Furchtloser Frischling

Von Max Marbeiter
Coach Svetislav Pesic (2.v.r.) stellt sein Team bislang optimal auf die Euroleague ein
© getty

Als Euroleague-Neuling standen einige Fragezeichen hinter den Bayern. Während seiner ersten drei Auftritte beeindruckte der FCB jedoch die internationale Basketball-Prominenz - auch dank der Erfahrungen aus dem Fußball.

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Der Neue hat es nie leicht. Argwöhnisch wird er betrachtet. Oft werden Daseinsberechtigung und Leistungsfähigkeit in Frage gestellt. Schließlich hat er sich noch nicht bewiesen, hat noch nichts vorzuweisen. Ähnlich ging es auch den Bayern vor dieser Euroleague-Saison. Natürlich hatten sie den Kader im Sommer kräftig verstärkt, auch um die Qualitäten von Coach Svetislav Pesic wusste ganz Europa.

Trotz allem blieb der "Makel" der Unerfahrenheit, blieb die Frage, ob ein Team voller Frischlinge, ein Club, der die Euroleague zuvor selbst nur aus Erzählungen kannte, sich so einfach unter Europas Elite würde etablieren können. Die eigentlich verpasste sportliche Qualifikation und der folgende Erhalt einer Wildcard heizten die Diskussionen zusätzlich an.

Gentile: "Ein richtig gutes Team"

Inzwischen sind drei Spiele absolviert - und bereits jetzt scheint der FC Bayern jegliche Zweifel an seiner Daseinsberechtigung in Europas bester Basketballliga weggewischt zu haben. Essentiell dafür war paradoxerweise eine Niederlage. "Ich habe einige Ausschnitte des Spiels gegen Olympiakos gesehen", erzählt Italiens EM-Topscorer Alessandro Gentile im Gespräch mit SPOX. "Dort haben die Bayern bewiesen, dass sie ein richtig gutes Team sind."

Vor allem die Art und Weise, mit der sich der Neuling gegen den Champion der letzten beiden Jahre nach einem 15-Punkte-Rückstand spät im dritten Viertel noch einmal zurückkämpfte, nötigt Respekt ab. Nur drei Minuten benötigte Bayern, um das Spiel pünktlich zum Schlussabschnitt wieder auszugleichen. Dass kurz vor Schluss erneut die Chance bestand, alles auf Anfang zu stellen, dass eine Niederlage gegen Olympiakos deshalb sogar schmerzt, will ebenfalls so gar nicht in das Klischee des schüchternen Neulings passen.

Starke Auftaktspiele

Überraschen sollte es nach dem bisherigen Saisonverlauf allerdings auch nicht. Denn bereits zum Auftakt musste Debütantenpartner Zielona Gora schmerzlich feststellen, dass man es im Falle der Bayern nicht mit einem Rookie-Team klassischer Prägung zu tun hat. Beinahe locker gewann der FCB beim polnischen Meister. So deutlich das 94:73 klingt, so einseitig war auch der Spielverlauf.

Aber: Zielona Gora bleibt, bei allem gebührenden Respekt, eben nur Zielona Gora. Ein Erfolg war deshalb zwar noch lange nicht Pflicht, in großartige Euphorie wollten Experten, Fans und Verantwortliche jedoch ebenfalls nicht verfallen.

Wesentlich beeindruckter war man da schon nach dem Sieg über Montepaschi, hatte Siena in den letzten Jahren doch Italiens Basketball dominiert und auch in der Euroleague regelmäßig eine gute Rolle gespielt. Nun hat das Team einen Umbruch hinter sich, dass die Münchner zwischenzeitlich mit 24 Punkten führen und trotz eines Zehn-Punkte-Sieges sogar ein wenig unzufrieden sein würden, hatten dennoch die Wenigsten erwartet.

Ärger trotz überzeugendem Sieg

"Das darf uns im letzten Viertel einfach nicht passieren", sagte Nationalspieler Lucca Staiger, nachdem die Italiener am Ende noch einmal deutlich herangekommen waren, zu SPOX und redete damit ganz nach dem Geschmack seines Coaches. Der relativierte seine lautstarke Ansprache im direkten Nachhall der Schlusssirene zwar, war ob der Fahrlässigkeit seines Teams aber doch ein wenig angesäuert.

