Ahmet Öner: "Ich habe kein Zuhause"

Von Interview: Haruka Gruber
Ex-Halbschwergewichtler Ahmet Öner gründete 2006 den Boxstall Arena
© Imago

Er selbst weiß, dass er der "deutsche Vorzeige-Asoziale" ist. Er wird gemieden, von manchen sogar verachtet. Dennoch hat Promoter Ahmet Öner mit Arena einen erfolgreichen Boxstall aufgebaut. Universum hat der 39-Jährige den Rang abgelaufen.

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In der Nacht von Freitag auf Samstag kämpft nun sein Aushängeschild Odlanier Solis in Miami gegen Ray Austin (So., 10 Uhr relive auf ran.de).

Wenn Solis gewinnt, wird er zum Pflichtherausforderer von Schwergewichts-Weltmeister Witali Klitschko. Für Öner wäre ein Sieg gegegen Klitschko ein Meilenstein - aber wer ist dieser Mann überhaupt?

SPOX: Odlanier Solis genießt einen vorzüglichen Ruf und gilt als echte Gefahr für Witali Klitschko, sollte Ihr Schützling gegen Ray Austin gewinnen und so zum Pflichtherausforderer des Ukrainers werden. Doch in Deutschland ist Solis weitgehend unbekannt. Was kann er?

Ahmet Öner: Er ist die moderne Version von Mike Tyson. 1,87 Meter groß, harter Punch, intelligenter Boxstil, schnelle Fußarbeit, sehr gute Deckung und großartige Nehmerqualitäten. Wer wissen will, wie tough Odlanier tatsächlich ist, muss nur im Internet das Video vom Amateur-WM-Finale 2001 in Dublin gegen David Haye suchen. Er wird von Haye mit einem fiesen Aufwärtshaken erwischt, aber Odlanier bleibt unglaublicherweise auf den Beinen und gewinnt wenig später Gold.

Hier geht's zum Video: Odlanier Solis vs. David Haye!

SPOX: Und wenn man Sie weniger als Promoter denn als neutralen Box-Experten fragt: Welchen Schwachpunkt hat Solis?

Öner: Sein Körper imponiert, aber manchmal sieht er zu dick aus. Er hat ein wahnsinnig breites Kreuz und eine beeindruckende Muskulatur vor allem im Nacken- und Schulterbereich. Aber auch das eine oder andere Röllchen am Bauch. Er muss mehr auf seine Ernährung achten. Deswegen habe ich eigens einen Ernährungsberater nach Florida geschickt, damit er im Trainingslager ein Auge auf Odlanier hat.

SPOX: Sie wollen Solis zu einem Superstar formen. Mit Juan Carlos Gomez, einem ebenfalls talentierten Schwergewichtler aus Kuba, hatten Sie ähnliches vor, doch der Plan hat sich zerschlagen, nachdem Gomez deutlich gegen Witali Klitschko verlor und sie sich von ihrem früheren Aushängeschild getrennt haben. Verstehen Sie dementsprechend die Skepsis gegenüber Solis?

Öner: Die Zweifel verstehe ich, aber sie entbehren jeder Grundlage. Odlanier tickt komplett anders. Er hat sich das klare Ziel gesetzt, richtig viel Geld zu verdienen, und er weiß, dass er besonders hart trainieren muss, um das zu schaffen. Außerdem hat er anders als Juan Carlos Ehrgefühl und Stolz. Und: Er hört auf mich. Juan Carlos wäre niemals so abgestürzt, wenn er meinen Rat angenommen und nach dem Klitschko-Kampf geduldig auf seine nächste Chance gewartet hätte. Jetzt ist das Thema durch.

SPOX: Was macht Sie dennoch sicher, dass Solis zunächst Austin besiegt und gegen Klitschko nicht derart untergeht wie Gomez?

Öner: Austin boxt nicht schlecht, aber gegen Odlanier wird er chancenlos sein. Und Klitschko? Ich habe vor einem Jahr gesagt, dass er der beste Schwergewichtler der Welt ist. Das hatte weniger mit seiner Klasse zu tun, vielmehr fehlte in der Weltspitze einfach die Konkurrenz. Sein Bruder Wladimir verfügt über eine bessere Technik, aber bei ihm vermisse ich das komplette Paket. David Haye und Tomasz Adamek haben wohl nicht die Masse, auch Alexander Powetkin ist keine Gefahr. Bleibt Odlanier, der in den letzten Monaten einen großen Sprung gemacht hat. Eine Verletzung oder ein Lucky Punch kann immer passieren, wenn jedoch alles normal läuft, müsste Odlanier gewinnen.

