UFC

"Ich werde den 'bösen Deutschen' spielen"

Von Pascal Krauss
Pascal Krauss trifft in der Nacht von Samstag auf Sonntag Mike Stumpf
© Getty

In der Nacht von Samstag auf Sonntag findet in Chicago die erste UFC-Veranstaltung des Jahres auf nordamerikanischem Boden statt. Diesmal auch wieder mit dabei ist der Freiburger Pascal Krauss, der seinen dritten Kampf in der US-Eliteliga absolvieren wird. Der 25-jährige Sportstudent wird dort auf Lokalmatador Mike Stumpf treffen. Exklusiv bei SPOX schreibt "Panzer" über seine erste Niederlage, den Umzug nach Milwaukee und die Vorbereitung auf den Kampf.

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Als ihr das letzte Mal hier von mir gelesen habt, stand ich kurz vor meinem Comeback nach fast anderthalbjähriger Verletzungspause. Leider ist mein erster Kampf im Octagon nach der Schulter-OP nicht so gelaufen, wie ich das gehofft hatte. Ich habe den "Ringrost" gespürt, den man nach einer so langen Inaktivität unweigerlich ansetzt und es hat sich einfach ungewohnt angefühlt, wieder auf der großen Bühne zu stehen und dort zu kämpfen. Ich habe an diesem Abend einfach nicht vielseitig genug gekämpft und habe mir sein Spiel aufzwingen lassen. Hathaway hat bestimmen können, wo wir kämpfen, was genau wir machen. Er war vielseitiger als ich und hat besser zwischen den verschiedenen Stilen gewechselt.

Ein weiterer Faktor war ein harter Kniestoß von John, mit dem er mich gleich Mitte der ersten Runde gut erwischt hat. Davor lief es zwar nicht perfekt, aber ich würde sagen es war recht ausgeglichen. Von dort an ist mir der Faden ein wenig verloren gegangen. Wobei man dazu sagen muss, ich wusste in dem Moment gar nicht, dass es ein Knie war! Ich hab es kaum realisiert, dass ich kurz weg war. Als das Knie getroffen hat, war ich kurz weg und als ich auf dem Boden angekommen bin, war ich schon wieder da und hab eigentlich genau da weitergemacht, wo wir davor aufgehört haben. Ich hab mich jedenfalls nicht groß eingeschränkt oder benebelt gefühlt. Am Ende hat es trotzdem nicht gereicht und ich habe nach Punkten verloren.

Die erste Niederlage

Die Niederlage war für mich salopp gesagt extrem beschissen! Ich bin ein sehr schlechter Verlierer und es hat sich überhaupt nicht gut angefühlt. Ich hab danach wochenlang schlecht geschlafen und bin immer wieder die verschiedenen Situationen, wie sie sich im Kampf abgespielt haben, im Kopf durchgegangen. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, was man hätte anders machen können, was passiert wäre wenn...

Letztendlich hilft es aber alles nichts und als es mir dann körperlich wieder besser ging, das heißt nachdem die ganzen kleinen Blessuren abgeheilt waren, bin ich zurück ins Gym gegangen und habe versucht, an mir zu arbeiten. Es gibt bei uns Kämpfern ein Sprichwort, das besagt, man lernt aus einer Niederlage mehr als aus zehn Siegen. Hathaway ist ein starker Gegner und war an dem Abend einfach der bessere Kämpfer.

Blog UFC on Fox: Ein Kampf um Respekt

Eine Erkenntnis, die ich auf jeden Fall gewonnen habe, ist, dass jeder irgendwann schlagbar ist. Auch wenn man das im Hinterkopf hat, dass man verlieren könnte, denkt man dann, wenn man 10-0 ist, "das passiert den Anderen zwar, aber bei mir wird's nicht passieren". Man schafft sich dadurch vielleicht auch noch mal ein wenig extra Druck, weil man nicht nur um den Sieg und für sich selbst kämpft, sondern auch weil man den perfekten Kampfrekord aufrechterhalten will. Der ist jetzt weg und ich habe diese Bürde nicht mehr auf meinem Rücken.

Goodbye Deutschland

Anfang November entschloss ich mich dazu, meine Wohnung in Freiburg zu kündigen, mein Motorrad zu verkaufen und komplett nach Milwaukee überzusiedeln. Das war ein großer Schritt für mich. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es zu Hause zu bequem geworden war. Ich hätte das ohne Probleme so weiter laufen lassen können. Alle meine Freunde sind in Freiburg, ich kann dort umsonst essen und trinken und komme gratis in alle Clubs rein, aber ich habe mir dann gedacht: Ich habe eine Möglichkeit, die nur wenigen Menschen geboten wird und habe deshalb für mich beschlossen, dass es das Beste ist, meine Komfortzone zu verlassen, um meine Ziele zu erreichen.

