Boxen - Bernd Bönte im Interview: "Wochen später hat man noch die Bissspuren gesehen"

Von Carl Neidhardt
Bernd Bönte und Wladimir Klitschko beim Schachspielen.
© getty

Bernd Bönte war rund 15 Jahre als Manager von Wladimir und Vitali Klitschko sowie als Geschäftsführer der gemeinsamen Firma tätig. Vor dem Rückkampf zwischen Andy Ruiz Jr. und Anthony Joshua (Sa., 21.15 Uhr live auf DAZN), bei dem Bönte als Experte dabei sein wird, sprach der heute 63-Jährige im Interview mit SPOX und DAZN darüber, wie er mit den Klitschko-Brüdern in Kontakt kam und die Zeit mit den beiden langjährigen Weltmeistern im Schwergewichtsboxen erlebt hat.

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Außerdem äußerte sich Bönte zu Wladimir Klitschkos Niederlage gegen Tyson Fury und erzählte von "irren Typen", die mit Bissen und Spuckattacken auf sich aufmerksam machten.

Herr Bönte, was hat Sie mehr geschmerzt: der Abstieg des Hamburger SV in die 2. Bundesliga oder Wladimir Klitschkos Niederlage gegen Tyson Fury?

Bernd Bönte: Die Niederlage mit Fury hat viel mehr geschmerzt, weil ich da ganz persönlich involviert war. Wenn man zu jemandem ein so langjähriges, enges Verhältnis hat, fühlt man da besonders mit.

Auf den Kampf gegen Fury kommen wir später noch zu sprechen. Die Frage zum Hamburger SV kommt aber nicht zufällig. Sie waren schließlich von 2014 bis 2018 Mitglied des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG. Die härteste Zeit Ihres beruflichen Lebens?

Bönte: Es war zumindest eine sehr interessante und schwierige Zeit für den HSV. Ich bin damals vom HSV gefragt worden, ob ich mithelfen kann, muss aber gestehen, dass ich seit meiner Kindheit FC-Bayern-Fan bin. Da liegt mein Herzblut.

Ihr eigentliches Steckenpferd ist aber das Boxen. Wie haben Sie Ihre Liebe zu diesem Sport entdeckt?

Bönte: Das lief über meinen Vater, der in der Universitätsstaffel in Münster als Boxer aktiv war. Wenn Muhammad Ali geboxt hat, hat er mich als kleinen Jungen immer geweckt. Als Ali bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom gekämpft hat, sagte mein Vater, dass er gerade die Zukunft des Boxens gesehen hätte - und damit sollte er definitiv Recht behalten.

Ihre Faszination fürs Boxen sorgte schließlich dafür, dass Sie die berufliche Laufbahn des Sportjournalisten einschlugen.

Bönte: Richtig. Ich habe für Tele 5 eine Box-Sendung moderiert und durfte 1989 zu meinem ersten großen Kampf nach Las Vegas: Rematch zwischen Thomas Hearns und Sugar Ray Leonard. In den 90er-Jahren ging es dann bei Sat1 und Premiere weiter. In dieser tollen Zeit das Schwergewichtsboxen mit Namen wie Tyson, Foreman und Holyfield am Ring mitzuerleben, war großartig. Das gehört sicherlich zu den absoluten Highlights meiner Karriere.

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Bernd Bönte: Klitschkos? "Es ging nicht um Vermarktung"

Zur Jahrtausendwende wechselten Sie ins Sportmanagement und betreuten Wladimir und Vitali Klitschko. Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Schritt?

Bönte: Während ich bei Premiere die Boxsport-Redaktion geleitet habe, kamen die beiden 1996 zu Universum Box-Promotion nach Deutschland. Ich setzte sie dann immer wieder als Experten ein, sodass wir uns über diese Schiene immer besser kennengelernt und gemeinsame Reisen unternommen haben. Als die beiden merkten, dass ich ein bisschen Expertise in diesem Geschäft besitze, haben wir irgendwann gesagt, dass wir eigentlich auch mal zusammenarbeiten könnten. So ging das dann ab dem Jahr 2000 los - zunächst als Manager, ab 2007 über elf Jahre als Geschäftsführer unserer gemeinsamen Firma.

