Stimmen und Meinungen zum Fall Armstrong

SPOX
19. Januar 201311:10
Ein Mann aus Kensington verfolgt das Interview zwischen Oprah Winfrey und Lance ArmstrongGetty
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Das Geständnis von Lance Armstrong hat für Aufsehen gesorgt. Experten und Sportler äußern sich zum Geständnis. Darunter zeigen sich einige enttäuscht, überrascht und verständnisvoll.

Das Doping-Geständnis des gefallenen Radstars Lance Armstrong hat bei Sylvia Schenk von Transparency International und den Anti-Dopingkämpfern Fritz Sörgel und Werner Franke Enttäuschung hervorgerufen. "Er hat nur das bestätigt, was längst auf dem Tisch lag. Es war ein letztes Zugeben, kein Geständnis. Er hat nichts über das System gesagt", sagte Schenk, ehemalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR): "Nachdem er die Rollen des perfekten Krebs-Bekämpfers und des perfekten Radprofis gespielt hat, spielt er nun die Rolle des perfekten Doping-Gestehers. Es war alles Kalkül." SPOX

Der Heidelberger Molekularbiologe Franke sprach von einem "Minimalgeständnis" und erinnerte daran, dass Armstrong Kronzeugenaussagen zufolge "Kollegen physisch bedroht und alle möglichen Tricks angewandt" habe: "Ich glaube dem grundsätzlich gar nichts. Er tut nur das, was nötig ist, um die eine oder andere seiner Millionen noch behalten zu dürfen."

Im Interview mit Oprah Winfrey: Lance Armstrong legt Doping-Geständnis ab

Sörgel bezeichnete das Geständnis gerade im Vergleich zu den Kronzeugenaussagen gegen Armstrong als "gar nichts, eine einzige Enttäuschung." Der Dopingexperte und Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg bei Nürnberg kritisierte aber auch Interviewerin Oprah Winfrey: "Dass das alles so schwach war, lag auch an Oprah, der Mutter der Nation. Das war wie Bunte oder Alfred Biolek."

Voigt zu Armstrong: "Er hatte keine andere Wahl"

Der deutsche Radsport-Routinier Jens Voigt glaubt, dass Lance Armstrong keinen anderen Ausweg als das Doping-Geständnis gesehen habe. "Er hat sich selbst in eine Ecke gedrängt und hatte keine andere Wahl", wird Voigt von der dänischen Boulevardzeitung BT zitiert: "Er hat immer 'Nein, nein, nein' gesagt, aber seine einzige Option, wieder in ein normales Leben zurückzukehren, war es, aufzustehen und mit allem auszupacken. Ich denke, es war eine große Belastung für ihn und deshalb glaube ich, dass er jetzt sehr erleichtert ist."

Armstrong habe es in diesen Tagen schwer genug, fügte Voigt hinzu. "Er wurde jetzt genug bestraft, denn er kämpft wirklich. Ich glaube, er fühlt, dass sich sein Leben jetzt verändert hat. Für mich ist es wichtig, dass er reinen Tisch gemacht hat".

Aber auch für den wie Armstrong 41-jährigen Voigt wäre es nützlich, wenn mehr über Zusammenhänge und Hintergründe bekannt würde. "Es würde helfen, die Quellen dahinter zu stoppen, so dass Medikamente nicht mehr von den gleichen Leuten kommen können. Aber ich denke auch, dass es jetzt zu einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Organisationen kommen wird. Ich glaube, dass USADA, WADA und alle anderen Doping-Behörden an dieser Sache zusammenarbeiten werden, so dass es noch nicht vorbei ist."

Sportrechtler Lehner: Armstrong war vorsichtig

Der renommierte Sportrechtsexperte Michael Lehner erwartet auch nach Ausstrahlung der Doping-Beichte von Lance Armstrong keine größeren juristischen Folgen. "Ich sehe keine großen Ansatzpunkte", sagte Lehner. Schon vor dem Interview hatte der Anwalt nicht an eine Klagewelle glauben wollen.