"In den ersten 30 Minuten haben wir sehr gut gespielt", sagte Svetislav Pesic. "Im letzten Viertel waren wir dann aber zufrieden, haben schon an den Sieg gedacht. Deshalb sind sie auch noch mal herangekommen." Auf der anderen Seite erhoffte sich der Serbe auch einen Lerneffekt, schließlich seien Niederlagen in dieser Hinsicht wertvoller als Siege. "Und das letzte Viertel haben wir nun mal nicht gewonnen."

Zuvor hatte das Team jedoch genau das getan, was Pesic-Teams nun mal tun. Hinten spielten die Bayern herausragende Defense, hinderten Sienas Topstar Daniel Hackett so meist effektiv an seinen gefährlichen Drives Richtung Zone. Vorne wurde entweder das schnelle Transition-Spiel aufgezogen oder aber im Setplay per Extrapass der freie Mann gesucht. Auch der Wechsel zwischen Inside-Out- und Perimeter-Spiel funktionierte beinahe reibungslos.

Diese Balance aus Defense und Offense, gepaart mit einer tiefen Rotation, die es jedem einzelnen erlaubt, während seiner Minuten auf dem Court ans Maximum zu gehen, macht die Münchner zu einem sehr unangenehmen Gegner - für jedes Team. Eine offensichtlich gute Teamchemie tut ihr Übriges.

Scariolo: Erfahrungen aus dem Fußball helfen

"Jeder hilft hier jedem", erzählt Boris Savovic, der erst kurz vor Saisonbeginn nach München wechselte, SPOX. "Gerade, weil in diesem Jahr so viele neue Spieler dazugekommen sind, ist das sehr wichtig. So machen wir auch alles, was der Coach von uns verlangt. Und er weiß wiederum genau, was er von uns will."

Dass diese Symbiose auch auf der ganz großen europäischen Bühne durchaus erfolgversprechend sein kann, ist auch der internationalen Konkurrenz nicht verborgen geblieben. Spaniens zweifacher Europameister-Coach Sergio Scariolo beispielsweise sieht im Gespräch mit SPOX im FC Bayern einen ernsthaften Konkurrenten heranwachsen.

"Sie haben bis jetzt extrem gut gespielt. Sowohl in der Euroleague als auch in der BBL", erklärt Tibor Pleiß' neuer Coach bei Laboral Kutxa. "Der Klub hat eine solide Basis, arbeitet sehr ernsthaft. Zudem sind sie es schon aus dem Fußball gewöhnt, sich auf höchstem Level zu messen."

Statistisch in der absoluten Spitze

Wohl auch deshalb habe man ein "sehr interessantes Team zusammengestellt - mit einigen sehr guten deutschen Spielern und interessanten Amerikanern, die das ganze Team sehr gut ergänzen, ohne die Deutschen zu sehr in den Hintergrund zu drängen."

Beinahe ebenso interessant wie das Team ist dabei die Tatsache, dass diese klug zusammengestellte Mixtur aus Talenten verschiedener Nationen rein statistisch bereits jetzt zur absoluten europäischen Elite zählt. Beim Index-Rating sind nur fünf Teams, darunter die Topfavoriten Real und Fenerbahce Ulker, besser als die Bayern. Einzig Real und Panathinaikos erzielen mehr Punkte. In Sachen Rebounds sind die Münchner sogar unerreicht.

Auf der anderen Seite sind natürlich erst drei Spiele gespielt. Eine Niederlage gegen Malaga, und schon stünde der FCB bei zwei Siegen und zwei Pleiten. Schon viele Teams wurden zu Saisonbeginn in den Himmel gelobt, nur um der gestiegenen Erwartungshaltung im weiteren Verlauf nicht mehr gerecht werden zu können.

Scariolo: "Top16 definitiv realistisch"

Das weiß auch Sergio Scariolo: "Wie weit es geht, kann man natürlich nicht sagen. Schließlich kann eine Verletzung oder kleinste Verschiebungen in der Teamchemie alles innerhalb von zwei Wochen ändern." Die Tendenz, so viel sollte klar sein, ist jedoch mehr als positiv.

"Es sieht so aus, als sei Bayern ein sehr solides Projekt, das auf dem Weg ist, sich unter den besten Teams zu etablieren", meint Scariolo. "Nach allem, was sie bis jetzt gezeigt haben, sind die Top16 definitiv ein realistisches Ziel." Nicht schlecht für einen Neuling.

Der Euroleague-Spielplan im Überblick

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