Alle anstehenden Box-Termine im Überblick

SPOX: Es gibt Kritik, dass Solis in seiner Profikarriere nur namenlose Boxer als Gegner hatte und daher die makellose Bilanz mit 16 unbesiegten Kämpfen nichts aussagen würde.

Öner: Die großen Namen fehlen, das stimmt. Aber es ist nicht so, dass wir uns verstecken würden wie ein gewisser Witali Klitschko. Wir wollen, dass Odlanier gegen Haye, Powetkin und die Klitschkos in den Ring steigt. Solche Kämpfe machen erst das Boxen aus. Jetzt ist es jedoch endlich soweit, Witali Klitschko wird nicht mehr kneifen können.

SPOX: Vor einem Monat kam es beim WBC-Kongress im mexikanischen Cancun zum Eklat zwischen Ihnen und Klitschkos Management, weil es einen Antrag auf eine weitere freiwillige Titelverteidigung eingereicht hat. Wäre dieser gestattet worden, hätte Solis noch länger auf einen WM-Fight warten müssen, weswegen Sie bei den Verhandlungen vor Wut Ihr Hemd zerrissen haben sollen. Stimmt das?

Öner: Ja, die Geschichte ist so passiert. Ich habe mich so hilflos und ungerecht behandelt gefühlt, weil plötzlich WBC-Präsident Jose Sulaiman Partei für Klitschko ergriffen hat und bestehende Regelungen außer Kraft setzen wollte. Das ist das typische Miteinander des Establishments, und da konnte ich nichts anderes machen als mich aufzuregen. Immerhin hat es ja etwas gebracht, und der Antrag wurde abgelehnt.

SPOX: Andererseits haben Sie Ihren Ruf als Rüpel eindrucksvoll bestätigt.

Öner: Ich habe jedoch keinen angegriffen oder verletzt. Mittlerweile weiß ich dank meines Anti-Aggressionstrainings die Wut besser zu kanalisieren und schade mir im Notfall selbst und nicht anderen.

SPOX: Klitschkos Promoter Bernd Bönte wie auch Kalle Sauerland sind die Prototypen des smarten Sportmanagers, Sie hingegen müssen mit dem Urteil leben, die Schattenseiten des Boxens zu verkörpern: verrucht, gewalttätig, unanständig. Sind Sie tatsächlich so anders?

Öner: Man muss differenzieren. Kalle Sauerland ist eine tolle Persönlichkeit, mit ihm komme ich wunderbar klar. Er macht dem Namen Sauerland alle Ehre und er ist ein würdiger Nachfolger seines Vaters Wilfried. Mit dem Sauerland-Boxstall bin ich häufig genug angeeckt, aber das Verhältnis war immer professionell und daran wird sich wohl nichts ändern. Was mir an Kalle gefällt: Er hat bereits ein eigenes Profil entwickelt. Kalle ist cool, er steht für die New Generation im Boxen.

SPOX: Und Bönte?

Öner: Er ist aalglatt und hat keine Persönlichkeit. Für mich ist Bönte auch kein echter Promoter, im Grunde arbeitet er ja nur als Unterhändler der Klitschkos. Bönte hat ein komplett anderes Verständnis von Boxen und ist nur auf den eigenen Vorteil aus. Umgekehrt bin ich ehrlich genug zu sagen, dass dieser Mann erfolgreich arbeitet. Am Ende sind seine Events sauber, und er hat es geschafft, die Klitschkos so zu vermarkten, dass am Ring all die Promi-Fans sitzen und glücklich in jede Kamera winken. Diese Schauspieler, Fußball-Trainer, Politiker: Sie pilgern zu jedem Klitschko-Kampf. Böntes System funktioniert. Vielleicht muss man heutzutage auch so sein wie er. Vielleicht gehöre ich als Mann mit Ecken und Kanten zu einer aussterbenden Spezies, die nicht mit der Zeit Schritt halten kann. Vielleicht gehöre ich einfach gar nicht in diese Ära und hätte eher vor 70 Jahren als Promoter arbeiten müssen.

Teil II: Öner über Selbstzweifel, Don King und das Kretschmann-Debakel

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