"Glock ist kein Meilenstein"

Von Interview: Bastian Strobl
Timo Glock geht in der neuen DTM-Saison für BMW an den Start
© bmw

Die neue DTM-Saison nähert sich mit großen Schritten. Wie geht es für BMW nach dem triumphalen Comeback mit drei Titeln weiter? Motorsportchef Jens Marquardt spricht im Interview mit SPOX über das Jahr danach, die Verpflichtung von Timo Glock und erklärt, warum er nicht zum Workaholic wird.

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SPOX: Herr Marquardt, wie verbringt ein BMW-Motorsportdirektor nach einer langen und erfolgreichen Saison mit drei Titeln die Wintermonate? Man hört immer wieder, dass Sie ein passionierter Skifahrer sind.

Jens Marquardt: Das stimmt, Skifahren ist eine Leidenschaft von mir. Allerdings bin ich erst Ende Januar zum ersten Mal in diesem Winter dazu gekommen. Die Tage um Weihnachten haben meiner Familie gehört. Und nun läuft die Saisonvorbereitung schon wieder in vollen Zügen. Die ersten Testfahrten sind gemacht, die Motoren heulen wieder. Bruno Spengler hat mir erst letztens gesagt: "Die Zeit ohne DTM macht mich ganz kribbelig." Man merkt, dass es alle nicht mehr erwarten können.

SPOX: Menschen in Ihrer Position gelten nicht selten als Workaholics. Finden Sie denn Zeit, auch mal abzuschalten?

Marquardt: Diese Zeit muss man sich einfach nehmen. Es ist wichtig, den Akku komplett aufzuladen. Das ist wie bei einer Batterie mit dem Memory-Effekt. Die Kapazität nimmt mit der Zeit ab, wenn man sie immer nur halb auflädt. Natürlich gibt es auch Phasen, in denen ich an nichts anderes denken kann als an die Arbeit. Aber dann nehme ich mir auch keine Ruhepause, weil ich weiß, dass ich sowieso nicht entspannen könnte. Wenn ich dann aber mal Golf spielen gehe, schalte ich auch mein Handy aus. Dass es trotzdem nicht für ein gutes Handicap reicht, liegt wohl eher an mir (lacht).

SPOX: Ihr Vorgänger Dr. Mario Theissen hat über seinen Job als Motorsportchef gesagt: "Das einzige Buch, das ich in der Zeit gelesen habe, war der Shell-Atlas und das auch nur, bis die Navi-Systeme ins Auto kamen." Wie steht es mit Ihnen?

Marquardt: Ich lese nicht den Shell-Atlas, keine Sorge (schmunzelt). Erstens haben unsere Autos hervorragende Navi-Systeme, weshalb ich noch nie fehlgeleitet wurde. Zweitens komme ich durchaus dazu, mir ein richtiges Buch vorzunehmen. Ich habe als letztes die Biografie von Andre Agassi gelesen, die sehr interessant war. Außerdem hat mir Alex Zanardi sein Buch geschenkt, indem ich immer mal wieder blättere. Da sind ein paar Stellen dabei, über die man herzhaft lachen kann.

SPOX: Dabei hatten Sie in der letzten Saison wohl auch so genügend zum Lachen. Haben Sie das triumphale BMW-Comeback mittlerweile realisiert?

Marquardt: Es hat eine Zeit lang gedauert, das muss ich zugeben. Das Hockenheim-Wochenende war eine emotionale Achterbahnfahrt. Ich bin die Geschehnisse im Nachgang öfters noch mal durchgangen. Bei einem Vortrag habe ich sogar eine Präsentation mit einer Folie gezeigt, auf der ich Hockenheim 1, also den Saisonstart, und Hockenheim 2, das Finale, miteinander verglichen habe. Beim ersten Rennen ist mir ein Bergwerk voller Steine vom Herzen gefallen. Die Ungewissheit davor war riesig. Im Laufe der Saison haben wir uns in allen Bereichen verbessert und waren auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Aber es war wichtig, immer realistisch und mit einer Portion Demut die Sache zu betrachten.

SPOX: Im US-Sport ist nach einer Meisterschaft häufig die Rede vom sogenannten "Championship Hangover". Haben Sie die Befürchtung, dass Ihr Team bereits satt sein könnte?

Marquardt: Nein, es lief ja nicht alles optimal. Wir haben uns nach aller Euphorie zusammengesetzt und das Jahr in Ruhe analysiert. Wir haben viel gelernt und Bereiche entdeckt, bei denen wir nachlegen müssen. Natürlich kann die Kurve nicht weiter so steil nach oben gehen, sie wird abflachen. Aber das ist ganz normal. Wichtig wird sein, dass die Kurve auf keinen Fall nach unten geht. Das ist unsere neue Herausforderung. Die Konkurrenz will uns sicherlich die Suppe versalzen.

SPOX: Lassen Sie sich eine konkrete Zielvorgabe entlocken?

Marquardt: Zielvorgaben im Sport sind relativ einfach: Man will gewinnen. Aber wir wissen alle, dass sich Siege nicht planen lassen. Insofern nehmen wir die Herausforderung an, wissen aber auch, wie stark die Konkurrenz sein wird. Wir sind der Titelverteidiger. Wir sind die Gejagten. Eine schönere Position gibt es eigentlich gar nicht.

Seite 2: Marquardt über die Glock-Verpflichtung und die DTM-Zukunft

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