Armstrong habe sich "sehr bedeckt gehalten. Er war sehr vorsichtig", sagte Lehner, der unter anderem den Radprofi und Dopingsünder Stefan Schumacher vertritt, über die Eindrücke aus dem ersten Teil des Interviews bei Oprah Winfrey. Es sei "nichts aufgeklärt worden. Das hat man alles gewusst, es waren nur wenige Details". Allerdings werde sich Armstrong wie erwartet gegen Regressforderungen verteidigen müssen. "So viele Betrogene kann es aber nicht gegeben haben", sagte Lehner. Im Vorfeld war mehrfach über eine Vielzahl von Schadenersatzforderungen spekuliert worden.

Für Lehner sei es nun aber auch geboten, im Radsport den Blick auf die Zukunft zu richten. "Ich hätte schon vor ein, zwei Jahren auf eine Totalamnestie als Zeichen des Neubeginns gesetzt", sagte Lehner, der dennoch auf Konsequenzen im Weltradsportverband UCI drängt. "Die Frage ist, wie breche ich die Strukturen auf? Wie konnte es dazu kommen? Ein Neuanfang geht nur mit einer neuen Mannschaft. Man sollte das Geständnis zum Anlass für eine Stunde Null im Radsport nehmen".

Aldag fordert Aufklärung und Erneuerung

Der frühere Radprofi und jetzige Manager bei Tony Martins Quickstep-Team, Rolf Aldag, attestiert Lance Armstrong ein klares Bekenntnis zu seiner Doping-Vergangenheit. "Er hat nicht rumgeeiert, er steht zu seiner Entscheidung und seiner Geschichte", sagte der 44-Jährige. Das Entscheidende sei aber, dass es nach dem Interview einen dritten Teil gäbe, "den, wo es um Aufklärung und Erneuerung geht. Es war ein Anfang für ihn, aber er muss jetzt dranbleiben".

Aldag fand es "okay", dass Armstrong nur eine persönliche Beichte abgelegt habe und auf das Nennen von Namen, Hintergründen und Zusammenhängen verzichtete. "Es war ein Gebot der Fairness, denn sie hätten in dem Moment keine Chance, sich zu verteidigen. Wenn er Ross und Reiter nennt, dann muss er das bei den entsprechenden Autoritäten tun", sagte der frühere Telekom-Profi, der 2007 gemeinsam mit Erik Zabel ein viel beachtetes Doping-Geständnis machte.

Aldag versteht allerdings auch die Enttäuschung über die Salamitaktik von Armstrong. "Er hat natürlich weder Zweifel ausgeräumt oder Glaubwürdigkeit zurückgewonnen", sagte er. Die UCI-Funktionäre habe Armstrong aus der Schusslinie genommen.

Generell rät Aldag nun dazu, "bei aller Sensationssucht der Leute und der Medien, die Ruhe zu bewahren. Armstrong darf jetzt nicht wieder als ein Einzeltäter hingestellt werden, wir dürfen im Radsport jetzt nicht wieder die Scheuklappen aufsetzen. Ich hoffe, wir können den Bogen weiter spannen".

Bach zur Armstrong-Beichte: "Zu wenig, zu spät"

IOC-Vizepräsident Thomas Bach hat die Dopingbeichte von Lance Armstrong scharf kritisiert und unmittelbare Disziplinarmaßnahmen gegen den Radsport ausgeschlossen. "Man kann das Interview nur so zusammenfassen, dass es zu wenig, zu spät ist. Es enthält keine neuen Fakten, die nicht schon bekannt waren aus dem Bericht der amerikanischen Anti-Doping-Agentur", sagte Bach.