Alles, was ich mir über lange Jahre aufgebaut habe, den Luxus und das ganze Bequeme habe ich hinter mir gelassen und den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Hier in Milwaukee versuche ich jetzt einfach, das Maximale aus den Möglichkeiten rauszuholen, die ich hier habe und dadurch habe, dass ich in der UFC kämpfen darf. Der Umzug hat mich auf jeden Fall hungriger gemacht. Wenn man alles auf eine Karte setzt, hat man zwar mehr Zeit zu trainieren, auf der anderen Seite wird aber auch die Erwartungshaltung höher.

Ich habe jetzt eben nicht mehr noch drei andere Pferde am Laufen, auf die ich sofort umsatteln

könnte, sondern habe für mich beschlossen: MMA ist das, was ich mache und darin will ich jetzt gut werden! Ich lebe momentan nur für den Kampf. Dieser Samstag ist das Weiteste, was ich in die Zukunft blicke. Alles andere lasse ich auf mich zukommen.

Milwaukee

Ich habe mich hier auf jeden Fall schon gut eingelebt und habe auch das Gefühl, dass mich die Teamkollegen bei Roufusport noch mehr als einen der Ihren akzeptiert haben, weil ich jetzt auch Vollzeit hier lebe. Wir machen auch außerhalb des Trainings viel zusammen. Meine Freundin und ich sind häufig bei Ben Askren und seiner Frau zu Hause zum Essen oder Kämpfe anschauen.

Milwaukee ist nicht unbedingt die Metropole, die du bereisen musst, wenn du noch zwei Städte zur Wahl hast, bevor du den Löffel abgibst. Es gibt hier ein Sprichwort: Es gibt zwei Sorten von Menschen, die Milwaukee hassen - einmal die, die es noch nie gesehen haben und einmal die,

die es noch nie verlassen haben. Es ist ein nettes Städtchen und hat auf jeden Fall seine Vorteile, aber man kann es jetzt wirklich nicht mit San Diego, New York oder selbst Chicago vergleichen. Wobei ich aber nicht so hart mit Milwaukee ins Gericht gehen darf, weil ich es bis jetzt nur im Winter kenne.

Apropos, die Amerikaner übertreiben gnadenlos, wenn es um das Wetter geht. Sie hören im Wetterbericht, dass es schneien soll und machen dann einfach kurzerhand erst mal die Schulen und Geschäfte am nächsten Tag zu. Ich habe schon oft gehört, dass es einen halben Meter Schnee geben soll und letztendlich schneit es dann fünf Zentimeter! Es wird dann immer erzählt: Im Nachbardorf zehn Kilometer weiter, da haben sie aber einen halben Meter Schnee gehabt. Ich habe das ein wenig

angezweifelt, dass es hier wirklich so kalt wird und richtig Schnee gibt, aber momentan ist es schon ordentlich kalt. Die letzten zwei Tage hatten wir -20°C.

Was den ganzen Umzug stark vereinfach hat ist, dass ich beim Umzug nach Milwaukee direkt mit meiner Freundin zusammengezogen bin. Da ich die letzten sechs Jahre alleine gewohnt habe, ist das aber schon eine gewaltige Umgewöhnung für mich! Man kann nicht mehr immer so sein, wie man will, sondern muss sich auch mal zusammenreißen. Meine stinkenden Socken überall herumliegen zu lassen, das funktioniert jetzt leider nicht mehr. (lacht)

Egal was passiert, Freiburg wird immer meine Heimat bleiben und Milwaukee nur mein zweites Zuhause sein.

Jahreswende in den USA

Weihnachten habe ich ganz unspektakulär verbracht. Hier in den USA ist Heiligabend kein so großes Ding, sondern eher der erste Feiertag. Es ist hier generell super-kitschig, jeder hat zehntausend Lichter am Haus, eine Landebahn für den Weihnachtsmann und seinen Schlitten und eine Uhr,

damit er auch sieht, wann er kommen muss. Wir haben die Feiertage dann bei den Eltern von meiner Freundin verbracht. Jeder hat seine Geschenke ausgepackt und es wurde etwas gegessen.

Silvester war noch unspektakulärer, da es hier in Amerika anscheinend verboten ist, Feuerwerkskörper anzuzünden. Sturmgewehre darfst du hier haben, aber Böller und Raketen sind nicht erlaubt. Deshalb ist um Mitternacht niemand groß auf den Straßen, sondern viele Leute sind in den Clubs und der Meinung, sie müssten jetzt noch mehr die Sau rauslassen, als sonst ohnehin schon.