Hatten Sie bei den beiden von Beginn an die Vision einer Weltmarke?

Bönte: Nein, ich habe einfach zwei klasse Typen gesehen, mit denen ich mich wahnsinnig gut verstanden habe. Dass sie unglaubliches Potenzial im Ring hatten, war sowieso klar. Da war ich nicht der einzige, dem das aufgefallen ist. Wladimir ist 1996 immerhin Olympiasieger im Superschwergewicht geworden, weshalb es einige Promoter gab, die sich speziell um ihn gerissen haben. Vitali war für viele das Beiblatt und diejenigen, die damals keine entsprechenden Angebote gemacht haben, werden das sicher später bereut haben.

Trotzdem gab es in diesem Dreiergespann eine Markenbildung, die ökonomisch interessant war, oder?

Bönte: Wir haben damals den Begriff "Power and Brain" geprägt. Da war sicher auch etwas dran, denn die beiden haben alles mitgebracht - sie waren zu zweit, nicht zu übersehen, gute, intelligente Typen und konnten etwas in ihrem Sport. Dennoch war am Ende des Tages einfach wichtig, wohin man gemeinsam gehen möchte und wie man das macht. Dabei ging es aber wie gesagt nicht um die Vermarktung, sondern wirklich um die sportlichen Erfolge. Der pekuniäre Aspekt kam dann automatisch.

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© getty

Bernd Bönte weist Kritik gegen Klitschko-Brüder zurück

Die Klitschko-Brüder haben das Schwergewichtsboxen über Jahre dominert. Dennoch wurde gerade Wladimirs Box-Stil immer wieder als zu unspektakulär kritisiert. Wie bewerten Sie das?

Bönte: Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Natürlich gibt es immer Leute, die einen offenen Schlagabtausch lieben. Aber erstens ist das nicht besonders gesund - es gibt schließlich auch noch eine Karriere nach der Karriere. Und zweitens gehört zum Boxen nicht nur die Offensive, sondern auch die Defensive. Wladimir und Vitali haben sehr stark auf Letztere geachtet und sind damit mega erfolgreich gewesen. Man kann die Herangehensweise auch auf den Fußball übertragen, Otto Rehhagel hat immer gesagt: "Die Null muss stehen." Damit hat er zu 100 Prozent Recht gehabt. Wenn hinten kein Tor fällt, hat man vorne immer noch Möglichkeiten. Schlechter als ein 0:0 kann es dann nicht werden.

Weitere Kritik gab es im Bezug auf die vermeintlich zu leichte Gegnerauswahl.

Bönte: Auch das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Beide Klitschkos haben alle Leute, die damals in den Top 10 zur Debatte standen, geboxt. Wir sind nicht einer Mandatory aus dem Weg gegangen. Selbst den Kampf Wladimir gegen Deontay Wilder wollten wir immer unbedingt, da hat der WBC aber einen Rückzieher gemacht.

Wladimir und Vitali haben nie gegeneinander geboxt - allein ihrer Mutter zuliebe. Haben Sie mal versucht, den beiden ein Bruder-Duell schmackhaft zu machen?

Bönte: Niemals. Ich habe selbst zwei Brüder und könnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich für Geld gegen sie in den Ring steige. Genauso war das bei den Klitschkos auch. Und wie hätte so ein Kampf überhaupt aussehen sollen? Jeder hätte gedacht, dass das eine absolute Fake-Nummer wird, bei der sich beide vorher absprechen und abkassieren - erst gewinnt der eine, dann im Rückkampf der andere. Das war also nie ein Thema.

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