Karate Kid auf Changs Spuren

Kei Nishikori sollte man bei den French Open auf dem Zettel haben
© getty

Kei Nishikori ist Japans neue Tennis-Hoffnung. Der 24-Jährige hat mittlerweile die Top Ten geknackt, lässt Rafael Nadal verzweifeln und geht mit jeder Menge Vorschusslorbeeren in Roland Garros an den Start. Schlüssel für den Aufstieg sind ein Elektronik-Konzern, Nishikoris unbändiger Wille - und ein frühere French-Open-Champion.

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Zum ersten Mal machte Rafael Nadal im Juni 2008 mit Kei Nishikori Bekanntschaft. Da nahm ihm dieser gerade mal 18 Jahre alte Japaner, die Nummer 113 der Welt, in London auf Gras tatsächlich einen Satz ab. Nur zum Vergleich: Der Mallorquiner gewann ein paar Wochen später in Wimbledon. Naja, kann ja mal passieren.

Man sah sich in den kommenden Jahren hin und wieder auf der Tour, der Sieger hieß stets Nadal. Aber 2011 in Miami war sein Gegner schon die Nummer 62, ein Jahr später an gleicher Stelle schon in den Top 20.

2013 stand man sich auf der roten Asche von Roland Garros gegenüber. Klar, wieder gewann Rafa, in drei Sätzen natürlich - aber zu diesem Zeitpunkt sparte der längst nicht mehr mit Lob. "Er hat sehr viel Talent", so Nadal: "Er ist ein Kandidat für die Top 10, ohne jeden Zweifel."

Erster Japaner in den Top Ten

Ein knappes Jahr später hatte sich die Prophezeiung des besten Sandplatzspielers aller Zeiten erfüllt. 12. Mai, Finale Madrid: Nadal schickt sich an, das Turnier zum insgesamt vierten Mal zu gewinnen. Auf der anderen Seite des Netzes: Nishikori. Der hat durch seinen Finaleinzug schon Platz neun im Ranking sicher - als erster Japaner überhaupt.

Auf dem Weg ins Endspiel hat Nishikori schon zwei Lokalmatadoren, Kanadas Supertalent Milos Raonic und in der Vorschlussrunde David Ferrer ausgeschaltet. Die Tage als Nadals Kanonenfutter sind längst vorbei, selbst auf Sand. Zumal der Spanier derzeit nicht in der Form seines Lebens ist. Vielleicht geht da ja was.

Dank Sony zu Bollettieri

Am 29. Dezember 1989 wird Kei Nishikori in Matsue, Japan, geboren. Sein Vater ist Ingenieur, die Mutter Klavierlehrerin. Im Alter von fünf nimmt er erstmals einen Tennisschläger in die Hand, und beweist sich in den Jahren darauf als Naturtalent. Er gewinnt Turniere in seiner Heimat und wird in den "Masaaki Morita Tennis Fund" aufgenommen: Morita, bis 1992 Vorstandsvorsitzender von "Sony", ist begeisterter Tennis-Fan und sponsert jedes Jahr vier hoffnungsvolle Tennistalente, die auf seine Kosten an der IMG Academy von Nick Bollettieri himself ausgebildet werden.

"Elf oder zwölf" sei er gewesen, als er daran dachte, Tennisprofi zu werden, erzählt Nishikori. Mit 14 geht es schließlich nach Bradenton in die USA. Der schüchterne Teenager spricht kein Wort Englisch, kann sich mit dem amerikanischen Essen nicht anfreunden und weint sich zwei Jahre lang jede Nacht in den Schlaf, wie er verrät.

Aber sein Traum wird Wirklichkeit: Anfang 2008 reist er als Qualifikant zum Turnier in Delray Beach und kämpft sich bis ins Finale vor, wo er James Blake in drei Sätzen bezwingt. In seiner Heimat wird er von den Tennis-Fans da schon als "japanischer Roger" gefeiert, seine Eltern sehen das Ganze etwas nüchterner: "Schön, dass du gewonnen hast. Aber denk daran, du hast nächste Woche schon wieder ein Turnier."

Rafa an die Wand gespielt

Im ersten Satz bietet Nishikori dem großen Favoriten Nadal die Stirn, geht die langen Rallyes furchtlos mit, umläuft seine Rückhand und punktet immer wieder mit der Vorhand Inside-Out. Außerdem streut er immer wieder Stops ein, erwischt Nadal so auf dem falschen Fuß.

Ein unglaublich langer und kräftezehrender Ballwechsel bringt ihm das Break zum 2:1, später folgt sogar noch eins. Mit 6:2 geht der erste Satz an Nishikori. Und er macht so weiter, Break zum 2:0, die Zuschauer werden immer nervöser. Liegt die Überraschung, fast schon Sensation in der Luft? Es ist das siebte Duell der beiden, und bis auf den Satz in London war für Nishikori, der mit seinem Stirnband und den wenig einschüchternden 1,78 Metern ein ganz klein wenig an "Karate Kid" erinnert, noch nichts zu holen.

Mit Michael Chang nach oben

Karate Kid. Da passt es doch perfekt, dass Nishikori mittlerweile einen "Mr Miyagi" an Bord hat. Seit Ende 2010 arbeitet Nishikori mit Dante Bottini, einem argentinischen Coach den er von der IMG Academy kennt, zusammen. Berühmter als die frühere Nummer 827 der Weltrangliste ist jedoch sicherlich sein zweiter Übungsleiter. Das ist niemand Geringeres als der French-Open-Champion 1989: Michael Chang. Mit 17. Lendl und so.

Spätestens 2011 lernten sich Nishikori und der 42 Jahre alte Amerikaner, Sohn taiwanesischer Einwanderer, kennen. Damals bestritten sie ein Showmatch in Tokio zugunsten der Erdbebenopfer. Im Dezember 2013 holt er Chang ins Boot. Sie arbeiten regelmäßig, aber nicht rund um die Uhr zusammen, vor großen Turnieren legen sie Extraschichten ein. "Wir arbeiten in unseren Trainingsblöcken an verschiedenen Dingen", sagte Chang der "South China Morning Post". "Wir arbeiten hart, das Aufregende ist, dass er sich noch in so vielen Bereichen verbessern kann."

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