Now or Never, Roger!

Von Sebastian Hahn
Wer setzt sich in Flushing Meadows 2014 die US-Open-Krone auf?
© getty

Mit der Absage von Rafael Nadal scheint bei den US Open alles für Roger Federer zu sprechen. Oder holt Novak Djokovic nach seinem Wimbledon-Triumph den zweiten Grand-Slam-Titel in Folge? Und dann wäre da noch dieser superheiße Belgier, der im Moment alles abräumt. Das SPOX-Power-Ranking zu den Herren.

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1. Roger Federer

Zwei Jahre ist es jetzt schon her, dass Roger Federer ein Grand Slam für sich entscheiden konnte. Seit Wimbledon 2009 waren es sogar insgesamt nur zwei Majortitel. Doch selten sprach zuletzt so viel für den Schweizer wie diesmal bei den US Open. Da wäre einerseits die Absage von Rafael Nadal. Federers Kryptonit des letzten Jahrzehnts ist wegen einer Handgelenksverletzung nicht in New York dabei.

"Wir alle hoffen, dass es ihm schnell wieder besser geht und er auf die Tour zurückkommt", bedauert Federer die Entscheidung des Spaniers - fügt aber auch an: "Damit gibt es einen schweren Gegner weniger." Doch nicht nur das macht der ehemaligen Nummer eins Mut.

Schon in Wimbledon war zu erkennen, dass Federer die Hoffnung auf einen Grand-Slam-Titel noch lange nicht aufgeben muss. Die Vorbereitung auf Flushing Meadows bestätigte diesen Eindruck. In Cincinnati sicherte er sich souverän den 80. Karriere-Titel und wackelte wenn überhaupt nur kurz gegen David Ferrer im Finale. Beim Rogers Cup musste er sich lediglich einem außerirdisch aufspielenden Jo-Wilfried Tsonga geschlagen geben.

Der 33-Jährige scheint fast wieder in der Form zu sein, in der er zwischen 2004 und 2008 fünf US-Open-Titel in Folge abräumte und in New York nach Belieben dominierte. Gepaart mit Nadals Abwesenheit und einem schwächelnden Djokovic könnte die Zeit für Grand-Slam-Titel Nummer 18 gekommen sein, denn auch die Auslosung meinte es gut mit Federer: Erst im Viertelfinale würde mit Grigor Dimitrov der erste echte Prüfstein warten.

Blog US Open 2014: Do or Die for "Serverer"

Ein weiterer Anreiz: FedEx wäre der älteste Spieler seit Andres Gimeno, der ein großes Turnier gewinnen würde. Der Spanier holte sich 1972 im Alter von 34 Jahren den French-Open-Titel. "Die Zeit rast auf der Tour im Schnell-Vorlauf. Aber sie hat mich an einen grossartigen Ort geführt. Ich fühle mich viel besser als letztes Jahr, als mein Selbstvertrauen weg war. Und das entscheidet über Sieg und Niederlage", erklärte Federer gegenüber der Tageszeitung "Blick".

2. Novak Djokovic

Nachdem der Serbe Federer in einer epischen Schlacht in Wimbledon bezwang und sich wieder zurück an die Spitze der Weltrangliste katapultierte, wurde es enorm ruhig um ihn. Nach der Hochzeit mit Freundin Jelena Ristic verabschiedete sich Djokovic in die Flitterwochen und tauchte erst in Toronto wieder auf dem Radar auf.

Was der Djoker in den darauffolgenden Wochen zeigte, erinnerte aber nicht an den Spieler, der in dieser Saison bereits 39 Partien für sich entscheiden konnte und noch Wochen zuvor auf dem Rasen von London dominiert hatte. Gegen Tommy Robredo präsentierte er sich erschreckend schwach und hatte besonders beim eigenen zweiten Aufschlag Probleme.

Die Auslosung für die US Open traf den Serben zudem knüppelhart, mit Sam Querrey und John Isner könnten schon zwei zähe Lokalmatadoren in der dritten Runde bzw. im Achtelfinale warten. Im Anschluss droht dann das Duell mit Tsonga, der ihn in Toronto dem Erdboden gleichmachte.