Von daher saß ich zu Hause und habe mir im Fernsehen den "Times Square Ball" angeschaut. Die Countdown-Show dazu war das Schlechteste, was ich seit langem gesehen habe! Ich hatte am nächsten Tag Nackenmuskelkater vom vielen Kopfschütteln. Wenn ich mich nicht auf den Kampf vorbereitet hätte, hätte ich zwei, drei Bräuche aus Deutschland wie Raclette essen, Bleigießen und Feuerzangenbowle hier eingeführt.

UFC on FOX 6

Die UFC-Veranstaltung in Chicago ist eine Riesen-Sache für alle hier! Für Anthony Pettis und Erik Koch sind es wahrscheinlich Ausscheidungskämpfe um einen Titelkampf später im Jahr und jetzt bin ich, wenn auch mit etwas Abstand, noch als dritte Kraft dazugekommen. Alle im Gym sind extrem aufgeregt und freuen sich auf die Fights. Es wird extra mehrere Busse geben, die von Milwaukee nach Chicago fahren, für all die Leute die vom Gym mitkommen wollen.

Es war insgesamt einfach ein Super-Trainingscamp, weil sich alle möglichen Leute auf Kämpfe vorbereitet haben. Nicht nur die beiden Jungs, die mit mir im Chicago-Programm sind, auch Ben Askren hat an diesem Donnerstag seinen Kampf. Es war die ganze Zeit Top-Training im Gym und gute Leute, mit denen du hartes Sparring machen konntest.

Es ist zwar schwierig zu beurteilen, weil mit jedem Trainingslager, das man macht, ein wenig der Zauber davon verlorengeht. Man weiß schon, was einen erwartet, und hat sich an die Belastung gewöhnt. Als ich mich vor meinem Kampf bei UFC 122 in Oberhausen zum ersten Mal in San Diego vorbereitet habe, habe ich gedacht "Oh je, das lässt sich nicht mehr toppen!".

Wenn ich mir jetzt jedoch die Trainingszeiten und die Trainingspartner hier in Milwaukee anschaue, muss ich schon sagen, dass es hier doch noch einmal alles auf einem ganz anderen Niveau abspielt. Wenn ich jetzt die Traktorreifen und den Hammer sehe, bekomme ich auch keinen schnelleren Puls mehr. Die Vorbereitung auf diesen Kampf war auf jeden Fall die professionellste und beste, die ich jemals hatte!

Mike Stumpf

Bei meinem Gegner ist es schwer einzuschätzen, wie er auftreten wird, weil er schon sehr lange nicht mehr gekämpft hat. Ich gehe aber auf jeden Fall davon aus, wenn er jetzt nicht die gesamte Zeit verletzt gewesen ist, dass er sich auch weiterentwickelt hat. In seinem ersten UFC-Kampf sah er nicht gut aus. Er hat ihn aber auch sehr kurzfristig angenommen und hatte Probleme, das Gewicht zu machen. Deshalb nehme ich den Kampf keinesfalls als Maßstab für sein wahres Leistungsvermögen.

In den anderen Kämpfen, die ich von ihm gesehen habe, hat er sich körperlich sehr stark präsentiert. Er hat keine Angst davor, Schläge auszutauschen und macht den Eindruck, als könnte er auch ganz gut einstecken. Sein Ringen und Bodenkampf sind mit Sicherheit seine größte Stärke, wobei er aber in keinem dieser Bereiche sehr technisch ist, sondern viel von seiner Physis lebt. Ich sehe mich eigentlich in fast allen, wenn nicht sogar in allen, Bereichen vorne und dürfte technisch auf jeden Fall die Oberhand haben.

Ich rechne damit, dass er vom ersten Ringgong an nach vorne marschieren wird und mit dem Heimpublikum im Rücken den Kampf bestimmen will. Ich werde also die Rolle des "bösen Deutschen" spielen und werde die dann auch mit größtem Vergnügen bis zum Schluss ausfüllen! Ich würde mich natürlich freuen, wenn ich Pfiffe und Buhrufe später in Applaus umwandeln kann, aber es ist seine Stadt, von daher ist es nur verständlich, wenn die Zuschauer hinter ihm stehen. Deshalb ist es für mich umso wichtiger, dass mir meine deutschen Fans vor dem Fernseher die Daumen drücken!

Folgt Pascal auf Twitter oder liked ihn bei Facebook. UFC on Fox: Johnson vs. Dodson wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 2 Uhr live und kostenlos bei SPOX.com und UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten bereits um 22:40 Uhr auf facebook.com/UFC, ab 23 Uhr geht es dann weiter auf SPOX.com und UFC.tv.

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