Khoren Gevor geht auf Ringrichter los

SID
Nach einem Kopfstoß von Khoren Gevor (M.) brach Ringrichter Manfred Küchler (l.) den Kampf ab
© Imago

Beim WM-Fight zwischen Supermittelgewichts-Champion Robert Stieglitz und Herausforderer Khoren Gevor flogen auch nach dem Kampfende die Fäuste. Der Deutsch-Armenier Gevor sorgte mit einer Attacke auf den Ringrichter für einen der größten Skandale in der deutschen Box-Geschichte.

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Mit langsamen Schritten und scheinbar beherrscht geht Khoren Gevor auf die Seile zu, doch als seine Augen den Ringrichter erfassen, sieht der Deutsch-Armenier rot. Wie ein wildgewordener Stier rennt der Boxer auf Manfred Küchler zu und prügelt auf ihn ein. Fast ein Dutzend hünenhafter Männer haben Mühe, den mit Adrenalin vollgepumpten Gevor von dem Unparteiischen wegzuziehen.

Supermittelgewichts-Weltmeister Robert Stieglitz bekommt von dieser Szene nichts mit, ein Arzt behandelt ihn wegen eines Cuts über dem rechten Auge - zugefügt von Khoren Gevor. Dessen Kopfstoß in der zehnten Runde des WM-Kampfs gegen den WBO-Champion und die anschließende Disqualifikation lösten in der Magdeburger Bördelandhalle einen der größten Skandale der deutschen Box-Geschichte aus.

Gevor: "Nie wieder Deutschland"

"In Khoren ist in dem Moment ausgebrochen, was sich in all den Jahren mit vielen Fehlentscheidungen gegen ihn angestaut hat. Aber das entschuldigt sein Verhalten natürlich nicht", sagte Gevors Manager Peter Schulze. Einsicht zeigte Gevor aber auch nach einer Nacht Schlaf nicht. Statt sich zu entschuldigen, ließ der 32-Jährige am Sonntag lediglich verlauten: "Ich werde nie wieder in Deutschland boxen."

Das ist in der Tat ziemlich sicher, denn sein Ruf ist hierzulande ramponiert. Allerdings droht ihm sogar weltweit ein lebenslanges Berufsverbot. "Asozial und primitiv, der Mann gehört lebenslang gesperrt. Dafür werde ich sorgen", sagte Jean-Marcel Nartz, der für den Kampf angesetzte technische Delegierte des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB).

Noch vor zwei Wochen war Gevor der große Held. In Amsterdam rettete er einem kleinen Mädchen, das seine Zunge verschluckt hatte, das Leben, indem er Erste Hilfe leistete. Für die sportliche Karriere des Boxers Gevor kommt jetzt aber wohl jede Hilfe zu spät.

Auch Umkleide demoliert

Auch Stieglitz' Trainer Dirk Dzemski forderte, Gevor für immer aus dem Verkehr zu ziehen. "Ich glaube nicht, dass man diesem Sportler noch eine zweite Chance geben sollte", sagte der Coach, der im Ring selbst fast Opfer des Amoklaufs geworden wäre. Einen Kopfstoß des gebürtigen Armeniers konnte er gerade noch ausweichen.

Nach seinen Entgleisungen im Ring wurde Gevor begleitet von etlichen Sicherheitsleuten und einem gellenden Pfeifkonzert in die Kabine gebracht. Dort wütete der im rheinischen Kleve wohnende Boxer weiter. Nachdem er seinen Umkleideraum in Einzelteile zerlegt hatte, nahm ihn Manager Schulze in Schutzhaft und schloss ihn ein.

Der ehemalige Schwergewichtler Axel Schulz und viele der im Schnitt 3,26 Millionen Fernsehszuschauer sahen sich an legendäre Ausraster des früheren "Pitbulls" Mike Tyson erinnert.

Schulz: "Gevor wie Tyson"

"Der Kampf ist Gevor irgendwann aus den Händen geglitten, und dann ist er durchgedreht", sagte Sat.1-Experte Schulz und meinte zur Situation, die zum Kampfabbruch führte: "Das war ähnlich wie damals bei Tyson, als der Evander Holyfield das Ohr abgebissen hat."

In Magdeburg hatten sich Ende der zehnten Runde beide Boxer ineinander verkeilt und waren wie bei einer Ringereinlage zu Boden gefallen. Dort soll dann der immer unsauberer boxende Herausforderer dem Titelverteidiger einen Kopfstoß verpasst haben.

"Das war pure Absicht", sagte Stieglitz, der zum Zeitpunkt des Kampfabbruches auf allen drei Punktrichter-Zetteln deutlich vorne lag: "Aber ich hätte ihn sowieso noch K.o. gehauen." Der 29-Jährige feierte in seiner Heimatstadt den 40. Sieg im 42. Kampf seiner Profikarriere, den WM-Titel verteidigte er zum vierten Mal erfolgreich.

Auch Culcay siegreich

Gevor, der nach der schweren Knieverletzung des eigentlich als Gegner vorgesehenen WBA-Weltmeisters Dimitri Sartison kurzfristig eingesprungen war, konnte auch seine vierte WM-Chance nicht nutzen. Während er nach seinen Niederlagen gegen Arthur Abraham (2007) und Felix Sturm (2009) aber noch von den Experten gelobt wurde, hat er sich mit seinen Ausrastern nun alle Sympathien verspielt. Und wahrscheinlich auch seine Karriere.

Neben Robert Stieglitz war auch Jack Culcay siegreich: Im Vorprogramm gewann er gegen den Georgier Mikheil Khutsishvili nach drei Runden durch technischen K.o.

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