Pechstein-Comeback: Triumph oder Reinfall?

SID
Im Januar 2009 gewann Claudia Pechstein die EM-Goldmedaille im Mehrkampf
© Getty

Triumphale Rückkehr oder Ende aller olympischen Träume: Claudia Pechstein steht an der Stätte ihrer größten Erfolge vor dem möglicherweise letzten, in jedem Fall aber dem wichtigsten Rennen ihrer 20-jährigen Karriere.

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UpdateEisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein darf beim Weltcup in Salt Lake City ausschließlich am Freitag über 3000m starten. Das Schweizer Bundesgericht lehnte am Donnerstag einen Antrag von Pechsteins Anwälten auf Starts über 1000, 1500m oder im Team-Wettbewerb ab.

Zugesagt wurde der wegen auffälliger Blutwerte gesperrten Berlinerin hingegen die Teilnahmeerlaubnis an allen Trainingsmaßnahmen für ihr Rennen auf der Olympiabahn von 2002.

Pechsteins Manager Ralf Grengel wertete die Absage nicht als Rückschlag. "Die anderen Strecken waren in erster Linie als Back-up gedacht, falls beim Rennen am Freitag irgendetwas schief geht", sagte Grengel.

Triumph oder Reinfall?

Die Berlinerin weiß, was die Stunde geschlagen hat: "Ein Start, ein Rennen, eine Chance. Das ist eine Extremsituation, wie ich sie noch nie zuvor erleben musste."

Beim Weltcup in Salt Lake City, wo sie vor knapp acht Jahren bei Olympia zwei Goldmedaillen abräumte, ist die Ausgangslage für die wegen auffälliger Blutwerte gesperrte 37-Jährige nach monatelangem juristischen Tauziehen verblüffend einfach.

Wird sie im 3000-m-Rennen am Freitagabend (ca. 21.45 Uhr MEZ) mindestens Achte, hat sie die Olympianorm in der Tasche und darf weiter auf die Teilnahme an den Winterspielen 2010 hoffen. Belegt sie den neunten Platz, kann sie Vancouver abhaken.

"Ich lasse mich überraschen"

"Ich lasse mich selbst überraschen, wie ich damit klarkommen werde. Es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig. Zumindest ist es eine schöne Erfahrung, innerlich spüren zu dürfen, dass der Traum von meinen sechsten Olympischen Spielen nach wie vor lebt. Ich hoffe sehr, dass sich daran auch nach dem 3000-m-Rennen nichts geändert haben wird", schrieb Pechstein, die nach der Startfreigabe durch das Schweizer Bundesgericht erst am Mittwoch in den Flieger gestiegen war, auf ihrer Internetseite.

Selbst ihr langjähriger Trainer Joachim Franke, der sie zu allen fünf Olympiasiegen geführt hat und während der Dopingaffäre wieder eng an ihre Seite rückte, ist alles andere als optimistisch.

"Die Vorbereitungszeit ist extrem kurz, ihre Wettkampfpause war dafür umso länger. Ihr fehlt der realistische Vergleich mit der Weltspitze, für Platz acht muss sie wohl eine Spitzenzeit zwischen 4:00 und 4:02 Minuten laufen. Dies alles lässt mich skeptisch werden", sagte der 69-jährige Franke, der in Berlin geblieben ist.

Nur ein einziger Start

Pechstein, die in Salt Lake City direkt im ersten Paar des Wettkampfes starten muss und deshalb keinerlei Zeit-Orientierung haben wird, wird auf dem Eis von Helge Jasch betreut.

Der deutsche Teamchef organisierte der Nachzüglerin mit Mühe noch ein Zimmer im eigentlich ausgebuchten Athletenhotel Red Lion in Downtown Salt Lake City.

Es wird wohl bei einem einzigen Start Pechsteins in Salt Lake City bleiben. Der Weltverband akzeptierte zwar die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichtes, sieht sie aber ausschließlich auf das 3000-m-Rennen bezogen.

Pechsteins Anwälte wollten kurzfristig noch ein Startrecht für weitere Rennen in Salt Lake City erwirken. Viele ihrer Kolleginnen empfingen Pechstein in Utahs Hauptstadt derweil mit tiefer Abneigung.

Athletinnen respektlos

Am extremsten zeigte dies die kanadische Bundestrainerin Ingrid Paul. "Ich bin überrascht, dass sie es wagt, hier überhaupt aufzutauchen. Alle werden sie total ignorieren. Meine Athletinnen werden respektlos mit Claudia Pechstein umgehen", sagte Paul, eine niederländische Ärztin.

Viele Läuferinnen halten die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin für eine überführte Dopingsünderin, ebenso wie es seit der Bestätigung ihrer Zweijahressperre durch den Internationalen Sportgerichtshof CAS auch Thomas Bach tut.

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) steht möglicherweise vor einem Dilemma. Der DOSB entscheidet am 17. Dezember und am 22. Januar, welche Athleten mit nach Vancouver fliegen sollen. Gut möglich, dass Pechstein dann qualifiziert ist, aber ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts noch aussteht.

IOC entscheidet

Die endgültige Entscheidung, ob Pechstein zu den Spielen dürfte, liegt beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC).

Angesichts des Comebacks von Pechstein verblassen beim Weltcup in der Mormonenmetropole alle anderen Wettkämpfe, obwohl auf der extrem schnellen Bahn Weltrekorde wackeln könnten.

Top-Sprinterin Jenny Wolf hofft, dass sie über 500 m ihren Weltrekord (37,02) brechen kann. Anni Friesinger, die nach wie vor mit Knieproblemen kämpft, peilt über 1000 und 1500 m ihren ersten Podestplatz an.

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