"Harting zum Scheitern verurteilt"

Von Adrian Franke
Robert Harting will ein Zeichen setzen
© getty

Die ARD hat mit der Dokumentation "Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik" kurz vor der Leichtathletik-WM in Peking (22. bis 30. August) für Aufsehen gesorgt und zum Nachdenken angeregt. Der verantwortliche Redakteur Hajo Seppelt meldete sich exklusiv gegenüber Omnisport zu Wort und legte seine kritische Sicht auf den Weltverband IAAF und Spitzensport generell unmissverständlich dar.

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"Ich glaube, dass man ganz viel Spitzensport nicht mehr ernst nehmen kann. Das hat nicht nur die Leichtathletik gezeigt in den letzten Wochen und Monaten. Das ist auch schon viel länger ein Problem in dieser Sportart, nur jetzt wird eben darüber geredet", stellte Seppelt im Gespräch mit Omnisport klar. Immerhin müsse man immer wieder hinterfragen, "was da eigentlich wirklich passiert" und auch in anderen Sportarten können in den kommenden Jahren durch mangelnde Transparenz "ähnliche Probleme" ans Licht kommen.

Weiter betonte der Doping-Experte: "Man muss davon ausgehen, dass das, was uns Sportverbände oder auch Doping-Bekämpfer häufig sagen, nämlich dass die geringen Quoten bei Dopingtests zeigen, dass das Problem weitgehend offensichtlich im Griff ist und es nur ein paar schwarze Schafe gibt, völliger Unsinn ist. Ich glaube diese Grauzone des Dopings ist viel größer, als viele bisher geglaubt haben."

Der Einfluss der IAAF auf nachforschende Studien helfe da wenig: "Die IAAF behauptet, sie habe von ihrem Veto-Recht keinen Gebrauch gemacht. Aber allein die Tatsache, dass es ein Veto-Recht gibt, zeigt ja, dass sie einen Einfluss auf die Bekanntgabe von Ergebnissen nehmen kann und vielleicht auch möchte. Das finde ich sehr frappierend, denn der Sinn einer solchen Studie ist es ja, Aufschluss zu gewinnen über die Verbreitung des Dopings in der Leichtathletik."

Harting-Aktion "zum Scheitern verurteilt"

Durch die Aktion von Diskus-Olympiasieger Robert Harting, der genau wie Geher Andre Höhne und 800-Meter-Läufer Robin Schembra eigene Blutwerte veröffentlicht hatte und damit seinen Forderungen nach Reformen in der IAAF Nachdruck verleiht, erwartet Seppelt derweil wenig Veränderung: "Ich glaube, da müsste es viel mehr geben. Die wenigen, die sich jetzt mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion zusammengetan haben, werden sicher nicht dazu beitragen, dass die Leichtathletik-Welt völlig kippt und der Weltverband ins Wanken gerät."

Dafür brauche es "noch viel größerer Anstrengung und viel mehr Leute. Die sehe ich im Moment nicht und so löblich ich dieses Unterfangen sehe, glaube ich gleichzeitig, dass das zum Scheitern verurteilt ist, wenn sich nicht noch viel, viel mehr Leute zusammentun." Die anstehende WM sei hierfür eine "gute Bühne".

So könne man den Verband weiter unter Druck setzen: "Ich glaube schon, dass die IAAF in den letzten Jahren nicht völlig untätig gewesen ist und es stimmt schon, dass sie sicherlich ihre Anstrengungen unternommen hat. Die waren manchmal von Erfolg gekrönt, manchmal eben auch nicht. Ich glaube, es täte der IAAF viel, viel besser, wenn sie einfach eingestehen würde, dass sie an ihre Grenzen gekommen ist und es nicht nur damit zu tun hat, dass man das Doping-Problem nicht in den Griff bekommen wollte."

Stattdessen sei es an den Ressourcen gescheitert, "an finanziellen Ressourcen, an rechtlichen Einschränkungen, an logistischen Problemen. All das ist ja möglich, aber dann muss man das irgendwann auch laut sagen und eingestehen, dass man diese Verbreitung des Dopings mit den vorhandenen Mitteln einfach nicht in den Griff bekommt. Stattdessen hat man sich jetzt überall in der Öffentlichkeit Gegner geschaffen."

Gleiche Fehler wie die UCI?

Als besonders besorgniserregend sieht es Seppelt, dass die IAAF nichts aus der Vergangenheit gelernt hat: "Ich glaube, die IAAF macht genau den gleichen Fehler, den vor ein paar Jahren der Radsport gemacht hat." So habe sich auch die UCI vor einigen Jahren keinen Gefallen getan, "als man alle Medienberichte abcancelte, als man sich in einer Wagenburg verschanzte, als man sich ja noch schützend vor Lance Armstrong gestellt hat. Ich finde, wir erleben das jetzt in einer ähnlichen Art und Weise in der Leichtathletik."

Auch beim Umgang mit den Wissenschaftlern habe sich die IAAF nicht mit Ruhm bekleckert. Immerhin hatte Präsidentschaftskandidat Sebastian Coe "die von der ARD und der Sunday Times beauftragten Wissenschaftler und Blutdoping-Experten aus Australien, Michael Ashenden und Robin Parisotto, die ja in unserem Auftrag sportfachlich die Blutdatenbank der IAAF begutachtet haben", als "sogenannte Experten" abgetan - zwei Männer, die weltweit als führende Experten gelten und den EPO-Test mit erfunden haben.

Dass sich Russland, wo besonders viele Auffälligkeiten festgestellt worden waren, indes trotz der erdrückenden Beweislast weiter gegen die Doping-Vorwürfe wehrt, sorgt bei Seppelt nur für "Kopfschütteln": "Das kann ich nur damit erklären, dass man offensichtlich das eigene Volk ein Stück weit beruhigen und den Eindruck erwecken möchte, dass der Klassenfeind gekommen ist und von außen ihnen versucht zu sagen, was die Wahrheit ist - die aber natürlich keiner glauben darf. Anders kann ich mir das nicht mehr erklären."

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