Trotzdem: Djokovic bleibt Djokovic. Es ist davon auszugehen, dass sich Nole in New York in angemessener Form präsentiert, auch wenn er sich zuletzt lieber bei der Ice Bucket Challenge zeigte und Conchita Wurst nominierte.

"Ich würde Djokovic wegen der Best-of-Five-Matches etwas weiter vorne sehen. Er ist jünger, für ihn sind zwei Wochen bei einem Grand Slam ein bisschen einfacher wegzustecken als für Federer", erklärte unlängst Legende John McEnroe. Ob es für den Titel reicht, ist aber fraglich. Vielleicht auch, weil er nach der Hochzeit und dem anstehenden Nachwuchs jetzt erklärte: "Tennis ist definitiv nicht mehr die Nummer eins in meinem Leben."

3. Jo-Wilfried Tsonga

Ist Tsonga in der Form seines Lebens? Wer den Franzosen in Toronto gesehen hat, muss das eigentlich bejahen. Beim Rogers Cup räumte er alles aus dem Weg, was auch nur versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen. Djokovic, Murray, Dimitrov und Federer - allesamt Top-10-Spieler - mussten sich Tsonga beugen.

Doch dann kam das, was irgendwie immer bei Tsonga kommen muss: ein peinliches Erstrunden-Aus gegen Mikhail Youzhny in Cincinnati. Von dem Glanz aus Toronto war nichts mehr zu sehen, der 29-Jährige wirkte platt und ausgepumpt.

Sicherlich ist die Niederlage des Franzosen auf seine Power-Woche in Kanada zurückzuführen, dennoch bleibt die Frage: Kann Tsonga zwei Wochen lang auf konstant hohem Niveau spielen? Wenn ja, mischt er im Big Apple auf jeden Fall um den Titel mit. Auf dem Weg dorthin könnte im Achtelfinale Murray warten, im Anschluss vermutlich Djokovic.

4. Milos Raonic

Im ganzen Hype um Eugenie Bouchard ging fast unter, dass Kanada auch im Herrentennis einen aufgehenden Stern besitzt. Der Schützling von Ivan Ljubicic zeigte sich abseits der großen Turniere von Cincinnati und Toronto, wo es für ein Halb- und ein Viertelfinale reichte, äußerst konstant und schnappte sich im Duell mit Landsmann Vasek Pospisil den Titel in Washington.

Nach seinem Halbfinale in Wimbledon ist Raonic heiß auf sein erstes Grand-Slam-Endspiel. Sein gewaltiger Aufschlag und seine kraftvolle Vorhand sind wie gemacht für den schnellen Belag von Flushing Meadows. Auch der Draw spricht für den Kanadier. Lediglich Kei Nishikori dürfte ihm auf dem Weg ins Viertelfinale gefährlich werden, dann könnte Stan Wawrinka warten.

5. Grigor Dimitrov

Ähnlich wie Raonic feierte auch das bulgarische Supertalent in diesem Jahr seinen Durchbruch und kommt nach einer äußerst erfolgreichen Rasen-Saison (Titel in Queens, Halbfinale von Wimbledon) mit viel Selbstvertrauen nach New York. In Toronto war er der einzige Spieler, der Tsonga einen Satz abnehmen konnte, in Cincinnati dagegen war schon in der zweiten Runde gegen Jerzy Janowicz Schluss. Eine Grippe machte ihm zusätzlich Probleme.

Ähnlich wie auf dem Hardcourt von Melbourne, wo er Anfang des Jahres bis ins Viertelfinale vorstoßen konnte, ist mit Dimitrov in New York aber auf jeden Fall zu rechnen. An sich hat er ähnlich wie Federer eine gute Auslosung erwischt, mit Richard Gasquet und David Goffin könnten aber auch schon in der ersten Woche zwei Stolpersteine warten.

Seite 1: Von Federer bis Dimitrov

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