Härle schwimmt zum ersten Gold

SID
Isabelle Härle beschert dem DSV-Team die erste Goldmedaille
© getty

Als Isabelle Härle zum ersten deutschen EM-Gold kraulte, schwamm Thomas Lurz mit. "Ich habe mir ihn vor mir vorgestellt und gedacht: Du musst nur an seinen Füßen dranbleiben", sagte die 26-Jährige nach ihrem Freiwasser-Coup über fünf Kilometer.

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Der Psychotrick klappte: Mit dem Rekordweltmeister, der drei Stunden nach seinem eigenen Silber-Rennen am Ufer mitfieberte, vor ihrem geistigen Auge flog die Essenerin allen davon.

Kaum war Härle aus dem Wasser der Regattastrecke Grünau geklettert, fiel ihr Lurz um den Hals. "Es war eine Spitzenleistung, beeindruckend, wie taktisch clever sie geschwommen ist", lobte der 34-Jährige und fügte schmunzelnd an: "Wenn's hilft, kann sie immer an mich denken."

Ihren ersten internationalen Titel hatte Härle vor einem Jahr noch im Sog des Ausnahmeschwimmers gewonnen. Im Teamwettbewerb in Barcelona war sie Lurz' Füßen zum WM-Gold gefolgt.

Riesen Vorsprung auf Zweitplatzierte

Diesmal schaffte sie es alleine: Im Einzelzeitrennen auf der Olympiastrecke der Ruderer und Kanuten von 1936 überholte sie drei vor ihr gestartete Konkurrentinnen, nach 57:55,7 Minuten hatte sie satte 34,2 Sekunden Vorsprung vor der Niederländerin Sharon van Rouwendaal, die tags zuvor über die doppelte Distanz gesiegt hatte.

"Dafür reißt man sich den Arsch auf, um mal ganz oben zu stehen", sagte Härle und kämpfte auf dem Siegerpodest mit den Tränen, als die Nationalhymne erklang. Die nächste Medaillenchance eröffnet sich für die Essenerin bereits am Samstag (10.00 Uhr): Dann schwimmt sie mit dem Team wieder um Gold - und Lurz ist nicht nur in Gedanken bei ihr.

Lurz verpasst knapp sechsten EM-Titel

Der Freiwasser-Dominator hatte am Morgen beim fleißigen Medaillensammeln seinen sechsten EM-Titel ganz knapp verpasst, Silber und Bronze innerhalb von 21 Stunden trösteten ihn aber. "Zwei Starts, zwei Medaillen, das sieht gut aus", sagte der zwölfmalige Weltmeister, der nach Platz drei über fünf Kilometer am Vortag Zweiter über die doppelte Strecke geworden war. Damit haben Härle, Lurz und Co. bereits ihr Soll erfüllt: "Vier Medaillen an zwei Tagen, so kann es weitergehen", meinte DSV-Präsidentin Christa Thiel: "Die Freiwasserschwimmer haben uns nie enttäuscht."

Lurz hatten zu Gold nur 2,8 Sekunden gefehlt. Knapp einen Kilometer vor dem Ziel hatte er das Tempo angezogen, den Niederländer Ferry Weertman aber nicht abhängen können. "Ich habe gedacht, ich komme durch, aber die letzten Meter zogen sich brutal hin", sagte der Würzburger. Im Endspurt spürte er die Anstrengungen seines Bronzerennens tags zuvor.

"Zum Schluss haben mir die Körner gefehlt", gab Lurz zu. Silber sei diesmal aber "ein bisschen mehr wert, denn ich war so ziemlich der Einzige mit Doppelstart".

Zwischenfall immer noch Thema

Auch am zweiten Freiwasser-Tag blieb der dramatische Zwischenfall mit der vor dem Ertrinken geretteten Polin Natalie Charlos ein Thema. Die DLRG wehrte sich gegen den Vorwurf, im Fall von Natalie Charlos zu zögerlich reagiert zu haben. "Als die Rettungsschwimmer des Bootes die Gefahr für die polnische Schwimmerin erkannten, fragten sie sofort beim Kampfgericht nach, ob sie die erschöpfte Athletin aus dem Wasser holen sollten. Die Antwort des Kampfgerichtes lautete nein", sagte der DLRG-Landeseinsatzleiter Frank Villmow.

Die Nachfrage beim Kampfgericht habe "viel Zeit gekostet", sagte Villmow und betonte: "Dieses Verfahren hat die polnische Langstreckenschwimmerin in eine lebensbedrohliche Situation gebracht." Thiel forderte eine Regeländerung. "Man sollte den Sicherheitskräften ermöglichen, sofort einzugreifen."

Charlos war kurz vor dem Ziel erst aus dem Wasser gezogen worden, nachdem sie bereits das Bewusstsein verloren hatte. Laut Reglement dürfen Rettungskräfte erst bei einem Handzeichen der Athleten eingreifen.

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