Wenn Armstrong Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wolle, müsse er unter Eid vor den relevanten Anti-Doping-Organisationen aussagen. "Er muss von Experten befragt werden, und seine Antworten müssen vollumfassend sein. Was wir hier gehört haben, reicht bei Weitem nicht aus", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und "Vize" des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Bach hob hervor, dass Armstrong lediglich bestätigt habe, "und auch das nur in Teilen", was die US-Anti-Doping-Behörde USADA schon vor einigen Wochen in ihrem Bericht niedergelegt hat: "Insoweit gibt es keine Ansätze für neue Maßnahmen gegen Lance Armstrong oder den Radsport generell."

Richard Pound, ehemals IOC-Vize und Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), hatte einen Olympia-Ausschluss des Radsports ins Gespräch gebracht. Das IOC hatte Armstrong dessen Bronzemedaille von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney aberkannt.

Fahey: Armstrong-Geständnis eine "PR-Show"

Die WADA hat das Geständnis des gefallenen Radsport-Helden Lance Armstrong als "PR-Show" bezeichnet. "Aus meiner Sicht gab es nichts Neues", sagte WADA-Präsident John Fahey dem australischen TV-Sender Fox News. "Er hat nur zugegeben, was die US-Anti-Doping-Agentur USADA vor Monaten detailliert nachgewiesen hat - dass dieser Mann alle möglichen Substanzen genommen hat, um seine Leistung zu steigern."

Dies hatte Armstrong bis zu seiner Doping-Beichte bei der US-Starmoderatorin Oprah Winfrey zwar bestritten. "Aber es gab eigentlich kaum Zweifel daran, und alles, was er getan hat, ist, seine Verfehlungen sehr kontrolliert einzugestehen", sagte Fahey. Armstrong hätte sich besser dafür entscheiden sollen, sich einem Kreuzverhör vor einer zuständigen Instanz zu stellen: "Da hätte er Namen nennen müssen, von den Funktionären erzählen müssen, erklären müssen, wann wo welche Fahrer eingebunden waren."

Dem Radsport-Weltverband UCI warf Fahey vor, er beschränke sich darauf, den Verdacht einer eigenen Verstrickung in die Armstrong-Affäre aus der Welt zu schaffen. "Ich glaube nicht, dass sie entschlossen sind, ihren Sport zu säubern", sagte der WADA-Chef.

Bruyneel will in einem Buch Stellung nehmen

Lance Armstrongs früherer Teamdirektor Johan Bruyneel wehrt sich auch nach dem Geständnis seines gefallenen Schützlings gegen die Dopinganschuldigungen. Wie die niederländische Zeitung De Telegraaf am Freitag berichtete, will der langjährige sportliche Leiter des Teams US Postal in einem Buch "alles in den richtigen Kontext rücken, um das falsche Bild zu korrigieren, das die USADA, die Medien und Leute wie Tyler Hamilton und Floyd Landis hervorgerufen haben."

Bruyneel hatte Armstrong bei dessen sieben Tour-de-France-Titeln als Teamchef begleitet. Bis heute bestreitet der Belgier jedoch, in die Dopingmachenschaften verwickelt gewesen zu sein. Bei einer Anhörung der USADA will Bruynell seinen Kampf gegen die Anschuldigungen fortsetzen: "Solange ich glaube, dass ich eine faire Behandlung ohne Vorurteile der USADA verdient habe, werde ich weitermachen."

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Jaksche: "Armstrong-Outing war für die Katz"

Der frühere Radprofi und geständige Doper Jörg Jaksche sieht sich nach der Doping-Beichte von Lance Armstrong in seinen Befürchtungen bestätigt. "Das Outing war für die Katz'", sagte Jaksche: "Er hat zähneknirschend eingestanden, aber er war nicht der große Aufklärer. Meine Erwartungen wurden erfüllt, ich habe mir gedacht, dass es so kommt".

