Pechstein zwischen Freude und Genugtuung

SID
Claudia Pechstein (M.) war nach dem EM-Sieg überglücklich
© Getty

Claudia Pechstein feierte bei der Europameisterschaft der Eisschnellläuferinnen in Heerenveen ihre 54. Medaille bei einem internationalen Wettkampf. Ihre Gegnerin Paulien van Deutekom taufte Pechstein ehrfürchtig "Super-Oma". Daniela Anschütz-Thoms lief auf den zweiten Rang im Mehrkampf, blieb aber einmal mehr im Schatten der neuen Europameisterin.

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Der Kuss für ihren Mann Marcus im Blitzlichtgewitter, die Triumphfahrt im Einspänner vor 12.000 Fans und das Festbankett im noblen Hotel Oranjewoud waren für Claudia Pechstein Momente purer Freude.

Doch in die Stunde des lange ersehnten Sieges mischte sich noch ein anderes Gefühl.

"Hier bin ich wieder!", rief die fast 37-Jährige nach ihrem EM-Triumph von Heerenveen - die Genugtuung, es allen Zweiflern noch mal gezeigt zu haben, wollte sie nicht verbergen.

Pechstein hat WM-Medaille im Mehrkampf im Visier

Die Saure-Gurken-Zeit erklärte Pechstein mit ihrer 54. Medaille bei einem internationalen Wettkampf für beendet: "Mit diesem Titel schläft es sich wieder besser. Er ist eine Super-Motivation auf dem Weg nach Vancouver. Jetzt will ich auch bei der Mehrkampf-WM eine Medaille."

Über die Gründe für ihr wundersames Comeback nach drei Jahren ohne Einzeltitel spricht Pechstein wie über das Wetter. "Wir haben ein paar Dinge im Training weggelassen, die für eine Frau in meinem Alter vielleicht nicht mehr so ganz geeignet waren", meinte die Berlinerin, ohne konkret werden zu wollen.

Schon ein beiläufig dahingesagter Satz nach ihrem Sieg über 3000 m am Samstag hatte verdeutlicht, dass für Pechstein die EM in der niederländischen Kufenhochburg ebenso wie die Allround-Titelkämpfe vom 6. bis 8. Februar in Hamar nicht mehr als eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Vancouver 2010 darstellen.

Van Deutekom tauft Pechstein "Super-Oma"

Sie würde lieber Platz eins bei Olympia abonnieren als in Heerenveen, sagte die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin.

Doch eine sechste oder gar siebte olympische Goldmedaille wird selbst für die "Super-Oma", wie die niederländische Mehrkampf-Weltmeisterin Paulien van Deutekom Pechstein taufte, kein Selbstläufer: "Sicher kann man sich nicht sein, so eine Form bis Vancouver halten zu können. Zwei Dinge sind entscheidend: gesund zu bleiben und dosiert zu trainieren."

Ihr Trainer Peter Mueller ist optimistisch. "Claudia ist ein Phänomen", sagte der Amerikaner, nach einem "Jahr der Experimente" (Pechstein), das unter anderem den katastrophalen siebten Platz bei der Heim-WM in Berlin mit sich brachte, habe sich alles eingespielt.

"Wir haben uns besser kennen gelernt, das zahlt sich jetzt aus", erklärte Mueller, den Pechstein in Heerenveen einmal mehr begeisterte: "Sie ist wunderbar gelaufen, immer kontrolliert. So ein Niveau mit 36 Jahren zu halten, ist nicht leicht."

Anschütz-Thoms im Schatten von Pechstein

Im Schatten von Pechstein stand einmal mehr Daniela Anschütz-Thoms, die ihrer berühmten Kollegin allerdings in nichts nachstand. Mit 34 Jahren feierte "Schützi" über 1500 m ihren ersten Einzelstrecken-Sieg bei einem internationalen Wettkampf und bewies, dass auch mit ihr mehr denn je zu rechnen ist.

Für die entscheidende Attacke im abschließenden 5000-m-Lauf gegen Pechstein fehlte der Silber-Gewinnerin die Kraft, den Mehrkampf in der Thialf-Halle bezeichnete sie trotzdem als den "größten meines Lebens".

Dabei wäre bei Anschütz-Thoms große Freude beinahe in grenzenlosen Frust umgeschlagen. Ihren Wechselfehler im letzten Rennen erachteten die Kampfrichter aber nicht als gravierend genug für eine Disqualifikation.

Pechstein brachte es auf den Punkt: "Das hätte sie auch nicht verdient gehabt."

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