Eine Rivalität für die Ewigkeit

Von Cliff Schmit
Die beiden standen sich bereits zwei Mal (1-1) im Finale der US Open gegenüber
© getty

Im Schatten der Federer-Dekade duellieren sich Djokovic und Nadal bereits seit Jahren auf allerhöchstem Niveau. Nun könnte die Rivalität endlich die Wertschätzung erfahren, die sie verdient. Im Finale der US Open (ab 23 Uhr im LIVE-TICKER) ist der serbische Weltranglistenerste jedoch nur Außenseiter. Zu beeindruckend ist die Wahnsinnssaison des Comeback Kids aus Manacor. Eine legendäre Bestmarke wird sicherlich eingestellt.

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Herren-Finale

Novak Djokovic (SRB/1) - Rafael Nadal (ESP/2) (23.00 Uhr im LIVE-TICKER)

Kaum eine andere Sportart lebt derart von großen Rivalitäten wie Tennis. Laver gegen Rosewall in den Sechzigern, Borg gegen Connors in den Siebzigern, später dann Becker gegen Edberg oder Agassi gegen Sampras. In der letzten Dekade bestimmten vor allem die legendären Duelle zwischen Federer und Nadal die Schlagzeilen der Tenniswelt. Insgesamt 31 Mal (21-10 Nadal) standen sich die beiden seit 2004 gegenüber, allein acht Mal davon in einem Grand-Slam-Finale.

Angesichts der momentanen Leistungskrise, sowie des fortgeschrittenen Alters des Schweizers muss man sich jedoch die berechtigte Frage stellen, ob die Federer-Nadal-Rivalität ihre besten Tage nicht bereits hinter sich hat. Sogar der Spanier selbst gab nach dem Achtelfinal-Aus von Federer zu Bedenken, dass man "sich in Zukunft vielleicht nicht mehr so häufig über den Weg laufen wird."

Bereits 36 Aufeinandertreffen

Da trifft es sich recht gut, dass mit Novak Djokovic bereits der nächste Dauerrivale für den Mallorquiner bereit steht. Das Endspiel in Flushing Meadows ist bereits das vierte Aufeinandertreffen in einem Halbfinale oder Finale in dieser Saison (2-1 Nadal).

Bei allem Augenmerk auf die Federer-Nadal-Dynastie wird dabei oft vergessen, dass die Rivalität mit dem Serben sportlich sogar eventuell noch höher einzuschätzen ist. Die Bilanz der beiden (21-15) ist nämlich nicht nur wesentlich ausgeglichener, mit 36 Duellen liegen sie zudem nur eine Begegnung hinter der ewigen Bestmarke von Ivan Lendl und John McEnroe, die sich im Laufe ihrer Karriere ganze 37 Mal bekämpften. Bedenkt man, dass keiner der beiden annähernd dreißig ist, versteht es sich von selbst, dass dieser im Finale eingestellte Rekord in unmittelbarer Zukunft fallen wird.

Nadals unglaubliches Comeback

Dass die Rivalität zwischen den beiden in dieser Saison wieder auf derart hohem Niveau aufblühen würde, war in der Form sicherlich nicht vorauszusehen. Vor allem hinter Nadal standen vor genau einem Jahr zahlreiche Fragezeichen.

"Es ist unbeschreiblich. Nach all dem was letztes Jahr passiert ist, bin ich überglücklich wieder im Finale zu stehen," gab der Spanier nach dem glatten Dreisatzsieg gegen Gasquet Einblicke in sein zuletzt geschundenes Seelenleben. In der Tat war die vergangene Saison aus psychologischer Sicht sicherlich eine der schwierigsten in der glanzvollen Karriere des 27-Jährigen.

Eine schwerwiegende Knieverletzung kostete Nadal nicht nur die Olympischen Spiele, sondern zudem das vierte Major, sowie den gesamten Rest der Saison. Nachdem er im Januar auch noch die Australian Open wegen eines Magen-Darm-Virus' absagen musste, rutschte er sogar auf Rang fünf in der Weltrangliste ab. Seine schlechteste Platzierung seit 2005.