Im ersten Teils des Interviews mit Oprah Winfrey hatte Armstrong erstmals eingeräumt, gedopt zu haben, aber es weitgehend vermieden, über Hintergründe zu sprechen. "Die Quintessenz war, so meine ich, dass es nach seiner Ansicht offenbar das Dümmste war, wieder zurückzukommen", sagte Jaksche. Armstrong hatte nach dem Karriereende im Jahr 2005 zwischen 2009 und 2011 ein Comeback gegeben. Später nahmen die Ermittlungen gegen ihn an Fahrt auf. SPOX

Jaksche findet, Armstrong "konnte nicht aus seiner Haut raus. Es waren die kalkulierten 75 Prozent. Armstrong überreißt nicht, dass es nicht gut war, was er gemacht hat". Er glaube auch nicht, dass der Texaner gegenüber behördlichen Insitutionen aussagen wird. "Ich glaube, das sind Lippenbekenntnisse, effektiv würde sich für ihn ja nichts verbessern", sagte Jaksche, der im Jahr 2007 Doping gestanden und danach kein Team mehr gefunden hatte. Inzwischen hat er sich der Initiative Change Cycling Now (CCN) angeschlossen, die den Radsport verändern möchte.

IOC: Armstrong soll vor die Anti-Doping-Gremien

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Lance Armstrong aufgefordert, die Strukturen hinter dem Dopingskandal offenzulegen. "Wir erwarten von Armstrong, dass er alle Beweise den Anti-Doping-Gremien vorlegt, damit wir diese dunkle Episode beenden und vorankommen können - stärker und sauberer", hieß es in einer Stellungnahme des IOC.

"Dies ist ein trauriger Tag für den Sport, der jedoch auch eine positive Seite haben kann, wenn diese Ausführungen dazu führen, einen Schlussstrich unter die früheren Praktiken zu ziehen", ließ das IOC verlauten, nachdem der frühere Radsportstar Armstrong im Interview mit Oprah Winfrey seine Dopingbeichte abgelegt hatte.

Bereits am Mittwoch, nach der Aufzeichnung der Talkshow, hatte das IOC Armstrong aufgefordert, seine Bronzemedaille aus dem Olympiazeitfahren in Sydney 2000 zurückzugeben. Der Radsport-Weltverband UCI hat Armstrong zudem seine sieben Tour-de-France-Titel aberkannt und ihn lebenslang gesperrt.

Verbruggen nach Armstrong-Beichte erleichtet

Hein Verbruggen, im Zuge des Armstrong-Skandals schwer belasteter früherer Präsident des Radsport-Weltverbandes UCI, hat mit großer Erleichterung auf die Doping-Beichte des gefallenen Ex-Stars reagiert. "Nach Jahren der Verdächtigungen gegen mich bin ich froh, dass diese Verschwörung letztlich nichts mehr als eine haltlose Theorie war", sagte der 71 Jahre alte Niederländer der Nachrichtenagentur ANP: "Diejenigen, die uns angeklagt und verdächtigt hatten, sind offensichtlich enttäuscht worden. Nichts wurde jemals vertuscht."

Die frühere UCI-Führung unter Verbruggen war im Zuge der Ermittlungen beschuldigt worden, Armstrongs System gedeckt und gegen eine Spende von 125.000 Dollar eine positive Dopingprobe bei der Tour de Suisse 2001 unter den Tisch fallen gelassen zu haben. Armstrong bestritt bei seiner Beichte die Existenz der Probe: "Diese Geschichte ist nicht wahr, es gab dort keinen positiven Test."

Tyler Hamilton: "Es tut ihm leid"

Der frühere Radprofi Tyler Hamilton hat in der Dopingbeichte seines ehemaligen Teamkollegen Lance Armstrong echte Reue gesehen. "Er ist sehr emotional, und es tut ihm definitiv leid", sagte Hamilton dem US-Fernsehsender NBC.

Armstrong hatte im ersten Teils des Interviews mit Oprah Winfrey erstmals eingeräumt, gedopt zu haben. "Ich denke, dass ist ein großer, großer Schritt für Lance Armstrong", sagte der geständige Doper Hamilton. "Er hat endlich das richtige getan. Und es ist niemals zu spät, die Wahrheit zu sagen."

