwa die Fußballer oder Handballer auch gar nicht die Möglichkeit, mich daran zu gewöhnen, vor einer Geisterkulisse zu kämpfen. Von daher: Ja, zu hundert Prozent positiv!

Nun wurde allerdings verspätet doch auf eine Zuschauer-Rückkehr verzichtet. Haben Sie diese sich ständig verändernden Voraussetzungen in Ihre mentale Vorbereitung mit einbezogen?

Stäbler: Auf die Rückkehr der Zuschauer musste ich mich nicht einstellen, weil ich weiß, dass ich damit umgehen kann. Viele bekommen Lampenfieber, aber ich habe über die Jahre gelernt, aus der Kulisse Kraft zu ziehen. Worauf ich mich mental vorbereitet habe, ist das Schlimmste, also eine leere Halle.

Noch schlimmer als eine leere Halle wäre für Sie eine Absage oder erneute Verschiebung der Spiele gewesen. Sie haben stets betont, immer felsenfest von einer Austragung auszugehen, um den Fokus nicht zu verlieren.

Stäbler: Das stimmt. Ich habe mir angewöhnt, eine Art Schutzschild um mich herum aufzubauen, weil ich selbstverständlich täglich damit konfrontiert wurde. Das Thema war auch in den Gesprächen mit den Menschen um mich herum omnipräsent, was sehr belastend war. Ich habe mir eine wirkliche Auseinandersetzung damit aber nicht leisten können, weil ich hier jeden Tag in gewisser Weise sinnbildlich um mein Leben kämpfe, körperlich wie mental. Wenn ich da nur einen Funken Zweifel in mir hätte, dass das alles umsonst sein könnte, dann könnte ich die notwendige Energie nicht mehr aufbringen, den Traum einer olympischen Medaille zu leben. Ich habe mir immer gesagt: "In meiner Welt wird das stattfinden, ohne Zweifel."

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