Auf Hartplatz noch ungeschlagen

Umso erstaunlicher, wie unfassbar heiß Nadal seit seiner Rückkehr im Februar aufspielt. Die US Open sind das dreizehnte Turnier seit seinem Comeback im chilenischen Vina del Mare. Der Linkshänder stand dabei elf Mal im Endspiel und gewann neun Titel. Lediglich das überraschende Erstrundenaus in Wimbledon gegen Steve Darcis schmälert das Gesamtbild dieser schier unmenschlichen Spielzeit.

Die aktuelle Jahresbilanz: 59:3. Auf Hartplatz ist der Spanier sogar noch ungeschlagen, triumphierte im Frühjahr in Indian Wells, zuletzt bei den Vorbereitungsturnieren in Montreal und Cincinnati. Was Serena Williams zurzeit auf der Damentour veranstaltet, das bedeutet Nadal für das Herrencircuit.

Djokovic nur Außenseiter

"Wenn du so einen Lauf hast, dann denkst du überhaupt nicht daran, dass du eine Partie eventuell verlieren könntest. Vor allem bei den entscheidenden Ballwechseln hast du derart viel Selbstvertrauen, dass du zu keinem Zeitpunkt an dir zweifelst. Rafa weiß, dass er in Normalform jeden schlagen kann und das allein ist einfach nur ein großartiges Gefühl," schätzt Martina Navratilova die mentale Stärke von Nadal ein. Die ehemalige Weltranglistenerste weiß, wovon sie spricht, verlor sie in der Saison 1983 lediglich eine ihrer 87 Partien.

Obwohl Djokovic zurzeit das Ranking anführt und acht der letzten fünfzehn Spiele gegen den Linkshänder für sich entscheiden konnte, geht er aufgrund der sensationellen Form seines Gegners nur als Außenseiter in das Endspiel im Big Apple.

Einer Tatsache, der sich der 26-Jährige aus Belgrad auch durchaus bewusst ist: "Gegen Rafa anzutreten, ist zurzeit sicherlich die größte Herausforderung, die du dir vorstellen kannst. Er ist der ultimative Wettkämpfer, gibt keinen Ball verloren und spielt womöglich aktuell das beste Hartplatztennis in seiner gesamten Karriere. Er ist mit Abstand der heißeste Spieler auf der Tour und sieht zudem wieder sehr fit aus."

"Habe einen konkreten Plan"

Will Djokovic sein siebtes Major feiern, darf sich der Serbe keinesfalls einen Kaltstart wie gegen Wawrinka erlauben, als er fast mit 0:2 Sätzen in Rückstand geriet. Im Gegensatz zum Schweizer wird Nadal den Serben nicht mehr so einfach in das Match lassen.

"Ich habe bereits zwei Mal hier im Finale gegen ihn gespielt, weshalb ich eine genaue Vorstellung davon habe, was ich tun muss, um ihn zu schlagen. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Hoffentlich kann ich meinen Plan auch auf dem Platz umsetzen," so der Serbe.

Ein Teil dieses Plans muss es sein, wesentlich besser aufzuschlagen. Während Nadal im bisherigen Turnierverlauf lediglich ein einziges Break (gegen Gasquet) kassierte, musste Djokovic bereits satte zehn Aufschlagspiele abtreten und geriet des Öfteren bei eigenem Service in Bedrängnis.

Sampras in Reichweite

Für Nadal steht im Finale weit mehr als der 54. Saisonsieg auf dem Spiel. Triumphiert der Spanier zum zweiten Mal nach 2010 im Corona Park wäre dies auch gleichbedeutend sein 13. Grand-Slam-Sieg. Nadal würde an Roy Emerson vorbeiziehen und wäre im Alter von 27 Jahren nicht nur alleiniger Dritter in der ewigen Bestenliste, sondern außerdem in Reichweite der Meilensteine von Sampras (14) und Federer (17).

"Novak ist ein toller Sportsmann und gegen ihn anzutreten ist immer eine besondere Angelegenheit. Siege sind immer schön, vor allem wenn man sie gegen die besten Spieler auf der Tour feiern kann. Nichtsdestotrotz kann es in einem Grand-Slam-Finale nur um den Turniersieg gehen, nicht darum, einen besonderen Gegner zu schlagen."

In Anbetracht von Nadals aktueller Form hören sich diese Worte selbst aus dem Mund des so fairen Mallorquiners wie eine echte Drohung an.

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