Hamilton hatte als Kronzeuge im Bericht der US-Antidoping-Agentur USADA gegen Lance Armstrong ausgesagt. Dabei hatte der 41-Jährige auch behauptet, dass Armstrong seine Teamkollegen unter Druck gesetzt und zum Dopingmissbrauch gezwungen zu haben. Das stritt Armstrong allerdings ab.

Fuller: "Mehr Fragen offen als beantwortet"

Die neu formierte Anti-Doping-Bewegung Change Cycling Now (CCN) hat die Doping-Beichte des gefallenen Radsport-Idols Lance Armstrong als halbherzig und enttäuschend abgetan. "Es war kein volles Geständnis, sondern eine Reihe von zweckmäßigen Halbwahrheiten", sagte CCN-Gründer Jamie Fuller: "Der Autritt lässt mehr Fragen offen, als er Antworten gibt, und ich habe keinen Grund zu glauben, dass es im zweiten Teil des Interviews anders wird."

Fuller warf Armstrong zudem vor, bezüglich seiner 125.000-Dollar-Geldspende an den Weltverband UCI die Unwahrheit gesagt zu haben. "Er behauptet, dass er das Geld nicht gespendet habe, um einen positiven Test zu vertuschen. Vielmehr habe ihn die UCI um die Spende gebeten, und er habe sie gegeben, weil er das Geld übrig gehabt habe und bereits zurückgetreten sei. Sein Rücktritt war aber 2005, die Geldspende bereits 2002. Das ist so eine große Ungenauigkeit, dass man dem Rest seiner Aussagen auch nur schwer glauben kann."

Fuller, dessen Bündnis die UCI für ihre umstrittene Rolle im Armstrong-Fall und dem daraus resultierenden massiven Imageschaden für den Radsport zur Verantwortung ziehen will, kritisierte den Weltverband für seine Reaktion auf die Beichte des Texaners: "Sie waren sehr schnell dabei, sich durch Armstrongs Aussagen von allen Vorwürfen befreit zu erklären. Dabei werfen diese noch mehr Zweifel an der Handlungsweise der UCI auf. Diese sollte nun selbst eine ernsthafe Fragen beantworten."

Die frühere UCI-Führung unter dem schwer belasteten Ex-Präsidenten Verbruggen war im Zuge der Ermittlungen beschuldigt worden, Armstrongs System gedeckt und gegen eine Geldspende eine positive Dopingprobe bei der Tour de Suisse 2001 unter den Tisch fallen gelassen zu haben. Armstrong bestritt bei seiner Beichte die Existenz der Probe: "Diese Geschichte ist nicht wahr, es gab dort keinen positiven Test."

Eddy Merckx: "Habe das nicht kommen sehen"

Die belgische Radsportlegende Eddy Merckx hat mit Enttäuschung auf die Dopingbeichte von Lance Armstrong reagiert. "Ich habe das nicht kommen sehen. Ich weiß nicht, wie er da hingeraten konnte, jeden zu jederzeit anzulügen", sagte der fünfmalige Tour-de-France-Sieger der belgischen Tageszeitung Le Soir. "Ich stand ihm sehr nahe. Ich habe ihm oft in die Augen geblickt, und wenn wir über Doping diskutiert haben, war da ein klares Nein."

Erst seit dem Enthüllungsbericht der US-Anti-Doping-Agentur USADA setzte sich Merckx mit dem Fall von Armstrong auseinander. Bereits damals war die Enttäuschung riesig, "aber jetzt ist sie noch viel größer."

Armstrong hatte im ersten Teils des Interviews mit Oprah Winfrey erstmals eingeräumt, gedopt zu haben. Zudem erklärte der Texaner, dass es unmöglich sei, die Tour ohne Doping zu gewinnen. "Das ist ein Skandal für die anderen Fahrer", sagte Merckx.

Prudhomme: Armstrongs Beichte "kalkulierte PR"

Tourchef Christian Prudhomme hat Lance Armstong für dessen Doping-Beichte kritisiert und von "kalkulierter PR" gesprochen. Dem Franzosen geht das Geständnis des gefallenen Radstars nicht weit genug. "Wir müssen mehr über das organisierte Dopingprogramm erfahren", sagte der 52-Jährige im englischen York, wo im kommenden Jahr die zweite Etappe der Tour de France beginnt.

