Ein Kuhhirte und der Big Black Boy

SID
Julius Yego aus Kenia ist im Speerwurf ein absoluter Goldanwärter
© getty

Als Bub schmiss Julius Yego beim Viehhüten Holzstöcke durch Kenias Hochland, mit 26 greift er bei der WM in Peking nach Speerwurf-Gold - mit Bärenkräften und Gottvertrauen: "Gott ist ein großer Geber. Er lässt seine Leute niemals im Stich, wenn sie ihm ein kleines Gebet widmen", sagt der Sensations-Aufsteiger, der in China die Reihe der exotischen Medaillen-Anwärter anführt.

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Exoten sind nichts Ungewöhnliches bei Weltmeisterschaften. Außergewöhnlich ist jedoch sehr wohl, dass sie sich mittlerweile in der Weltspitze häufen - Speerwerfer aus Kenia, Diskuswerfer aus Jamaika, Sprinter aus Botswana. "Die Leichtathletik ist im Wandel", sagt der deutsche Chefcoach Idriss Gonschinska: "Nationen dringen auch abseits ihrer traditionellen Disziplinen in die Weltspitze vor."

Yego, der im Juli mit 91,39 m den weltweit besten Speerwurf seit neun Jahren abfeuerte, ist ein Paradebeispiel. Als Kenianer vergötterte Yego die großen Laufstars seines Landes, Olympiasieger Kip Keino und Marathon-Ass Paul Tergat waren die Helden seiner Kindheit, die er zum Großteil bei der elterlichen Herde verbrachte: "Während ich die Kühe im Auge hatte, habe ich Holzstöcke geworfen. Das hat mein Interesse am Speerwurf geweckt."

Yego lernte von YouTube-Videos

Die Grundlagen eignete sich Yego als Autodidakt an, in den Wurfdisziplinen war Kenia ein Niemandsland. Yego studierte auf Youtube-Videos Topstars wie Jan Zelezny und Andreas Thorkildssen, gewann High-School-Wettkämpfe, schaffte es ins Nationalteam, der Weltverband spendierte ein Trainingsstipendium in Finnland. Kenia erntet jetzt die Früchte.

Einer seiner härtesten Kontrahenten ist ein anderer Exot - und der hat die Leichtathletik-Welt bereits auf den Kopf gestellt: Keshorn Walcott, ein damals 19-Jähriger aus der Sprinterhochburg Trinidad und Tobago, holte 2012 sensationell Olympia-Gold. Sein Coup galt als "Lucky Punch" - die Siegesweite von 84,58 m war die schwächste bei Sommerspielen seit 1988. Seit Juli aber gehört Walcott mit 90,16 zum Kreis der 90-Meter-Werfer. "In Peking gibt es ein Feuerwerk", verspricht er.

Dikus-Titel in die Karibik?

Überhaupt die Werfer: Auch der Diskus-Titel könnte in die Karibik gehen - der Jamaikaner Jason Morgan reist mit 68,19 m als Nummer zwei der Welt an. An Selbstvertrauen mangelt es dem 32-Jährigen nicht: "Nur ich selbst kann mich stoppen, ich bin der Big Black Boss", teilte Morgan mit.

Auch auf den Laufdistanzen haben sich Überraschungs-Kandidaten in Stellung gebracht. Über 800 m führt ein Bosnier die Weltrangliste an: Amel Tuka lief in Monaco 1:42,51 Minuten - als einzige Europäer waren bislang die Ex-Weltrekordler Wilson Kipketer und Sebastian Coe sowie Athen-Olympiasieger Juri Borsakowski schneller.

Makwala in neue Dimension

Afrikanische Stars auf der Stadionrunde gab es bereits einige: Samson Kitur oder Samuel Matete, die Weltmeisterinnen Amy Mbacke und Amantle Montsho. Doch Isaac Makwala aus Botswana lief 2015 fast schon in neue Dimensionen. 43,72 Sekunden legte der 29-Jährige aus dem Zwei-Millionen-Einwohner-Land hin, schneller waren bislang allein die US-Ikonen Michael Johnson, Butch Reynolds, Quincy Watts und Jeremy Wariner.

Allerdings läuft bei Makwala stets der Verdacht mit: Seine Landsfrau Montsho wurde im Vorjahr nach einem ähnlichen märchenhaften Aufstieg als Dopingsünderin enttarnt.

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