Das Streben nach sich selbst

Von dpa
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© Getty

Stuttgart - Bei der nächtlichen Feier mit seinen Teamkollegen ließ es sich Reck-Weltmeister Fabian Hambüchen wie angekündigt "schon richtig gut gehen".

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Doch das Tanzparkett mied der 19-Jährige trotz schicken schwarzen Anzugs ebenso wie eine exzessive Feier, nachdem er zuvor 8000 Zuschauer zum Toben gebracht und eine ganze Halle "gerockt" hatte. "Ich wollte auch ein wenig meine Ruhe haben und war komplett platt", sagte er während eines Sponsorentermins im schwäbischen Pfullingen. Keine 24 Stunden nach seinem WM-Triumph jubelten ihm 180 Mitarbeiter eines Sportartikel-Herstellers zu.

Vater, Mutter, Freundin und Onkel waren dabei, als Fabian über die Probleme mit der Doping-Probe ("Ich habe mir ganz schön viel Wasser reingepfiffen") plauderte. Welche Konsequenzen sein Coup am Königsgerät haben wird, darüber hat sich Hambüchen noch keine Gedanken gemacht: "Das dauert vielleicht noch ein paar Wochen, dann habe ich das im Kopf."

Für ihn steht jedoch eins fest: "Ich versuche auch weiterhin, ich selbst zu sein und versuche, auch weiterhin in meinem bewährten Umfeld zu bleiben, egal wie groß der Erfolg wird", sagte er dem "Reutlinger General-Anzeiger".

 Schnell wieder weg vom Fenster

Dafür haben andere eine exakte Vorstellung davon, was Hambüchens kompletter Medaillensatz für ihn und die Sportart bedeutet. Der Deutsche Turner-Bund (DTB) erhofft sich zwar Rückenwind und neue Mitglieder zu den jetzigen 5,8 Millionen, aber an einen Boom glaubt keiner.

"Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Schon in dieser Woche sind wir wieder weg vom Fenster", sagte DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam in verschiedenen Interviews mit Stuttgarter Zeitungen. Um die Sportart weiter nach vorn zu bringen, seien auch Reformen durch den verkrusteten Weltverband FIF und eine stärkere TV-Präsenz nötig.

Freikörper-Kultur

Hambüchen selbst kann seinen Erfolg weiter vermarkten. "Natürlich ist sein Marktwert enorm gestiegen. Durch diesen sensationellen Erfolg ist nicht ein neuer Turnstar geboren, sondern ein neuer Sportstar", sagte Manager Klaus Kärcher. Bereits jetzt hat Hambüchen 16 Werbepartner, doch ausgesorgt hat der Abiturient noch lange nicht. "Ein Turner verdient nicht Millionen wie ein Fußballer. Dafür haben wir keine mediale Struktur. Aber wir möchten, dass Fabian so viel verdient, dass er und sein Umfeld sozial abgesichert sind", meint Kärcher.

Foto-Sessions mit freiem Oberkörper und in verschiedenen Outfits sollen die Vielseitigkeit Hambüchens demonstrieren, der alle Termine und Verträge mit seiner Mutter koordiniert. "Fabian ist authentisch, das ist das Entscheidende", sagt Kärcher.

Ab auf den Kutter

Nach dem Kraftakt von Stuttgart ist nun endlich Entspannung angesagt. Von Freitag an entspannt Hambüchen mit seiner Freundin Viktoria auf einer Mittelmeer-Kreuzfahrt. "Ich habe das ganze Frühjahr bis jetzt durchtrainiert. Ich muss einfach mal weg", sagte Hambüchen, der mit Reck-Gold, Mehrkampf-Silber und Mannschafts-Bronze als erster deutscher Turner überhaupt den kompletten Medaillensatz bei einer WM einheimste.

Der hohe Favorit auf den Reck-Titel ging dank des jahrelangen Mentaltrainings seines Onkels Bruno ohne Nervenflattern in den wichtigsten Wettkampf seines Lebens. "Die Last war schon mit der Olympia-Qualifikation der Mannschaft abgefallen. Alles danach war nur noch Zugabe", sagte Hambüchen.

300 Euro pro Mann 

Allein von den Turnprämien könnte auch er nur mehr schlecht als recht leben. Die FIG schüttete für die Bronzemedaille an sechs deutsche Mannschaftsturner insgesamt 1821,87 Euro aus. Hambüchen erhielt von der Sporthilfe immerhin 13 500 Euro.

Davon kann die Hoffnungsträgerin bei den Damen nur träumen. Marie-Sophie Hindermann hat im Sportinternat auch mit Fußballschülern des VfB Stuttgart zu tun. "Die sind auch erst 16 Jahre alt, verdienen aber 6000 Euro im Monat. Nur wenn ich sehe, wie viel die trainieren, habe ich den falschen Sport gewählt", sagte die WM-Fünfte am Stufenbarren.