"Bayern kann nicht auf mich warten"

Vasilije Micic soll das Spiel des FC Bayern lenken
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SPOX: Pesic bemängelt an vielen Nachwuchsspielern, dass Sie nur an die NBA denken würden. Wie ist es bei Ihnen? Bei Ihnen wäre es nicht verwunderlich, dass Sie sich mit der NBA beschäftigen, immerhin wurden Sie 2014 an 52. Stelle von den Philadelphia 76ers gedraftet.

Micic: Natürlich weiß ich, dass ich gedraftet wurde und offenbar ein gewisses Maß an Potenzial besitze, sonst wäre ich wohl nicht berücksichtigt worden. Zurzeit beschäftigt mich die NBA trotzdem gar nicht. Ich unterschrieb 2014 einen garantierten Zweijahres-Vertrag in München und genoss es in diesem Sommer, absolute Klarheit zu haben. Das war eine wichtige Lehre der Vergangenheit. Früher war ich durcheinander, weil mich so viele Dinge abgelenkt haben. Was könnte man machen? Welche Optionen gibt es? Wie soll ich mich entscheiden? Diese Fragen waren nicht gut für mich und ich konnte mich nicht auf eine Sache konzentrieren. Seit ich in München spiele, bin ich hundertprozentig auf die Bayern fokussiert.

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SPOX: Gibt es Kontakt zu den 76ers?

Micic: Nicht wirklich. Wenn, dann läuft viel über SMS. Ich weiß, dass sich für die 76ers nach meinem Wechsel zu den Bayern mehr Gelegenheit boten, mich direkt zu beobachten, weil einer ihrer International Scouts, Danny Mills, in Berlin lebt. Bisher fanden wir allerdings nicht die Zeit, uns länger auszutauschen.

SPOX: Philadelphia beschäftigt mit Marin Sedlacek einen weiteren International Scout, der als "Draft-Guru" gilt. Sie selbst kennen ihn gut, immerhin sind ihre Familien eng befreundet. Ist er deswegen so kritisch mit Ihnen? Im SPOX-Interview hielt er sich nicht zurück.

Micic: Ich weiß. (lacht) Er ist eben ein sehr ehrlicher Typ. Ich kenne ihn seit 2001 oder 2002, als ich erstmals an einem von ihm geleiteten Camp teilnahm. Seitdem sind unsere Familien befreundet.

SPOX: Unter anderem vertritt Sedlacek im SPOX-Interview die Meinung, dass Sie eigentlich ein Shooting Guard und kein Point Guard wären. Was sagen Sie dazu?

Micic: Ich war, bin und werde immer ein Point Guard sein. Was viele nicht wissen: Ich gehörte lange Zeit zu den kleineren Spielern, bis ich in der Pubertät in einem Jahr um 15 Zentimeter gewachsen bin. Daher hätte ich theoretisch die Größe eines Shooting Guards, trotzdem bevorzuge ich es weiterhin, ein reiner Spielmacher zu sein. Ich weiß, dass ich mich in vielen Bereichen verbessern muss - wie gesagt vor allem körperlich -, aber mit etwas mehr Selbstvertrauen und Erfahrung bin ich mir sicher, dass ich mich auf der Eins durchsetze.

SPOX: Sie sprachen bereits an, dass die BBL von US-Point-Guards bestimmt wird. Ist es nur ein Nachteil für Sie? Birgt es nicht Vorteile?

Micic: Die BBL ist wirklich ein Sonderfall: Es gibt nicht nur viele US-Point-Guards, sie sind auch noch sehr dominant in ihren Teams, häufig sogar die erste Option. Sie spielen sehr aggressiv, ziehen zum Korb, passen hingegen nicht so viel. Das hat mich überrascht. In Serbien gibt es nur sehr wenige von diesen Spielertypen, in der Regel spielt man dort gegen Point Guards, die als erstes an die Mitspieler denken. Das ist hier anders und ich musste durch einen Lernprozess. In dieser Saison will ich daher mehr meine Vorteile in den Vordergrund rücken: Defensiv habe ich vielleicht Nachteile, die ich abstellen will, und offensiv kann ich meine Größe ausnutzen.

SPOX: Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic sagt im SPOX-Interview, dass Sie die Ära der großgewachsenen Point Guards wieder erwecken könnten.

Micic: Ich respektiere die US-Point-Guards sehr, sie sind sehr gute Spieler und überragende Scorer. Nur: Sie sind keine echten Spielmacher. Dabei ist es das, was ich von einem Point Guard erwarte. Ich mochte es früher schon, einem Theo Papaloukas oder einem Dimitrios Diamantidis, meinem persönlichen Idol, zuzuschauen. Von der heutigen Generation gehört vielleicht noch Milos Teodosic in die Reihe.

SPOX: Teodosic erklärte im SPOX-Interview, dass er Ähnlichkeiten zwischen sich und Ihnen sieht. Also führen Sie diese Ära fort?

Micic: Diese Aussage bedeutet mir eine Menge. Ich habe ihn erst im Sommer 2014 erstmals getroffen, als wir zusammen bei der Nationalmannschaft waren und uns auf die WM vorbereitet haben. Ich verletzte mich leider und wurde nicht nominiert, doch davor verbrachten wir viel Zeit zusammen. Milos ist ein einzigartiger, herausragender Point Guard. Er erkennt im Spiel und im Training Dinge, die niemand, wirklich niemand sonst sieht. Ich bin immer wieder sprachlos, wie gut er ist. Viele Trainer können nicht mit ihm umgehen und viele Experten zweifeln an ihm, weil er noch nie die Euroleague gewonnen hat. Dabei sollte einer über jeden Zweifel erhaben sein, wenn er wie Milos seit fünf, sechs Jahren auf dem höchsten Level spielt, alle individuellen Awards gewinnt und dazu erst 28 Jahre jung ist.

SPOX: Wie ist Teodosic privat?

Micic: Ich kann menschlich enorm viel von ihm lernen. Einige haben eine sehr negative Meinung über ihn, obwohl sie ihn als Mensch gar nicht kennen. Diesen Sommer traf ich ihn in Belgrad zufällig auf der Straße. Wir setzten uns spontan hin und quatschten einfach drei, vier Stunden. Über Basketball, über das Leben an sich. Ich schätze es sehr, dass er viel von mir hält und mir Ratschläge gibt.

Seite 1: Micic über seinen Wechsel zu den Bayern, seinen Schwächen und Pesic

Seite 2: Micic über die NBA, Teodosic und den Sonderfall BBL

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