"Wir müssen mehr wissen, um den Dingen auf den Grund gehen zu können. So weit, dass so etwas nicht wieder passieren kann", sagte Prudhomme.

Prudhomme verlangt, dass Armstrong auch die Hintermänner nennt. "Was wir gesehen haben, war kalkulierte PR mit einstudierten Antworten. Man kann nicht wie er über Jahre ohne Hilfe dopen. Wir haben schon lange gesagt, dass ein Fahrer nicht alleine den Preis bezahlen sollte", so Prudhomme.

Der Tour-Direktor ist der Meinung, dass Armstrong für den entstandenen Schaden zahlen solle. "Wenn er sagt: Ja, ich habe gedopt, dann sollte er von sich aus das Geld zurückgeben. Das ist für mich naheliegend." Dieses solle dem Anti-Doping-Kampf zufließen.

Prudhomme will nach vorn schauen, sieht den Skandal aber noch nicht als abgeschlossen an: "Armstrong ist Vergangenheit. Ihm wurden seine Tour-Titel entzogen. Wir müssen uns auf die Zukunft konzentrieren, aber wir müssen noch mehr wissen, und er muss noch mehr sagen."

Scharping: Armstrong-Geständnis kein Meilenstein

Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), misst der Dopingbeichte von Lance Armstrong nur geringe Bedeutung bei. "Wieso soll das ein Meilenstein sein, wenn ein überführter Sünder genau das und vielleicht ein bisschen weniger zugibt, was im Bericht der amerikanischen Anti-Doping-Agentur steht?", sagte der frühere Bundesverteidigungsminister im Hessischen Rundfunk: "Er hat nichts über Hintermänner gesagt, er hat nichts über Verbindungen zu Funktionären gesagt."

Scharping hält die Aussagen des Texaners für Kalkül: "Er will der lebenslangen Sperre entgehen, und er will auch nicht in Konflikt geraten mit Leuten, die ihm mit der Rückzahlung von Sponsorengeldern auf den Fersen sind."

Zudem lobte der BDR-Boss den deutschen Anti-Doping-Kampf als vorbildlich: "Eins kann man, glaube ich, nicht bezweifeln. Dass nämlich im deutschen Radsport mit großer Härte und großer Konsequenz gegen Doping vorgegangen wurde. Deswegen gibt es in Deutschland seit den Dummheiten von Herrn Sinkewitz auch keinen Doping-Fall mehr im Radsport."

Auch die Tennis-Welt zeigt sich entrüstet

Die Tennis-Weltranglistenerste Wiktoria Asarenka hat den Doping-Sünder Lance Armstrong am Rande der Australian Open harsch kritisiert. "Er verdient alles, was er bekommt. Du kannst das nicht alles machen und am Ende des Tages als Held dastehen. Du kannst nicht lügen und betrügen", sagte die 23-jährige Weißrussin nach ihrem Achtelfinal-Einzug in Melbourne.

"Jeder arbeitet so hart, um der Beste zu sein. Und das hat man zu respektieren. Du kannst nicht einfach andere Wege gehen", erklärte Asarenka. Das einzige, was ihr an dem Interview gefallen habe, war Armstrongs Aussage, er erwarte nicht, dass ihm jemand verzeihe.

Auch die Amerikanerin Serena Williams hatte nur Spott für ihren Landsmann übrig. "Es war ein trauriger Tag für alle Sportler im Allgemeinen. Aber noch enttäuschender für die, die davon betroffen sind", sagte die bei den Australian Open an Position drei gesetzte Williams.

Am Freitag hatte bereits Melbourne-Titelverteidiger Novak Djokovic (Serbien) den tief gefallenen Armstrong als "Schande für den Sport bezeichnet". Er solle "für seine Lügen büßen", meinte Djokovic.