Die Hoffnung einer gesamten Nation

Von Ole Frerks
Goran Dragic legte in seiner ersten Saison als Starter in Phoenix 14,7 Punkte und 7,4 Assists auf
© imago

Goran Dragic trägt die Hoffnungen der Gastgebernation auf seinen Schultern. Der Point Guard diktiert das Tempo und orchestriert den Fastbreak, von dem die Slowenen bei der EM bisher leben. Gegen Griechenland muss er zudem Topscorer Spanoulis in seinen Kreisen einschränken (ab 21 Uhr im LIVE-STREAM). Keine leichte Aufgabe, aber daran ist der 27-Jährige spätestens seit 2012 gewöhnt.

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"Es ist sehr schön, wieder hier zu sein", sagt Dragic. "Es wird nicht mehr Steve sein, jetzt werde ich es sein. Ich bin nicht wie Steve, niemand kann sein wie er. Er ist einmalig."

Acht Jahre lang hat Steve Nash in Phoenix das Zepter geschwungen, dabei zwei MVP-Titel eingesackt und die Suns zeitweise als eines der besten Teams der Liga etabliert. Nebenbei hat er die Karrieren vieler Spieler entscheidend geprägt, wie etwa von Amare Stoudemire, Shawn Marion oder eben auch Goran Dragic, der nach drei "Lehrjahren" nach Houston getradet wurde.

Nach dem Abgang von Altmeister Nash holen die Suns Dragic zurück, auf einmal ist er der beste Spieler und Hoffnungsträger in der Wüste Arizonas. Natürlich erwartet niemand von ihm, dass er die Suns zum Contender macht, trotzdem soll er seinen gut dotierten Vertrag (vier Jahre, 30 Millionen Dollar) rechtfertigen und die junge Mannschaft beim Rebuild anführen.

Dabei beginnt die Karriere des Slowenen eher schleppend. Nach erfolgreichen Stationen in Spanien und seinem Heimatland wird er 2008 an 45 von den Spurs - stets für ihr gutes Händchen in Sachen internationale Talente bekannt - gezogen und umgehend nach Phoenix verschifft. Dort spielt bekanntlich Nash, sodass für Dragic mühselige Jahre als Reservist beginnen.

23 Punkte in einem Viertel

Nur selten erhält Dragic die Chance, sein immenses Potenzial zu demonstrieren. Die Kurzauftritte in der enttäuschenden Rookiesaison reichen ihm nicht, um genug Selbstvertrauen aufzubauen, zumal sein Verhältnis mit Coach Terry Porter nicht perfekt ist. Nachdem dieser durch Alvin Gentry ersetzt wird, ändert sich vieles.

Dragic findet sich während der Saison 09/10 immer besser in seiner Rolle als Backup-Guard zurecht. Im Dezember liefert er sechs Spiele mit zweistelligem Score, obwohl er keine 20 Minuten pro Spiel auf dem Feld steht. Sein Aufstieg kulminiert in den Playoffs, als er ausgerechnet gegen die Spurs 23 Punkte im vierten Viertel auflegt - Dragics persönliche Coming-Out-Party.

Seine Fähigkeiten sind zu diesem Zeitpunkt unbestritten, lediglich seine Konstanz gibt Zweifel auf. Als Reservist ist man eben dazu gezwungen, schnell heiß laufen zu können. An einigen Tagen gelingt ihm das, an anderen nicht. So kommt es, dass nach drei Jahren vorerst Schluss ist in Phoenix - auch wenn die Suns teilweise harsch dafür kritisiert werden, dass sie ihn für Aaron Brooks nach Houston traden.

Auch bei den Rockets sitzt Dragic zunächst hauptsächlich auf der Bank. Im März fällt jedoch der Starting-PG Kyle Lowry aus, und Dragic ergreift die Chance in den letzten 27 Spielen des Jahres. 26 Spiele in Folge punktet er zweistellig, 19mal verteilt er sieben Assists oder mehr, zwölfmal trifft er mindestens die Hälfte seiner Dreier.

Gestählt durch die Verantwortung

Passenderweise wird er nach diesen Feier-Wochen Free Agent. In Phoenix will man nicht denselben Fehler zweimal machen und holt Dragic zurück. "Es wird nicht leicht, in Steves Fußstapfen zu treten", sagt der bei seiner Vorstellung, "aber ich freue mich darauf."

Das Plus an Spielzeit hat ihm Selbstvertrauen verliehen, das ihm vorher fehlte. Dragic ist jetzt bereit dazu, sein eigenes Team zu tragen, ohne wie früher bei schwächeren Leistungen in Selbstzweifel zu verfallen. In seiner ersten Saison am Steuer ist er mit 14,7 Punkten und 7,4 Assists ein Lichtblick im chaotischen Suns-Kader, der in diesem Sommer ohnehin generalüberholt werden sollte (und wurde).

Das neue Selbstbewusstsein kommt Dragic nun auch in der Nationalmannschaft zugute. Er führt sein Team in der Offense mit 15,2 Punkten und 5,2 Assists pro Spiel an, defensiv leistet er mit seinen 1,3 Steals ebenfalls seinen Beitrag. Bei den Siegen über die favorisierten Spanier und Italiener waren es vor allem Goran und sein Bruder Zoran, die die entscheidenden Plays in der Crunchtime machten.

Gegen die Griechen kommt auf Dragic abermals eine Herkulesaufgabe zu. Er selbst beschreibt Vassilis Spanoulis als den "Main man" - wer den Topscorer Griechenlands stoppt, hat eine gute Siegchancen. Leicht wird das allerdings nicht, aber damit hat Dragic bekanntlich Erfahrung. Die Hoffnung von 12.000 euphorischen Fans liegt bei ihm in guten Händen.

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